Von Micha Hörnle
Heidelberg-Schlierbach. Manchmal ist es für Außenstehende schwer auszumachen, wann einem Menschen Unrecht geschieht, wann vielleicht nur ein falscher Ton angeschlagen wurde, wann ein Konflikt eskaliert – ja, und wann sich vielleicht jemand verrennt. Thomas Müller aus Schlierbach jedenfalls ist der Meinung, dass ihn die Stadt seit 25 Jahren schikaniert. Sie hat neulich sogar ein Halteverbot in seinem eigenen Hof verhängt, das aber mittlerweile wieder aufgehoben wurde.
Alles begann, als der gebürtige Peterstaler zu Beginn der neunziger Jahre eine alte, arg verlotterte Villa im Gutleuthofweg, direkt an den Bahnschienen beim Amtsgericht im Zuge einer Zwangsversteigerung kaufte. Er hatte dazu ein Exposé vom Gericht bekommen, das ihm bestätigte, dass dieses Grundstück lastenfrei sei, also dass er alleiniger Eigentümer der gesamten Fläche sei. Aber da hatte er sich wohl getäuscht, wie er lange annahm.
Denn schon bald gab es den ersten Ärger mit der Stadt, da ging es vor allem um Verkehrsfragen, nämlich wie der Lastwagenverkehr – von Baustellenfahrzeugen bis hin zu den Müllautos – in dem Areal geführt werden sollte. Nach Maßgabe der Stadt sollten die bei Fahrten vom Hang her durch die schmale Straße "Im Grund" geführt werden – und just an der Ecke zum Gutleuthofweg steht seit ein paar Jahren Müllers Garage, an der die Laster dann auch hin und wieder hängen blieben.
Für ihn sind andere Straßen wesentlich geeigneter. Und so stritt sich Müller mit der Stadt um die korrekte Beschilderung (samt Standort der Schilder), das Regierungspräsidium machte sogar einen Vorort-Termin: "Unnötig ohne Ende", schimpft Müller.
Im Lauf der Zeit errichtete der Handwerker an der alten Villa etliche Anbauten, mittlerweile sind es sechs Wohnungen: "Das ist meine Altersvorsorge." Und natürlich war jeder Neubau auch genehmigt – zumindest da gab es keine Probleme. Aber der Hickhack im Kleinen blieb: Da grub die Stadt bei ihm Leitungen auf, schließlich stand ja immer im Raum, dass die Stadt möglicherweise Anrecht auf einen Randstreifen seines Grundstücks haben könnte.
Denn im schmalen Gutleuthofweg gibt es keinen Bürgersteig – den die Stadt rein theoretisch bauen könnte –, deswegen ist dieser Teil der Straße, in der Müller wohnt, als Spielstraße ausgewiesen.
Irgendwann wollte Müller entnervt sein Grundstück mit einem anderen städtischen tauschen, doch die Stadt lehnte ab. Schließlich gab es im letzten Jahr einen Wasserschaden: Bis die Lärmschutzwand gebaut wurde, floss das Regenwasser problemlos über den Gleisschotter Richtung Neckar ab.
Nun stauten sich die Wassermassen, weil der Abfluss an der Lärmschutzwand zu klein war. Müller sagt, er habe die Stadt rechtzeitig darauf hingewiesen – und fühlt sich nun wieder Repressalien ausgesetzt. Zumal er immer noch mit der Stadt streitet, wer denn für die Wasserschäden aufzukommen hat.
Die Stadt, so behauptet der Schlierbacher, will, dass seine eigene Versicherung dafür bezahlt. Eine Stadtsprecherin verweist hingegen darauf, dass die Stadtverwaltung die Angelegenheit ihrem Haftpflichtversicherer übergeben habe, "dort wird über die Regulierung entschieden. Dies ist auch im Falle von Herrn Müller geschehen".
Schließlich, Ende Oktober, kam es zur ganz großen Eskalation, nun war für Müller das Ende der Fahnenstange erreicht: Auf einmal standen auf seinem Hof Halteverbotsschilder. Denn mittlerweile hatte der Abwasserverband – und damit eine städtische Behörde, das Tiefbauamt – direkt an der Lärmschutzwand und an Müllers Grundstück eine Baustelle eingerichtet: Der viel zu schmale Kanal unter den Gleisen soll verbreitert werden, damit das Regenwasser besser abfließen kann.
Und damit die Müllautos wenden können, bräuchte man Müllers Hof. Das wurde unter anderem damit begründet, dass ein Teil von Müllers Grundstück sowieso gewidmet sei, also im Besitz der Stadt sei. Wenn Müller nicht sofort die Fahrzeuge, darunter einen Bootsanhänger, entferne, geschehe das notfalls zwangsweise.
Da fühlte sich Müller endgültig enteignet – einmal abgesehen davon, dass er sein Boot nicht irgendwo am Straßenrand abstellen wollte: "Das ist richtiger Machtmissbrauch, die wollen mich fertigmachen." Müller, der keinen Anwalt hat ("Auf diesen Kosten würde ich auch noch sitzen bleiben"), wandte sich ans Verwaltungsgericht in Karlsruhe, und auf einmal waren die Halteverbotsschilder in seiner Einfahrt verschwunden.
Sein Vertrauen ins Heidelberger Rathaus hat er mittlerweile verloren, er leidet gesundheitlich unter der Situation. Will ihn irgendjemand bei der Stadt etwa dafür bestrafen, dass er sich nichts gefallen lässt und seine Meinung äußert? Oder hat es damit zu tun, dass er fünf Jahre lang, bis 2012, Vorsitzender des Stadtteilvereins war?
Eine Stadtsprecherin nennt das gegenüber der RNZ "ein Missverständnis": "Es war selbstverständlich zu keiner Zeit beabsichtigt, widerrechtlich in das Privateigentum von Herrn Müller einzugreifen." Man habe die Grundstücke verwechselt – auf einem Nachbargrundstück gab es tatsächlich eine städtische Widmung. Und während Müller beklagt, dass Baubürgermeister Jürgen Odszuck nicht zu einem Gespräch bereit sei, sagt die Stadtsprecherin: "Vor dem Aufstellen der Halteverbots-Schilder sind leider mehrere persönliche Gesprächsangebote der Geschäftsführung der Stadtbetriebe Abwasser von Herrn Müller abgelehnt worden, sonst hätte die Fehleinschätzung des Abwasserzweckverbandes wahrscheinlich frühzeitiger korrigiert werden können." Während Müller auf einem Termin mit dem Baubürgermeister beharrt, erneuert die Stadtsprecherin das Gesprächsangebot der Behörden.
Alles hört sich nun nach einem gigantischen Missverständnis an, und Müller hat tatsächlich einen wichtigen Teilsieg errungen: Immerhin bestätigt nun auch die Stadt, dass sie keinen Teil seines Grundstücks beansprucht. Ob nun Frieden einkehrt? Zumindest wäre es das, was sich Müllers Lebensgefährtin Anja Weber wünscht: "Wir wollen wirklich nur unsere Ruhe haben."