Von Birgit Sommer
Heidelberg. Die frisch zusammengeschlossene Kirchengemeinde "Christus-Luther-Markus" (CLM) vereint die evangelischen Christen in Bergheim, in der Weststadt, der Südstadt und der Bahnstadt. Wie man sie künftig motiviert, tatsächlich mit der Kirche zu leben, wollen Pfarrer Maximilian Heßlein (48) und seine beiden Kolleginnen - sie werden heute Abend vom Ältestenkreis gewählt - mit viel Kreativität erarbeiten. Im RNZ-Gespräch sagt Heßlein, warum man solche neuen Wege gehen muss.
Herr Heßlein, die CLM-Gemeinde ist die größte der fusionierten Pfarrgemeinden in Heidelberg mit derzeit 7500 Mitgliedern. Wie funktioniert das Zusammenwachsen?
Das funktioniert ziemlich gut, soweit man das jetzt sagen kann. Wir sind ja seit 31. März vereint, der Prozess wird also noch ein bisschen dauern, mindestens zwei bis drei Jahre, schätze ich. Wahrscheinlich noch länger.
Spart die Kirche mit Fusionen Geld?
Vielleicht ganz langfristig gesehen. Es ist aber wichtig und sinnvoll, dass wir das nicht des Geldes wegen machen, sondern schauen, welcher inhaltliche Mehrwert bei uns entsteht. Im Moment ist die Fusion nur wahnsinnig teuer, etwa wegen der Kommunikationsarbeit. Wir haben unsere rund 7500 Mitglieder per Post informiert und ihnen auch den neuen Gemeindebrief geschickt. Dazu kommt, dass wir uns von der Infrastruktur her neu ausrichten müssen.
Wo finden denn jetzt die Gottesdienste statt?
Neben vielen kleineren Andachts- und Gottesdienstformen unter der Woche vor allem sonntags in der Christuskirche, einmal monatlich sind wir auch im Markus-Haus. An Pfingstsonntag werden wir unseren Abschiedsgottesdienst im Lutherzentrum haben, es wird vom Stadtkirchenbezirk künftig an die Hosanna-Gemeinde vermietet werden. Für die Zukunft müssen wir noch ein Gottesdienst-Konzept entwerfen. Wir sind ja vier Stadtteile mit entsprechend verschiedenen Menschen und gesellschaftlich unterschiedlichen Vorstellungen, was die Gestaltung des eigenen Lebens und damit auch der Gottesdienste angeht. Das betrifft Ort, Zeit und Form. Gleichzeitig ist es wichtig, dass wir verlässlich sind.
Wer muss das Konzept entwerfen?
Liturgische Entscheidungen liegen in der evangelischen Kirche beim Ältestenkreis. Wir als Pfarrer wirken natürlich mit.
Es wird drei Pfarrstellen geben: Ihre als traditionelle Stelle, eine Stelle, die die Seelsorge in die Gesellschaft hineintragen soll, und eine, die sich um neue Gemeindeformen kümmern wird.
Ja, genau so richten wir unsere neue Gemeinde aus. Die drei Bewerberinnen um die beiden Stellen haben sich der Gemeinde und dem Ältestenkreis vorgestellt, am heutigen Mittwoch findet der Wahlgottesdienst in der Lutherkirche statt.
Wann sind die Kolleginnen dann in Heidelberg?
Ich hoffe, dass wir nach den Sommerferien mit der kompletten Mannschaft starten können.
Die Gemeinde hat aus der Bahnstadt und den Konversionsflächen der Südstadt theoretisch großen Zuwachs zu erwarten. Doch glauben die Menschen noch an Gott? Gehen sie in die Kirche?
Das ist genau der Punkt, warum wir ein neues Konzept und Ideen für neue Gemeindeformen brauchen. Die alten Formen sind eine unerlässliche Grundlage unseres Glaubens und unserer Arbeit. Mit den neuen Formen wollen wir darüber hinaus Menschen ansprechen und mit dem Glauben in Verbindung bringen.
Was wollen die Menschen stattdessen?
Die Gesellschaft ist bunt und multikulturell, nicht nur, weil sie aus verschiedenen Ländern kommt. Auch Menschen, die hier aufgewachsen sind, tragen unterschiedliche Vorstellungen in sich - quer durch alle Generationen. Wir müssen an vielen Stellen versuchen, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Wie wollen Sie das machen?
Vor allem hingehen! Mir ist wichtig, dass wir nicht nur einladen, sondern versuchen, zu sehen, wie die Menschen leben, was bei ihnen die Themen sind. Wir müssen uns einfach mal auf die Spielplätze in der Bahnstadt setzen. Wir können gleichzeitig mit dem Wochenmarkt auf dem Gadamerplatz unsere Räume öffnen, die sich ja direkt nebenan befinden. An Himmelfahrt haben wir dort einen Gottesdienst mit 70 Besuchern gefeiert, und viele sind vorbeigegangen und haben geschaut und gesehen, dass wir da sind.
Sie sprachen auch von neuen Formen, etwa einem Taufgottesdienst am Iqbal-Ufer?
Wir werden mit den Kolleginnen, die hier anfangen, die nächsten Schritte vorwärts gehen. Ich weiß, wir werden auch eine hohe Frustrationstoleranz mitbringen müssen, wenn wir experimentell und kreativ arbeiten.
Denken Sie da auch an die neuen Medien?
Ich glaube, das ist unabdingbar. Wir machen schon viele Dinge bei Facebook und schicken manches über Twitter raus, aber das muss noch viel weiter gehen. Die Geschichte vor der Europa-Wahl mit dem Youtuber "Rezo" ist für mich ein Fingerzeig, dass sich in den letzten Jahren Kulturen entwickelt haben, von denen wir als Kirche meilenweit entfernt sind. Wir haben großen Aufholbedarf. Es reicht auch nicht, auf Facebook präsent zu sein, das ist ein Medium für die Alten geworden, zu denen ich in diesem Bereich auch schon gehöre.
Wir sind gut beraten, mal zum Beispiel bei unseren Konfirmanden zu schauen, wo deren Kommunikationsflächen sind. Meine 14 und 15 Jahre alten Söhne sind nicht bei Facebook, die sind anderweitig in sozialen Netzwerken unterwegs. Es gibt da eine kulturelle Verschiebung, und wir als Kirche kommen an vielen Stellen nicht mehr hinterher. Das wäre aber nötig, wollen wir unsere Botschaft, wie es uns aufgetragen ist, viel breiter hörbar und erfahrbar machen.