Von Anica Edinger
Heidelberg. Am 1. Januar 2021 hätte es so weit sein sollen: Der erste Nachtbürgermeister in Heidelberg sollte seine Stelle antreten. So haben es die Stadträte am Mittwochabend im Haupt- und Finanzausschuss beschlossen – mit überwältigender Mehrheit. In der nächsten Sitzung dieses Ausschusses am 24. November sollten sich die Kandidaten persönlich vorstellen, dann der neue Nachtbürgermeister gewählt werden.
Nur: Keine 24 Stunden nach besagter Entscheidung soll diese schon wieder rückgängig gemacht werden. Denn im Nachgang der Sitzung überlegten es sich einige Fraktionen anders. CDU, SPD, "Die Heidelberger", FDP und die Grün-Alternative Liste (GAL) veröffentlichten am Donnerstag eine Pressemitteilung, die es in sich hat. In dem Schreiben wird Oberbürgermeister Eckart Würzner aufgefordert, die Besetzung der Nachtbürgermeister-Stelle umgehend zur Chefsache zu erklären – "und damit für ein rechtssicheres und transparentes Verfahren zu sorgen". Denn: "Nach unserer Ansicht ist das Verfahren des grünen Bürgermeisters Erichson völlig dilettantisch aufgesetzt worden."
Gemeint ist: Ursprünglich wurde die Stelle des Nachtbürgermeisters auf Honorarbasis mit einem Budget von monatlich 100 Stunden ausgeschrieben. Weil sich daraufhin aber das Finanzamt bei der Stadt meldete und Bedenken wegen des Verdachts der Scheinselbstständigkeit ankündigte, wurde die Position in eine Stelle innerhalb der Verwaltung umgewandelt, befristet und mit Bezahlung nach der Entgeltgruppe E 13 im Öffentlichen Dienst.
"Die Tragweite dieser Änderung ist uns im Nachgang der Sitzung deutlich geworden. Das Ändern der Ausschreibungsbedingungen vom Bestellen einer Dienstleistung hin zu einer Stelle im öffentlichen Dienst ist so gravierend, dass das Verfahren so nicht weitergeführt werden kann", wird SPD-Fraktionsvorsitzende Anke Schuster zitiert. Zudem sei für die Stellenbesetzung im öffentlichen Dienst und somit auch bei der Stadtverwaltung rechtlich ein klar definiertes Verfahren vorgegeben, das nicht einfach ausgehebelt werden könne, wie CDU-Fraktionschef Jan Gradel ergänzt.
Schon in der Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses hatte Gradel am Mittwoch das Vorgehen zur Stellenbesetzung bemängelt – insbesondere die Online-Abstimmung zu den Kandidatinnen und Kandidaten sei rechtlich anfechtbar. Zudem bekundete er, mit der jetzigen Kandidatenauswahl ganz und gar nicht zufrieden zu sein – was auch Larissa Winter-Horn (Die Heidelberger) unterstützte.
Deshalb schlagen die Fraktionen – die im Gemeinderat auch ohne die Grünen eine Mehrheit bilden könnten – ein gänzlich neues Vorgehen vor. Zunächst müsse die Stelle bis Ende Dezember erneut öffentlich ausgeschrieben werden. Das städtische Personalamt habe im Anschluss die eingegangenen Bewerbungen zu sichten, eine Personalfindungskommission mit Vertreterinnen und Vertretern der Fraktionen solle im Januar tagen und Kandidatinnen und Kandidaten vorschlagen. Diese sollen sich dann im Haupt- und Finanzausschuss am 28. Januar vorstellen – und die Stadträte dann ihre Wahl treffen.
"Wir erwarten, dass die Verwaltung im Ausschuss für Wirtschaft und Wissenschaft nach den Herbstferien, in dem der Tagesordnungspunkt erneut behandelt werden soll, ein transparentes, rechtssicheres Verfahren vorschlägt", schreiben die Fraktionen. Schließlich sei der Nachtbürgermeister doch im Hinblick auf die Sperrzeitendiskussion "ein zu wichtiges Instrument, als dass wir sie oder ihn durch ein fehlerhaftes und angreifbares Verfahren gefährden".
Update: Donnerstag, 22. Oktober 2020, 20.15 Uhr
Wann wird der Nachtbürgermeister gewählt?
Heidelberg. (ani) Am 8. Oktober wäre es soweit gewesen: Dann hätte der Gemeinderat den ersten Heidelberger Nachtbürgermeister gewählt. Doch es kam anders: Der Ältestenrat um Oberbürgermeister Eckart Würzner verschob die Entscheidung wenige Tage vor der Gemeinderatssitzung – als Gründe wurden der coronabedingte Sparhaushalt angegeben sowie die noch ausstehende Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu den Sperrzeiten in der Altstadt.
Die Grünen – mit 16 Stadträtinnen und Stadträten die mit Abstand größte Fraktion im Gemeinderat – hatten bereits kurz nach dieser Entscheidung verkündet, gegen die Verschiebung vorgehen zu wollen. "Ein Nachtbürgermeister ist gerade jetzt wichtiger denn je", hieß es. Nun sollen die Gemeinderäte final im Haupt- und Finanzausschuss am Mittwoch, 21. Oktober, entscheiden, wie es mit dem Nachtbürgermeister in der Stadt weitergeht. Die Verwaltung jedenfalls hält daran fest: "Der Haupt- und Finanzausschuss beschließt die Verschiebung der Auswahl der Position des Nachtbürgermeisters auf April 2021", heißt es in der Beschlussvorlage. Zudem solle die Position, anders als ursprünglich beschlossen, "aus steuer- und arbeitsrechtlichen Gründen als befristeter Arbeitsvertrag besetzt" werden. Als Begründung heißt es weiter: "Aufgrund der finanziellen Belastungen, die die Covid-19-Pandemie ausgelöst hat, sowie der Einschränkungen des öffentlichen Lebens ist die Verschiebung der Stellenbesetzung erforderlich und sinnvoll."
Das sehen nicht nur die Grünen anders, sondern auch der Verein "Eventkultur Rhein-Neckar" – ein Zusammenschluss von Clubbetreibern, Veranstaltern und Kulturschaffenden in der Metropolregion. In einer kurzen Stellungnahme, die auf Facebook veröffentlicht wurde, heißt es: "Auch wenn wir den finanziellen Druck auf die Stadtkasse nachvollziehen können und bedauern, ist es für uns unverständlich, dass die Besetzung dieser wichtigen Stelle ein weiteres Mal verzögert wird." Denn gerade jetzt bräuchten "die Akteure der Nacht" Unterstützung, um durch diese auch für sie besonders schwierige Zeit zu kommen. Der Nachtbürgermeister könne auch hier etwa beim Erstellen und Umsetzen von Hygienekonzepten helfen, unbürokratische Hilfestellung für Finanzierungshilfen bieten und auch zentraler Ansprechpartner in der Verwaltung sein.
Deshalb schreibt der Verein weiter an die Stadträte im Haupt- und Finanzausschuss: "Eventkultur Rhein-Neckar bittet die dort sitzenden Gemeinderätinnen und Gemeinderäte, den Prozess nicht weiter zu verschieben, sondern zugunsten einer schnellen Besetzung zu entscheiden." Im Rennen um den Posten ist derzeit noch der Einzelkandidat Benjamin Punke sowie das Duo Florian Schweikert und Hannes Diether. Alexander Beck hat als Drittplatzierter der vorausgegangen Juryempfehlung seine Bewerbung zurückgezogen, wie aus der Verwaltungsvorlage hervorgeht.