Joachim von der Linde (r.) und sein Geschäftspartner Oliver Antes betreiben in Neuenheim bereits das River Café und die Bar Centrale. Nun wollen sie in der Schulzengasse eine Pizzeria eröffnen. Foto: Rothe
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Neuenheims Mitte bleibt, wie sie ist – das hat der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung beschlossen. Die ganze Mitte Neuenheims? Nein, denn Joachim von der Linde und sein Geschäftspartner Oliver Antes wollen nun in der Schulzengasse eine Pizzeria eröffnen. Doch dagegen regt sich Widerstand. Zahlreiche Anwohner laufen Sturm – und haben Einspruch bei der Stadt eingelegt.
"Wir sind hierhergezogen unter der Prämisse, dass wir in einer ruhigen Ecke wohnen können", sagt Birte Mardeck. Sie und ihr Mann, Hans Csik, wohnen seit 2005 in der Schulzengasse, unmittelbar neben der einstigen Bäckerei Blank, die im Herbst 2018 schloss. Von der Linde, der in Neuenheim bereits das River Café und die Bar Centrale am Marktplatz betreibt, kaufte die Immobilie schließlich von der Familie Blank – mit dem Ziel, daraus eine Pizzeria zu machen.
Als Mardeck und Csik darüber Anfang Dezember durch einen Brief der Stadt informiert werden, fallen sie aus allen Wolken. Denn in der offiziellen "Betriebsbeschreibung" ist von einem "Familienlokal" die Rede, das 365 Tage im Jahr von 11 bis mindestens 24 Uhr betrieben werden soll. Statt der "normalen" Pizza soll das Hauptaugenmerk hier auf der "Pizza Neapoletana" liegen, die bei großer Hitze in nur knapp 90 Sekunden gebacken wird. Mardeck, Csik und die anderen Anwohner fürchten nun, dass die Pizzeria am Ende eher Schnellimbiss denn Familienlokal sein wird – und es mit dem ruhigen Leben in der Mitte Neuenheims ein Ende hat. "Wir haben Angst, dass das hier zu einer Kneipenpromenade wird", sagt Csik. Die Pizzeria werde viele Menschen von der Neckarwiese anziehen. In der Bäckerei sei früher um 18 Uhr Schluss gewesen. Wenn nun bis Mitternacht geöffnet sei, komme in der Gasse niemand mehr zu Ruhe. "Wir haben hier eine tolle Gemeinschaft und die soll jetzt zerstört werden", sagt Csik.
Auch Gérald Neuville ist besorgt angesichts der neuen Pizzeria. Gemeinsam mit seiner Frau und seinen zwei Kindern wohnt er gegenüber der Immobilie. Die Schlafzimmerfenster der Familie sind in Richtung Schulzengasse gerichtet, Neuville arbeitet von zu Hause aus. Er sagt: "Der Lärm ist das Hauptproblem." Selbst wenn sich der Autoverkehr am Ende in Grenzen halten sollte, würden Besucher noch immer zum Rauchen vor die Türe gehen und sich unterhalten. Mit offenem Fenster zu schlafen oder zu arbeiten – daran sei für seine Familie und ihn nicht mehr zu denken.
Dass die Besucher seines Lokals vor der Tür rauchen, dagegen könne er nichts machen, sagt Joachim von der Linde. Abgesehen davon kann er die Sorgen der Anwohner nur schwer verstehen. "Ich bin seit 25 Jahren in Heidelberg als Gastronom tätig und ich habe noch nie Ärger mit meinen Nachbarn gehabt." Mit seiner Pizzeria wolle er keine "Saufklientel" anziehen: "Wir wollen hier eine Atmosphäre schaffen, wo jeder in Ruhe eine Pizza essen und gemütlich ein Fläschchen Wein trinken kann." Zwar will er auch Bier und Pizzen zum Mitnehmen verkaufen ("Das kann ich den Leuten ja nicht verbieten"), doch am Ende sei die Pizzeria immer noch ein Restaurant und keine Shisha-Bar.
"Ich möchte natürlich Betrieb haben", sagt von der Linde. "Aber ich will meinen Nachbarn auch nicht auf den Geist gehen." Länger als Mitternacht wolle er nicht öffnen. "Wenn dann aber ein Gast da sitzt und noch seinen Wein austrinkt, werde ich ihn sicher nicht rausschmeißen." Was die Öffnung der künftigen Außenterrasse betrifft, zeigt er sich kompromissbereit. "Mit 22 Uhr kann ich leben."
Eigentlich wollte von der Linde die Pizzeria schon im November eröffnen. Bereits im Juli habe er der Stadt den Bauantrag zukommen lassen, sagt er. Doch die Genehmigung zur "Nutzungsänderung" der einstigen Bäckerei steht noch aus. Dennoch will der Unternehmer die Pizzeria schon Ende der Woche eröffnen – zumindest den Teil, für den ihm laut eigener Aussage eine Konzession vorliegt. Von der Linde hofft, dass, wenn die Pizzeria erst einmal geöffnet hat, auch die Anwohner Gefallen daran finden. "Beim Café Blank saßen oft die Anwohner, und genau das wollen wir wieder erreichen, dass es wieder ein Nachbarschaftslokal wird."
Bis es so weit ist, wird es aber wohl noch dauern. Denn die Nachbarn rund um Csik und Mardeck wollen auch weiter für ihre ruhige Mitte Neuenheims kämpfen. Gleich mehrere von ihnen haben Einspruch gegen die Eröffnung der Pizzeria eingelegt. Zudem haben sie Unterschriften gesammelt, die sie nun Oberbürgermeister Eckart Würzner, Bürger- und Bauamt schicken wollen – auch, weil sie sich von der Stadt hintergangen fühlen. "Wir werden hier als Bewohner vor vollendete Tatsachen gestellt", sagt Csik. Dass die Verwaltung der Pizzeria bisher keinen Riegel vorgeschoben hat, kann er nicht verstehen: "Auf der einen Seite will man eine ruhige Mitte Neuenheims, auf der anderen Seite wird das Gegenteil gefördert."