Mountainbiken auf einem Viertel des Waldwege-Netzes erlaubt
Wem gehört der Wald? - Immer wieder geraten Wanderer und Radfahrer in Konflikt

Von Julia Lauer
Heidelberg. Die Dichter, die nach Heidelberg kamen, haben ihm ein Denkmal gesetzt, und auch die Stadtbewohner haben ihn längst für sich entdeckt: den Wald, der die Stadt umgibt. Aber wem gehört er? Auf einer technischen Ebene ist die Frage schnell geklärt; drei Viertel der Waldfläche sind im Besitz der Stadt. Komplizierter wird es, wenn die Nutzung verhandelt wird. 376 Kilometer umfasst das Wegenetz, und rund ein Viertel davon müssen sich Fußgänger und Radfahrer teilen.
Hier beginnt der Konflikt, manchmal jedenfalls – vor allem dann, wenn Wanderern, die sich in Gefahr sehen, nur noch der rettende Sprung ins Gebüsch bleibt. "Einen Unfall hatte ich noch nicht, aber sich zu erschrecken, ist auch nicht schön", erzählt zum Beispiel ein Mann aus der Erbprinzenstraße in Rohrbach.
Dass die meisten Radfahrer rücksichtsvoll sind, bestreitet er nicht. Aber jene Minderheit, die es nicht ist, empfindet er als ernsthaftes Problem. Dass er selbst gerne mit dem Mountainbike im Wald unterwegs ist, ändert daran nichts. Der Mann, er ist Mitte 60, kennt also beide Perspektiven: Seit 40 Jahren erklimmt er die hiesigen Berge zu Fuß, seit 20 Jahren tritt er auch in die Pedale, um Höhenmeter zu machen. Er sagt: "Am Wochenende fahre ich nicht mehr mit dem Mountainbike auf den Königstuhl, das ist mir zu gefährlich." Seit einem Jahr bleibt sein Rad samstags und sonntags daheim. Zu Fuß im Stadtwald unterwegs zu sein, ist ihm Risiko genug.
Hintergrund
Mountainbiker im Wald
Fahrradfahrer sind nicht gleich Fahrradfahrer, und so sind es vor allem die sogenannten Downhill-Aktivitäten im Wald, die der Naturschutzorganisation BUND Sorge bereiten. Denn so lange sich Moutainbiker auf breiten Wegen den Berg
Mountainbiker im Wald
Fahrradfahrer sind nicht gleich Fahrradfahrer, und so sind es vor allem die sogenannten Downhill-Aktivitäten im Wald, die der Naturschutzorganisation BUND Sorge bereiten. Denn so lange sich Moutainbiker auf breiten Wegen den Berg hinaufquälen, werden sie gemeinhin nicht als Problem wahrgenommen. Anders sieht es bei der temporeichen Talfahrt aus, erst recht, wenn sie mitten im Wald erfolgt. Neben den Auswirkungen auf den Boden – wie etwa durch Erosion – stünden auch Folgen für Tiere und Pflanzen zu befürchten, teilt die Heidelberger Ortsgruppe mit. Dies gelte etwa für bodennah brütende Vogelarten wie Zaunkönig, Waldlaubsänger, Zilpzalp oder Fitis, außerdem für Amphibien und Reptilien wie den Grasfrosch oder den Feuersalamander.
Manche der genannten Arten sind bedroht. "Leider sind gerade die selteneren Arten in der Regel auch deutlich störanfälliger", erklärt die Umweltschutzorganisation. Für die Natur seien plötzlich auftretende Fahrradfahrer ein größeres Problem als Fußgänger und Jogger auf Haupt- und Nebenwegen, so ihr Fazit. Dass leistungsstarke Scheinwerfer inzwischen auch Fahrten in der Dämmerung ermöglichen, störe die Ruhe im Wald weiter.
Während Tiere mitunter überfahren werden, sind Zusammenstöße mit Menschen kaum bekannt. Auch von aufgewirbelten Staubwolken geht für den Menschen wohl kein großes Risiko aus. Die Ahorn-Rußrindenkrankheit etwa ist zwar auch aus südwestddeutschen Wäldern bekannt, wie das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises unter Berufung auf die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt des Landes (FVA) mitteilt. Die Sporen können allergische Reaktionen der Lungenbläschen hervorrufen. Aber: "Die FVA schätzt das Risiko einer Erkrankung der Lunge durch den Erreger als nicht besonders hoch ein."
Dass das Verhältnis zwischen Fußgängern und Radfahrern angespannt ist, ist kein neues Phänomen. Vor einigen Jahren wurden sogar mutmaßlich Anschläge auf Mountainbiker verübt. Nicht anders ließ sich jedenfalls deuten, dass der Heidelberger Polizei gespannte Schnüre und Drähte im Wald gemeldet wurden. Das war kein Schabernack, sondern stellte eine ernsthafte Gefahr für Radfahrer dar.
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Eine Entschärfung des Konflikts ist jedoch noch immer nicht in Sicht. Wie viele Besucher sich regelmäßig zwischen Buchen, Fichten und Douglasien tummeln, kann zwar keiner so genau sagen. Dass es immer mehr werden, leugnet jedoch keiner. Zu der neuen Lust am Wandern gesellte sich das Aufkommen der E-Bikes. Die eingeschränkten Freizeitmöglichkeiten in Corona-Zeiten kamen da noch hinzu. Was den Menschen bleibt, ist der Wald.
Auf vielen Wegen gilt es nun für noch mehr Besucher als zuvor, sich irgendwie zu arrangieren. In Baden-Württemberg regelt das Landeswaldgesetz, dass Radfahren nur auf Wegen erlaubt ist, die breiter als zwei Meter sind. Das allerdings sind auch häufig diejenigen Wege, die auch bei Fußgängern hoch im Kurs stehen. Auf den allermeisten schmaleren Pfaden – die bei vielen Mountainbikern beliebt sind – sind dieser Regelung entsprechend jedoch Zweiräder verboten. Konkret bedeutet das: Im Wegenetz des Stadtwaldes sind 90 Kilometer als Mountainbike-Strecken ausgewiesen, die übrigen Wege sind allein Fußgängern vorbehalten. Daneben gibt es eine Strecke am Königstuhl, die sogenannte Downhillstrecke, die ausschließlich Fahrradfahrern offensteht. So weit die Theorie.
Denn vielen Mountainbikern ist das nicht genug. Jedenfalls dem Vernehmen nach, weil sich auf RNZ-Anfrage weder Vertreter des Mountainbike-Vereins Freeride noch der Mountainbiker, die innerhalb der hiesigen Ortsgruppe des Deutschen Alpenvereins organisiert sind, zu diesem Thema äußern wollen. Bernhard Pirch-Rieseberg vom Fahrradclub ADFC ist jedoch zum Gespräch bereit.
Das Problem zwischen Wanderern und Radfahrern habe in den vergangenen Monaten zugenommen, meint auch er – vor allem in der Nähe von Parkplätzen wie etwa am Blockhaus auf halbem Weg zum Königstuhl. Er plädiert dafür, die Strecken für Radfahrer auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls nachzubessern, damit sich die Waldbesucher besser verteilen. Auch neue Wege seien denkbar. Schmale Wege seien nur auf zehn Kilometern für Radfahrer freigegeben. Ginge es nach ihm, könnten es ein paar mehr sein.
Allerdings ermächtigen sich Mountainbiker auch immer wieder selbst dazu, neue Strecken zu erschließen, indem sie sich auf schmalen Pfaden ihren Weg durch den Wald bahnen. Vom Wegenetz unabhängig, werden diese illegalen Trails für Fußgänger allenfalls dort zum Ärgernis, wo sie bestehende Wanderwege kreuzen – etwa am Königstuhl, wo Mountainbiker sie oft überraschend und in schnellem Tempo queren. Vor allem für Pflanzen und Tiere sind die Trails ein Problem.
Weitere Strecken für Radfahrer freizugeben, hält die Stadt nicht für eine gute Lösung. Eine Netzverdichtung würde zwangsläufig weiter zu Lasten von Fußgängern gehen und sei daher nicht geplant, teilt ein Sprecher mit. Dass die Begegnung beider Lager konfliktträchtig sei, wisse man. Aber: "Unmittelbare Kollisionen sind uns nicht bekannt", sagt er zum Glück auch.