Die Heidelberger Studentin Merve Uslu mit ihrem Großonkel Ahmet Uslu, dahinter dessen Sohn Kadir Uslu. Foto: privat
Von Sophie Krischa
Heidelberg. Was genau haben Oma und Opa eigentlich gemacht, als sie jung waren? Eine Frage die sich viele stellen – und deren Beantwortung durchaus spannende Geschichten ans Licht bringen kann. Das weiß auch Merve Uslu: Die 23-jährige Heidelberger Ethnologie- und Soziologiestudentin schrieb nun sogar ihre Bachelorarbeit über die Vergangenheit ihrer Großväter und drehte daraus kurzerhand einen rund 15-minütigen Film "Kismet – eine Geschichte zwischen Schicksal und Sehnsucht".
"Kismet" bedeutet Schicksal und erzählt die Geschichte zweier junger Männer, die in den Sechzigern ihre Heimat, die Türkei, verließen, um wie so viele in Deutschland als Gastarbeiter Geld zu verdienen. "Ich habe den Fokus auf die familiären Beziehungen zwischen meinen Großvätern und ihren zurückgelassenen Familien – vor allem ihren älteren Brüdern – gelegt", erklärt Merve Uslu.
Bei ihren Forschungsarbeiten, die sie bis an die südlichste Spitze der Türkei, nach Antakya, brachten, lernte sie schnell auch die Kehrseite der Gastmigration kennen. Die Studentin weiß nun: "Das Leben in Deutschland war keinesfalls so rosig wie gedacht." Harte Arbeit, Sprachschwierigkeiten, Heimweh und die ständige Angst, abgeschoben zu werden, prägten den Alltag der beiden Großväter – ließen sie doch sogar Frau und Kinder vorerst in der Türkei zurück.
"Wenn sie dann auf Heimatbesuch kamen, stießen sie auf Unverständnis. Vor allem vonseiten ihrer Brüder", hat Uslu erfahren. Die Geschwister konnten den Missmut über das Leben in Deutschland nicht recht nachvollziehen und hielten es für Jammern auf hohem Niveau im Gegensatz zu ihrer harten Arbeit auf dem Feld. Jeder, der nach Deutschland gehen durfte, wurde als wahrer Glückspilz betrachtet. "Die Frage, wer wem dankbar sein muss, hat für ständige Spannungen gesorgt und die Fronten verhärtet", ist sich Uslu sicher. So sehr, dass eines der Brüderpaare noch heute ein sehr zerrüttetes Verhältnis hat. "Das Einzige, was hilft, ist eben, Kismet – also das Schicksal – zum Sündenbock zu machen. Meine beiden Großväter sind überzeugt: Die Entscheidungen wurden schicksalhaft getroffen und es kam so, wie es kommen musste", meint Merve Uslu.
Heute leben ihre Großväter sechs Monate lang in der Türkei, sechs in Deutschland. "Beide fühlen sich nach wie vor in der Türkei zuhause. Dadurch, dass wir, ihre Kinder und Enkelkinder, aber hier leben, haben sie eben einen Fuß dort und einen hier", erklärt die Heidelbergerin.
Info: Wen die Geschichte der Männer und ihrer Familien neugierig gemacht hat, der kann den Film ab Dienstag, 11. Februar, kostenlos auf Youtube anschauen: Einfach "Kismet – eine Geschichte zwischen Schicksal und Sehnsucht" in die Suchleiste eingeben.