Von Jonas Labrenz
Heidelberg. Bei der Anklageverlesung hatten sie sich noch amüsiert, bei der Urteilsverkündung gab es Tränen und wütendes Gebrüll: Eva B. und Vilmos D. sind am Montag am Heidelberger Landgericht wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung zu viereinhalb und fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Paar, das zuletzt in einem Abbruchhaus in Kirchheim lebte, hat dort einen Freier der Frau vergewaltigt. Der 41-Jährige und seine 46-jährige Partnerin müssen außerdem 15.000 Euro Schmerzensgeld an das Opfer zahlen. Weil Vilmos D. während der Urteilsbegründung immer wieder lauthals dazwischenrief, ließ ihn der Vorsitzende Richter Markus Krumme aus dem Saal entfernen.
Die Tat geschah am 13. August letzten Jahres. Eva B. und Vilmos D. waren seit drei Monaten in Deutschland und hatten gehofft, hier Arbeit zu finden. Das gelang ihnen jedoch nicht. Der Rumäne und die Ungarin sprechen kein Deutsch und haben beide keinen Schulabschluss. Sie ließen sich in einem Abbruchhaus in Kirchheim nieder und bettelten. Eva B. prostituierte sich illegal.
Das Opfer hatte vor dem Corona-Lockdown gelegentlich Prostituierte aufgesucht und kam – nachdem das legal nicht mehr möglich war – über einen Freund zu Eva B. Die ersten Male kam sie zu ihm in die Wohnung und erzählte ihm auch von ihrer Not und ihren Kindern und appellierte an seine Großzügigkeit. "Das fiel bei ihm auf fruchtbaren Boden", sagte der Vorsitzende Richter Markus Krumme in der Urteilsbegründung. Das Opfer habe sich zu Eva B. hingezogen gefühlt und dann in einem "erschreckend und verhängnisvollen Maß an Naivität" gehandelt. Auf ihren Vorschlag kam er das nächste Mal in das Abbruchhaus. Dort fixierte sie ihn, während Vilmos D. den Mann vergewaltigte. Das Motiv: "Wahrscheinlich um seine Überlegenheit zu demonstrieren."
Die Angeklagten äußerten sich in der Verhandlung nicht zu der Tat. Vilmos D. hatte im Ermittlungsverfahren noch alles bestritten. Somit stand im Prinzip Aussage gegen Aussage. Drei Stunden lang musste das Opfer, das aufgrund der Tat berufsunfähig und psychisch stark mitgenommen ist, unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen und die Aussage genaustens geprüft werden. "Die Kammer hält die Aussage im Ergebnis für glaubhaft", teilte Krumme mit und erklärte ausführlich, worauf es bei deren Prüfung ankam.
Zwingende Beweise gab es neben der Aussage nicht. Es wurden keine DNA-Spuren gefunden und die Verletzung des Opfers passt zwar zum geschilderten Ablauf, hätte aber auch anders erklärt werden können. Die Aussage des Opfers aber – schon bevor es zum Prozess kam, wurde er viermal vernommen – sei konsistent und schlüssig, so Krumme. Das Opfer habe eine Vielzahl an Details genannt, Dinge, die für die Tat eigentlich keine Rolle spielten, ebenso beschrieben wie Emotionen. Zwar gebe es leichte Abweichungen zu einer der vorherigen Vernehmungen. Doch die Konstanz sei "zwiespältig", so Krumme. Wenn alles immer genau gleich erzählt würde, sei "ebenfalls Vorsicht geboten".
Update: Montag, 8. März 2021, 20.20 Uhr
Angeklagtes Paar soll einen Freier vergewaltigt haben
Von Jonas LabrenzUpdate: Montag, 8. März 2021, 20.20 Uhr
Heidelberg. Ein Paar muss sich seit Dienstag wegen gemeinschaftlicher Vergewaltigung vor dem Heidelberger Landgericht verantworten. Eva B. und Vilmos D. schweigen vorerst zu den Vorwürfen, sprachen aber über ihr bisheriges Leben. Die 46-Jährige und ihr 41-jähriger Partner kamen im Mai 2020 nach Deutschland und lebten in einem leer stehenden Haus im Franzosengewann im Stadtteil Kirchheim. Dort soll sich am 13. August auch die Tat ereignet haben. Das mutmaßliche Opfer, ein 46-jähriger Mann, wurde unter Ausschluss der Öffentlichkeit vernommen. Es sind noch drei weitere Verhandlungstage angesetzt.
Eva B. soll sich laut Anklage illegal prostituiert haben. Das 46-jährige Opfer habe bereits zwei Mal ihre Dienste in seiner Wohnung in Anspruch genommen. Am 13. August soll der Mann erstmals in die Unterkunft im Franzosengewann gekommen sein. Dort sei er auf Vilmos D. getroffen, der ihm als "Beschützer" von Eva B. bekannt gemacht worden war, so Oberstaatsanwältin Kerstin Anderson. Vilmos D. sei "nur spärlich bekleidet" gewesen. Als der 46-Jährige sich auszog und hinlegte, soll Eva B. ihn fixiert haben, während Vilmos D. den wehrlosen Mann vergewaltigte. Er habe "unter Todesangst gelitten", so Staatsanwältin Anderson.
Später schilderte Anwalt Silvio Käsler, der den 46-Jährigen in dem Verfahren als Nebenkläger vertritt, wie es seinem Mandanten seitdem ergangen ist. Er leide unter Schlafstörungen, Angst- und Panikattacken und Überforderung. Monatelang war der Mann komplett berufsunfähig. Nach der Tat wurde bei ihm eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Sein Mandant sei dazu wegen vorheriger Erkrankungen physisch und psychisch in einem schlechten Zustand. Weil eine "psychische Dekompensation" drohe, beantragte er, den 46-Jährigen in einem anderen Saal per Videoübertragung zu vernehmen und die Öffentlichkeit in dieser Zeit auszuschließen. Beiden Anliegen kam der Vorsitzende Richter Markus Krumme nach.
Die Angeklagten, die der Vortrag über den Zustand des 46-Jährigen und die Anklageverlesung teilweise zu belustigen schien und die immer wieder den Kopf schüttelten, sprachen am ersten Prozesstag über ihr bisheriges Leben. Beide kamen aus Ungarn nach Deutschland, um hier ein besseres Leben zu führen. Eine Arbeit fanden sie ohne Schulabschluss und Kenntnisse der deutschen Sprache allerdings nicht und erbettelten sich schließlich ihr Geld.
"Ich hatte eine schwere Kindheit", sagte Vilmos D., der in Rumänien aufwuchs. "Ich habe sehr viel arbeiten müssen." Nach nur drei Jahren habe er die Schule verlassen und erst als Tagelöhner auf dem Feld gearbeitet, sich dann später als Maler in Ungarn verdingt und nach einer gescheiterten Ehe dort Eva B. kennengelernt. Sie ging acht Jahre zur Schule und half danach im Geschäft des Vaters, erklärte sie. Auch sie hat eine gescheiterte Ehe mit vier Kindern hinter sich. Vilmos D. hat eines aus erster Ehe.
Sowohl Eva B. als auch Vilmos D. sind bereits mehrfach verurteilt worden und haben beide mehrere Jahre im Gefängnis verbracht. Vilmos D. hatte unter anderem Streit mit der Polizei und einen Raubüberfall begangen. Eva B. hatte immer wieder gestohlen. Während Vilmos D. trinkt, alle paar Tage eine ganze Flasche Wodka, wie er aussagte, nimmt Eva B. Drogen: "Ab und zu habe ich Speed genommen. Einmal im Monat, nicht regelmäßig." Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.