So soll er ausgesehen haben: der Ringwall mit Toranlage, mit dem sich die Kelten auf dem Gipfel des Heiligenbergs schützten. Wer heute danach sucht, findet nur noch Steine, die versprengt in der Landschaft liegen. Im Kurpfälzischen Museum aber kann man den Wall mit der „HD Discovery Station“ erkunden. Visualisierung: KMH / MESO Digital Interiors
Von Julia Lauer
Heidelberg. Nur ein paar Steine, die versprengt in der Landschaft liegen, sind von ihnen geblieben: Vor rund 2500 Jahren schlugen die Kelten ihr Lager auf dem Heiligenberg auf. Auf dem Gipfel errichteten sie weit über dem Neckar eine Siedlung. Wären da nicht ein paar Hinweisschilder, könnte einem heute glatt entgehen, dass dort oben einmal das politische, religiöse und kulturelle Zentrum der Kelten in der ganzen Region gewesen ist.
Das soll sich ändern. "Wir haben viele Ideen, um unseren Berg neu zu präsentieren", sagt Renate Ludwig, die als promovierte Archäologin am Kurpfälzischen Museum die Abteilung Denkmalschutz und Archäologie leitet. "Unsere Ideensammlung wächst. Wir stecken mittendrin, und die Köpfe rauchen", fasst sie den Stand der Dinge zusammen. Das Leben der Kelten soll für Besucher künftig besser greifbar werden, so viel steht fest. Bloß wie? "Heute stellt man keine Infotafeln mehr in den Wald. Auch die Idee eines konventionellen Infocenters wurde schon vor vielen Jahren verworfen, denn der Heiligenberg soll schonend erschlossen werden."
Stattdessen schweben Ludwig andere Ideen vor. So hält die Archäologin beispielsweise QR-Codes auf dem Berg für sinnvoll: Sie könnten dort angebracht sein, wo etwas gefunden wurde. Mit dem Smartphone könnte man die Codes einlesen, und auf dem Bildschirm würden Bilder von Grabungen oder die Fundstücke erscheinen. Etwa die Reste eines keltischen Streitwagens, die im Museum ausgestellt sind.
"Der Berg soll ins Museum und das Museum auf den Berg", erklärt sie die Richtung, in die ihre Überlegungen gehen – und zwar mit digitalen Medien. Der Anfang ist gemacht, schon heute kann man im Museum in der Hauptstraße den Heiligenberg mit einer Spielekonsole auf einem großen Video-Bildschirm erkunden ("HD Discovery Station"). Wichtig ist ihr auch, dass in das neue Konzept die Forschungsergebnisse aus den vergangenen beiden Jahren einfließen. Dazu gehören Untersuchungen am Ringwall sowie am Heidenloch, das ihr zufolge wohl doch eher eine mittelalterliche Anlage gewesen ist – und kein keltischer Kultschacht, wie lange vermutet worden war.
Dass die Überlegungen zur Darstellung des keltischen Erbes gerade jetzt Gestalt annehmen, ist kein Zufall. Baden-Württemberg präsentiert sich als Keltenland und investiert in Fundstätten und Museen mit keltischem Erbe. In einer Broschüre zum Thema ist auch der Heidelberger Heiligenberg aufgeführt. Doch als das Land im Juli bekanntgab, welche Fundstätten gefördert werden, war der Heiligenberg nicht dabei – im Gegensatz zum Heidengraben auf der Schwäbischen Alb, dem Fürstensitz am Fuß des Ipf und dem Keltenmuseum Hochdorf. Zum Keltenland gehören bisher auch das Landesmuseum Württemberg in Stuttgart und die landeseigene Heuneburg bei Sigmaringen.
Doch für Heidelberg ist es noch nicht zu spät. Seit Mitte November liege ihrem Haus ein Konzept des Kurpfälzischen Museums vor, teilt eine Sprecherin das Wissenschaftsministeriums in Stuttgart mit. Derzeit werde es fachlich bewertet, und auch vertiefende Gespräche mit dem Museum und der Stadt Heidelberg werde es noch geben. Das Förderprogramm ist längerfristig angelegt, es läuft auch nicht in festen Runden. "Angesichts der unbestrittenen besonderen kulturhistorischen Bedeutung des Heiligenbergs gibt es eine große Bereitschaft vonseiten des Landes, die Keltenstätte Heiligenberg und das Kurpfälzische Museum im Rahmen der Keltenkonzeption zu fördern."
Rund 200 Jahre lang, im fünften und im vierten Jahrhundert vor Christus, waren die Kelten im heutigen Stadtgebiet ansässig. Auf dem Gipfel des Heiligenbergs unterhielten sie wohl den Fürstensitz, die bäuerliche Bevölkerung lebte im Tal, wie bisherige Funde nahelegen. "Es wäre Hybris zu meinen, dass Heidelberg mit der Heuneburg mithalten könnte, die in ganz Mitteleuropa einzigartig war", sagt Renate Ludwig. "Aber einzigartig an der Heidelberger Siedlung ist ihr Alter. Die Höhensiedlung auf dem Heiligenberg entstand zu einem Zeitpunkt, als die Heuneburg längst zur Ruine geworden war." Aus dieser mittleren Keltenzeit gebe es in Baden-Württemberg keinen anderen so bedeutenden Ort.
Wann in Heidelberg ein neues Konzept umgesetzt wird, kann Ludwig noch nicht so genau sagen und verweist auf die weitere Abstimmung mit dem Ministerium. Aber oben auf dem Berg die Fundstätte und am Fuß des Berges das Museum zu haben: Das sei im Vergleich zu den anderen Keltenstätten im Land eine Besonderheit.
Und vielleicht wird eines Tages auch in Heidelberg noch mehr entdeckt – ausgeschlossen ist das nicht. Weil der Heiligenberg Grabungsschutzgebiet ist, sind Ausgrabungen nur mit ganz konkreten Fragestellungen möglich. Dass vieles noch nicht untersucht ist, ist aber wohl als ein Glück zu betrachten: "Unser wertvollstes archäologisches Gut sollte künftigen Generationen von Archäologen mit besseren Methoden vorbehalten bleiben, damit es nicht zerstört wird", sagt Renate Ludwig.