Heidelberg-Kirchheim. (dns) Das Neubaugebiet "Am Dorf" im Südwesten Kirchheims soll flächendeckend zum verkehrsberuhigten Bereich werden (siehe unten). Während der Vorsitzende des Stadtteilvereins, Jörn Fuchs, diesen Schritt kritisiert, sorgt er bei den betroffenen Anwohnern dagegen für große Freude: "Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass dieses Vorhaben nun endlich an Fahrt aufzunehmen scheint", betont Anna-Lena Rückert, die seit fast neun Jahren mit ihrer Familie dort lebt.
"Ich wage zu behaupten, dass es vermutlich in wenigen Bereichen in Kirchheim eine so hohe Dichte an Familien mit kleinen Kindern gibt wie hier im Viertel am Dorf", erklärt Rückert. Kindergarten, Krippe und Spielplatz sorgten zudem für "immensen Besucherverkehr auf kleinen Füßen". Und dass gerade der Bruchhäuser Weg gefährlich sei, habe nicht zuletzt ein Unfall vor einigen Jahren gezeigt, bei dem ein Kind angefahren wurde.
Umso mehr seien die "Dorf"-Bewohner von der Kritik des Stadtteilvereinsvorsitzenden irritiert gewesen, schreibt Rückert an Fuchs. Dieser hatte beklagt, dass die Stadt seinen Verein und den Bezirksbeirat nicht in die Entscheidung einbezogen habe – und zudem zu Unrecht in einer Presseerklärung behaupte, diese hätten sich die Verkehrsberuhigung gewünscht. Dass es dort ein "Versehen" gab, gesteht auch eine Stadtsprecherin ein: Die Institutionen hätten sich nicht explizit einen verkehrsberuhigten Bereich gewünscht, sondern des Öfteren allgemein "verkehrsberuhigende Maßnahmen". Zudem hatte Fuchs erklärt, dass er die Einrichtung einer Spielstraße für ungeeignet hält, die Verkehrsprobleme im Bruchhäuser Weg zu lösen – denn dieser sei die Zufahrt zum Kirchheimer Hof und müsse deshalb auch mit Lkws und Traktoren befahrbar sein.
Hier widerspricht Rückert, die sich gemeinsam mit anderen Familien im Quartier seit Jahren dafür einsetzt, das Wohngebiet sicherer zu machen, vehement. Man begrüße dieses Instrument nicht nur, sondern habe sich jahrelang dafür eingesetzt: "Die geplanten Umbauten in eine Spielstraße sind vermutlich auch das Ergebnis wirklich vielfacher Bitten und Nachfragen der Anwohner." Zudem habe man den Familienbeauftragten der Stadt angeschrieben, Begehungen organisiert und selbst Schilder gemalt, die Autofahrer zur Vorsicht mahnen sollen.
Die Kirchheimerin verstehe auch nicht, warum eine Spielstraße ein Problem für landwirtschaftliche Fahrzeuge darstellen soll: "Wenn dadurch Parkplätze wegfallen, haben die sogar mehr Platz." Umso wichtiger sei aber, dass gleichzeitig die Geschwindigkeit reduziert werde, "da gerade diese Fahrzeuge schlicht gefährlich für Kinder im Straßenverkehr sind", so die Mutter.
Update: Montag, 1. März 2021, 20.15 Uhr
Stadt will Neubaugebiet zu verkehrsberuhigtem Bereich machen
Von Denis Schnur
Heidelberg. Wer künftig durch das Neubaugebiet "Am Dorf" im Süden Kirchheims fährt, sollte etwas mehr Zeit einplanen. Denn aus den acht Straßen des Quartiers soll bald ein verkehrsberuhigter Bereich werden. Darüber informierte die Stadtverwaltung den Verkehrsausschuss vergangene Woche. So wolle man die Sicherheit der Anwohner erhöhen, aber auch die Lärm- und Schadstoffbelastung senken.
Noch gilt im Neubaugebiet „Am Dorf“ flächendeckend Tempo 30. Wenn dort demnächst ein verkehrsberuhigter Bereich eingerichtet wird, dürfen Autos dort nur noch maximal Schrittgeschwindigkeit fahren. Foto: Philipp RotheBislang gibt es laut Verwaltung 20 verkehrsberuhigte Straßen in Kirchheim, jetzt könnten außerdem die Straße "Am Dorf" sowie die Gertrude-von-Ubisch-Straße, die Ernst-Rehm-Straße, die Susanne-Pfisterer-Straße, der Bruchhäuser Weg (östlich des Cuzaring), die Margarete-Massias-Straße, der Rachel-Straus-Weg, die Hedwig-Jochmus-Straße und die Stephanie-Pellissier-Straße hinzukommen. Sie alle erfüllen laut einer Prüfung des städtischen Amtes für Verkehrsmanagement die rechtlichen Voraussetzungen dafür.
Baulich müsse man in dem Neubaugebiet kaum aktiv werden, damit ein verkehrsberuhigter Bereich entsteht: "Die Gehsteige sind bereits ebenerdig, deswegen müssen wir da gar nicht viel machen", erklärte ein Mitarbeiter des Verkehrsmanagements in der Sitzung. Es müssten lediglich Schilder aufgestellt sowie Parkplätze auf dem Boden markiert werden. Denn in verkehrsberuhigten Bereichen darf nur innerhalb gekennzeichneter Flächen geparkt werden. "Aus diesem Grund fallen vor Ort nun vereinzelt Parkplätze weg, die bislang illegal genutzt wurden", so die Stadt in einer Presseerklärung. Insgesamt geht sie von Kosten in Höhe von 5000 Euro aus.
Neben der Parksituation wird sich dadurch vor allem die zulässige Höchstgeschwindigkeit im Neubaugebiet ändern. Während dort bislang Tempo 30 galt, ist künftig nur noch Schrittgeschwindigkeit erlaubt. Zudem haben Fußgänger dann auch auf der Fahrbahn Vorrang und dürfen von motorisierten Fahrzeugen nicht behindert werden. Auch Kinderspiele sind dann überall erlaubt.
Im Verkehrsausschuss gab es für die Pläne der Stadt ausnahmslos Lob. "Absolut richtig und wirklich an der Zeit", findet etwa Marlies Heldner (Heidelberger). Felix Grädler (Grüne) sieht in der Umwidmung "einen großen Gewinn für die Sicherheit". Beim Bezirksbeirat und dem Stadtteilverein Kirchheim führt das Vorgehen dagegen zu Irritationen. Denn die Stadt betont in ihrer Pressemitteilung zwar, dass man damit auch dem Wunsch der beiden Institutionen nachkomme, nur: "Ein solcher Wunsch wurde weder vom Bezirksbeirat Kirchheim noch vom Stadtteilverein Kirchheim jemals geäußert", betont der Stadtteilvereinsvorsitzende Jörn Fuchs. Es sei zwar richtig, dass die Situation für Fußgänger in vielen Bereichen des Wohngebietes unbefriedigend sei. "An vielen Stellen bietet sich deshalb sicherlich an, verkehrsberuhigte Bereiche einzurichten."
Fuchs sieht jedoch in der "unbefriedigenden Situation" im Bruchhäuser Weg das größte Problem. Dort würden nämlich Anwohner auf dem Gehweg parken und damit die Durchfahrt blockieren. "Das lässt sich keinesfalls durch die Einrichtung eines verkehrsberuhigten Bereiches lösen." Eine solche Lösung verkenne, dass der Bruchhäuser Weg die Zufahrt zum Kirchheimer Hof ist, die von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Lkws befahren werde.
Statt des Alleingangs der Stadt hätte man sich in Kirchheim gewünscht, dass die Stadtverwaltung Vorschläge zur Lösung der Probleme macht und diese dann mit den Stadtteilvertretern im Bezirksbeirat diskutiert. "Das jetzt angekündigte Vorgehen der Stadtverwaltung wird der Sachlage leider nicht gerecht – auch wenn es rechtlich zulässig ist – und macht wie so oft die Arbeit der Bezirksbeiräte zur Farce", zeigt sich Fuchs enttäuscht.