Marie Louise Posdzich (r.) und Philipp Lechleiter von der Jungen Universität bei ihrem Vortrag auf der MS Wissenschaft. Foto: Philipp Rothe
Heidelberg. (arj) Durch die fortschreitende Digitalisierung hat sich die Arbeitswelt grundlegend gewandelt. Welche Konsequenzen hat das für die junge, heranwachsende Generation? Um diese Frage ging es bei einem Vortrag der Jungen Universität mit dem Titel "In welche Arbeitswelt begebt Ihr Euch? Ein Blick in die Glaskugel für Jugendliche und junge Erwachsene" am Sonntagvormittag. An Bord der MS Wissenschaft, die derzeit am Marstall vor Anker liegt, hatten sich wissenschaftlichen Mitarbeiterdes Bereichs Arbeits- und Organisationspsychologie zusammengetan, um speziell Schüler für die Herausforderungen von morgen fit zu machen.
"Unsere Gesellschaft hat sich durch das Internet grundlegend gewandelt", erklärte Philipp Lechleiter von der Jungen Universität. "Auch die Arbeitswelt ändert sich entsprechend", fügte seine Kollegin Marie Louise Posdzich hinzu. Werden uns die Roboter vom Arbeitsmarkt verdrängen? Jein, das kommt ganz auf den jeweiligen Beruf an.
Mithilfe der Internet-Anwendung "Job-Futuromat" stellte Posdzich einige Beispiele dafür vor, wie unterschiedlich stark Berufe von der Automatisierung betroffen sind. "Bei Lehrern ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie mal von Robotern ersetzt werden, sehr niedrig - das liegt an der didaktischen und erzieherischen Komponente des Lehrers", argumentiert Posdzich. Als Bäcker hingegen sei die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass alle Arbeitsschritte irgendwann mal automatisiert werden. Allgemein würden vor allem im produzierenden Gewerbe Jobs wegfallen, aber dafür in den Bereichen IT, Kommunikation und Information neue Arbeitsstellen geschaffen werden.
"Auch der demografische Wandel spielt eine wichtige Rolle. Über wenige Jahrzehnte wird sich die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland um viele Millionen verringern - unsere Gesellschaft altert", prognostiziert Lechleiter. Und tatsächlich verirrten sich doch an diesem Sonntagmorgen nur sehr wenige junge Leute unter vielen älteren Besuchern auf das Schiff. Die Automatisierung würde also in vielen Fällen dort Abhilfe schaffen, wo Fachkräfte fehlen. Der Soziologe fasst zusammen, was junge Arbeitnehmer heute geändert hat - anders als noch vor einer Generation - zu erwarten haben: "Lebenslanges Lernen, flexible Arbeitszeiten und -orte sind ebenso wichtig wie Teamfähigkeit, Sprachkenntnisse und Kompetenz im Umgang mit Technik."
Ein Beispiel dafür seien Assistenzsysteme wie sogenannte Augmented-Reality-Brillen, die Mechanikern helfen, indem sie Störungen an technischen Anlagen durch Sensoren erfassen und anzeigen. Auch eine kulturelle Komponente komme hinzu, wenn man durch die weltweit vernetzte Arbeitswelt mit anderen Kulturen und Sprachen in Kontakt komme, deren Gepflogenheiten gemeistert werden müssen.
Am Ende des Vortrags fand eine kurze Diskussion um ethische Gesichtspunkte der Digitalisierung statt. Soziale Vereinsamung ist ein Argument, das aus dem Publikum gebracht wird, aber Lechleiter hält dagegen: "Ja, es wird ein Umbruch geben, aber menschenleere Büros und Fabriken wird es nicht geben. Der Face-to-face-Kontakt wird ganz sicher weiter bestehen bleiben."
Info: Das Ausstellungsschiff MS Wissenschaft macht noch bis Dienstag, 4. September, Station in Heidelberg, am Marstall. Die Ausstellung "Arbeitswelten der Zukunft" ist täglich von 10 bis 19 Uhr geöffnet.