Das neue Forschungsgebäude gegenüber vom Mathematikon ist der abschließende Baustein in der Gesamtkonzeption der Physikalischen Institute. Foto: Alex
Von Arndt Krödel
Heidelberg. Der Name klingt einigermaßen sperrig: "European Institute for Neuromorphic Computing" (EINC), und auch unter der deutschen Übersetzung "Europäisches Institut für neuromorphes Rechnen" kann sich zunächst kein Mensch etwas vorstellen. Es geht dabei um Computer, die nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns konstruiert sind - die Funktionsweise ist menschlichen Nervenzellen nachempfunden (von griechisch neuron, ‚Nerv‘, und morphé, ‚Gestalt’). Für Fachleute liegt die Zukunft der Künstlichen Intelligenz im Neuromorphic Computing. Der Neubau des "EINC" der Universität Heidelberg wird derzeit auf dem Campus Im Neuenheimer Feld errichtet und feierte jetzt Richtfest. Schon im Rohbau des neuen Forschungsgebäudes schräg gegenüber dem Mathematikon wird deutlich: Hier entsteht etwas Einzigartiges.
"Wir freuen uns darauf, das Gebäude im nächsten Jahr beziehen zu können", meinte der Dekan der Fakultät für Physik und Astronomie, Prof. Hans-Christian Schultz-Coulon, in seiner Ansprache vor den zahlreich erschienenen Gästen und erinnerte zugleich an den Heidelberger Experimentalphysiker Karlheinz Meier, der im letzten Jahr unerwartet verstarb und Mitbegründer des "Human Brain Project" (HBP) war. In dem ambitionierten EU-Flaggschiff-Forschungsvorhaben leitete er das Teilprojekt "Neuromorphic Computing". Das HBP arbeitet in einer internationalen Kooperation an einer großen Simulation des menschlichen Gehirns.
Bei der Grundsteinlegung für den Neubau des EINC im Mai letzten Jahres habe Meier davon gesprochen, dass die Forschung, die in diesem Gebäude geleistet werden soll, die Gesellschaft nachhaltig beeinflussen wird. "Das sehe ich auch so", erklärte Schultz-Coulon. Es sei Meiers Intention gewesen, dass "diese Forschung nicht nur hinter diesen Betonwänden passieren soll, sondern es wichtig ist, gleichzeitig damit rauszugehen, die Gesellschaft mitzunehmen und zu informieren", so der Wissenschaftler. Das Gebäude biete alles - ganz im Sinne Karlheinz Meiers: Laboratorien, freie Diskussionsflächen, große öffentliche Räume, um Besucher einzuladen.
Auch Heidelbergs Baubürgermeister Jürgen Odszuck setzte auf die Außenwirkung der neuen Forschungseinrichtung: Er habe volles Vertrauen darin, dass die Exzellenz, die überall im Inneren sein werde, auch nach außen getragen werde. Der Wissenschaftsstandort Heidelberg, so unterstrich er bei der Feierstunde, erfahre dadurch noch mal eine Stärkung. Auf ein interessantes Detail im neuen Haus ging der Sprecher des neuen Exzellenzclusters "Structures" der Universität Heidelberg, Prof. Manfred Salmhofer, ein, nämlich das im obersten Stockwerk geplante "Oberstübchen".
In diesem von Karlheinz Meier "großzügig angebotenen" Raum werde man sich in den nächsten Jahren treffen, miteinander sprechen "und sich gemeinsam den Kopf zerbrechen, um unsere Wissenschaft weiterzubringen". Architekt Michael Ohnemus bezeichnete das EINC als weiteren Baustein der Physikalischen Institute, deren Projekt er seit 20 Jahren begleite. Es sei der abschließende Baustein in der Gesamtkonzeption in Richtung Berliner Straße.
Die Idee des Neubaus sei, dass die Forschung der Wissenschaftler für alle sichtbar werde und der Aufbau des neuen neuromorphen Computersystems in der großen Maschinenhalle für alle erlebbar werde. Zu Beginn der Feierstunde hatten Bernd Müller, Leitender Baudirektor vom Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg, Amt Mannheim und Heidelberg, sowie der Rektor der Ruperto Carola, Bernhard Eitel, Grußworte gesprochen.
Die Hälfte der Baukosten in Höhe von rund 18 Millionen Euro stammt aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Auch drei private Förderer aus Heidelberg sind bei der Finanzierung des Neubaus mit dabei: Hans-Peter Wild, die Klaus Tschira Stiftung und die Dietmar Hopp Stiftung beteiligten sich mit einer Gesamtsumme von sechs Millionen Euro. Baupolier Michael Muth verlas vom ersten Stock des Rohbaus aus den Richtspruch und zerdepperte anschließend das zuvor in einem Zug geleerte Weinglas mit einem herzhaften Wurf auf den Betonboden.