Von Holger Buchwald
Heidelberg. Baukräne in der Bahnstadt, große Pläne für die Konversionsflächen in der Südstadt und für Patrick-Henry-Village: Heidelberg verändert sein Gesicht. Auch in der Innenstadt hat sich in den vergangenen Jahrzehnten viel getan. Aus Anlass des 75-jährigen Jubiläums der Rhein-Neckar-Zeitung haben wir daher unsere Serie "Einst und Jetzt" gestartet – und alle Leserinnen und Leser sind dazu aufgerufen, mitzumachen: Schicken Sie uns doch Fotos aus Heidelberg aus den letzten siebeneinhalb Jahrzehnten. Unsere Fotografen werden dann die gleiche Stelle aus dem gleichen Blickwinkel noch einmal fotografieren und so den Wandel dokumentieren. In der heutigen Folge geht es um eine historische Aufnahme aus dem Botanischen Garten im Neuenheimer Feld.
Einst und jetzt
"Die junge Dame im Vordergrund ist meine Mutter, Ulrike Heyer, geborene Seybold im Jahr 1956", schreibt der Einsender, Klaus Heyer aus Dossenheim, zu seinem Foto: "Ihr Vater, Professor August Seybold, war zu dieser Zeit Direktor des Botanischen Gartens." Der schöne Mitteltrakt des Gewächshauses sei leider in den 60er Jahren durch einen Neubau ersetzt worden. "Dabei ging auch die ,Ananas’ verloren, die das alte Gewächshaus krönte", so Heyer weiter.
Seine Mutter Ulrike Heyer kann sich noch gut an die Zeit, in der das Foto aufgenommen wurde, erinnern. Etwa zehn Jahre lebte sie mit ihrer Familie in den beiden Pavillons, die noch heute am Ende der Gewächshäuser stehen. "Die Amerikaner hatten uns aus unserer Wohnung in der Zeppelinstraße geworfen", sagt sie im Telefonat mit der RNZ: "Wir haben dort gelebt, bis das neue Botanische Institut gebaut wurde."
Viel größer als heute sei der Botanische Garten damals gewesen, berichtet Ulrike Heyer. Besonders gerne erinnert sie sich an das Alpinum, den Hochalpengarten mit "wunderbaren, schönen Pflanzen". "Das ist jetzt alles weg", bedauert Heyer: "Dort steht jetzt die Krehl-Klinik." Der alte Garten war für Ulrike Heyer, die auf der Aufnahme aus dem Jahr 1956 etwa 20 Jahre alt war, ein "Paradies". Besonders der Teich mit den Seerosen hatte es ihr angetan. Heute gebe es dort viel Beton.
Das alte Gewächshaus wurde 1964 abgerissen, zur Wiederöffnung zwei Jahre später titelte die RNZ am 9. März 1966: "Schwiegermuttersessel warten auf ihren Besuch". Neben diesen wegen ihrer Hockerform so genannten Kakteen, warteten aber auch viele andere Attraktionen auf die Besucher: "Über hundert Jahre alte Kugelkakteen aus Mexiko oder der über drei Meter hohe Säulenkaktus ,Browningia’ aus Südperu, übrigens der einzige seiner Art in Europa", schwärmt der Autor des Artikels.
Heute beheimatet der Botanische Garten 14.000 Arten. Die allermeisten Pflanzen befinden sich in den Gewächshäusern. Als Institution wurde er bereits im Jahre 1593 gegründet und ist damit der drittälteste seiner Art in Deutschland. Der heutige Standort im Neuenheimer Feld ist jedoch bereits der siebte. "Während die Gewächshausfläche nach und nach auf heute 4000 Quadratmeter vergrößert werden konnte, büßte der ursprünglich 3,9 Hektar große Garten durch den Bau von Universitätsinstituten bereits in den 1970er Jahren etwa ein Viertel seiner Freilandfläche ein", heißt es auf der Internetseite der Einrichtung.