Das Iqbal-Ufer in Bergheim zwischen Neckar und B 37 ist einer der Heidelberger „Neckarorte“. Am Freitag gastierte dort das „Woanders-Kino“, organisiert vom Medienforum, dem Trägerverein des Karlstorkinos. Auf der Leinwand zu sehen war der Film „Nomaden der Lüfte“. Foto: Rothe
Von Hans Böhringer
Heidelberg. An einen anderen Ort bringt ein Kino die Zuschauer sowieso – im übertragenen Sinne. Doch im Gegensatz zu einem stillen Kinosaal erlaubte das "Woanders-Kino" am Freitagabend nicht, den Aufführungsort gänzlich zu vergessen. Denn der 2001 erschienene Tierfilm "Nomaden der Lüfte" flimmerte zum Auftakt am Iqbal-Ufer über die Leinwand, zwischen der Stille des nächtlichen Neckars und dem Autorauschen der B37. Aus den Baumkronen zirpte es unentwegt, am Rande brummte ein Generator – Strom für den Projektor. Nachtfalter, Mücken und Zigarettenqualm tanzten in dessen Strahlen. Und sobald diese auf die Leinwand trafen, mussten sich die Zugvögel behaupten – gegen das Funkeln des Flusses, gegen die vorbeiziehenden Scheinwerfer, gegen die Lichter der Stadt.
Ideal sei es, sagte Max Martin, wenn die Geräuschkulisse mit dem Film verschmelze. Er hat vor zwei Jahren zusammen mit seiner Kollegin Sarah Labusga das "Woanders-Kino" als Sonderprogramm des Karlstorkinos ins Leben gerufen. Die Idee laut Martin: Zunächst suchen sie einen eher ungewöhnlichen Ort, dann einen darauf abgestimmten Film.
Das Iqbal-Ufer in Bergheim ist einer der "Neckarorte". Der gleichnamige Verein hat dort Paletten als Sitzgelegenheiten aufgestellt und eine Bar, versteckt in einem Container, geschaffen. Die Bar hat für das Kino geöffnet, Stühle und Sessel sind auf beiden Seiten des Fahrradweges aufgebaut, der so das Publikum teilt. "Es hat gut gepasst", meinte Amrei Köhnlein hinterher und ihr Begleiter Florian Boscheinen stimmt ihr zu. Die beiden wohnen in der Nähe und hatten das Kino zufällig entdeckt.
"Nomaden der Lüfte" erzählt die Reise von Zugvögeln aus Sicht der Vögel – das passte schon mal zu den berüchtigten Gänsen des Neckarufers, von denen sich auch kurz ein paar auf den Neckarinsel zeigten. Doch auch sonst war viel "nomadisch" hier: Die Schiffscontainer links und rechts. Der Projektor, betrieben von einem Benzingenerator. Die vorbeiziehenden Autokolonnen. Die Fußgänger und Fahrradfahrer, die ihre Schritte und Tritte immer dann verlangsamten, wenn sie die Zuschauermenge durchquerten, die ihre Köpfe drehten nach der Leinwand, langsamer weiter stolperten und weiterrollten, stehen blieben. Manche verweilten in dieser Art "Drive-thru-Kino", schlossen sich dem Schwarm der Zuschauer an. Fast eine Stunde stand ein Radfahrer auf dem Weg, noch auf dem Sattel, den Lenker umklammert, den Blick gerichtet auf die unermüdlich flügelschlagenden Zugvögel.
"Wenn jemand vorbeiläuft, stehen bleibt, sich auf die Wiese setzt, dann entspricht das unserer Idee", sagte Martin. "Super offen" sollte das "Woanders-Kino" dieses Jahr eigentlich sein: "Kino für alle", so nennt er es – wegen Corona habe man sich aber etwas zurücknehmen müssen. Großartig in die Quere kommt der Infektionsschutz dem Kino an der freien Luft aber nicht. 80 Plätze waren ausgewiesen, fast alle besetzt. Zum Vergleich: Das Karlstorkino hat im hauseigenen Saal circa 100 Plätze, wegen der Abstandsregel kann dort derzeit lediglich ein Viertel besetzt werden.
Das "Woanderskino", organisiert vom Medienforum, dem Trägerverein des Karlstorkinos, lebt von städtischer Förderung und von Spenden. Das klappe dieses Jahr erstaunlich gut, erzählte Martin. Der Grund dafür liege vermutlich darin, "dass die Leute sich momentan sehr über Kulturangebote freuen".
Info: Alle Termine des "Woanders-Kino" unter: www.woanderskino.de.