Von Denis Schnur
Heidelberg. Die Mehrheit des Gemeinderates dürfte am 18. Juni dafür stimmen, dass das Ankunftszentrum für Geflüchtete auf das Gewann Wolfsgärten in Wieblingen verlegt wird. Neben kleineren Gruppen im Rat hat sich vor allem die SPD von Beginn an gegen diesen Standort gewehrt – und gibt ihren Widerstand bis zuletzt nicht auf. Warum sie sich mit dem Vorschlag einfach nicht anfreunden kann und mit welchem neuen Vorstoß die Sozialdemokraten dafür sorgen wollen, dass das Zentrum vielleicht doch noch in Patrick-Henry-Village bleibt, erklärt Stadträtin Monika Meißner im RNZ-Interview.
Frau Meißner, OB Würzner wirft den Wieblingern vor, vor allem gegen den Standort Wolfsgärten zu sein, weil sie das Ankunftszentrum für Geflüchtete nicht in ihrer Nähe haben wollen. Trifft das auf Sie als Wieblingerin zu?
Nein. Und ich habe auch sonst im Stadtteil noch niemanden gehört, der gesagt hätte: Dann kommen alle zu uns und wir sind nicht mehr sicher. Auch bei unserer Veranstaltung im November 2018, die sehr gut besucht war, wurden nur Argumente vorgetragen, dass der Standort eine Zumutung sei für Geflüchtete. Und es gab etliche Stimmen, die sich gegen die Versiegelung von landwirtschaftlichen Flächen wendeten.
Trotzdem wurde der Standort in allen Gremien abgesegnet – außer im Wieblinger Bezirksbeirat. Der Verdacht liegt nahe, dass es den Beteiligten darum geht, das Zentrum weit weg zu haben.
Natürlich ist eine Äußerung in diese Richtung legitim von denen, die sich betroffen fühlen und sich deshalb vielleicht Gedanken machen. Aber ich habe das so nie gehört. Es kann natürlich sein, dass Bürger, die das so sehen, mir das nicht mitgeteilt haben, weil sie meine Position kennen.
Stattdessen pochen Sie auf einen Verbleib in PHV. Macht man es sich nicht zu leicht, wenn man eine unbeliebte Einrichtung einfach in den unbewohnten Stadtteil legt?
Es geht der SPD-Fraktion auch um den Erhalt von Ackerland. Und das geht nur, wenn das Zentrum in PHV bleibt. In Heidelberg sind schon viele Flächen dem Baukran zum Opfer gefallen, auf denen früher Nahrungsmittel angebaut wurden. Auch der Landwirt, der den Wolfsgärten-Acker gepachtet hat, lebt teilweise davon und hat kein Interesse daran, diesen aufzugeben. Es geht hier nicht um die Wertigkeit einer Feldfrucht, sondern um die Einhaltung unserer Klimaziele!
Deshalb haben ihm OB und Grüne ja eine Ausgleichsfläche versprochen.
Ich frage mich, welches Gelände das sein soll. Die Heidelberger Ackerflächen sind alle verpachtet. Wenn es eine Industriebrache sein soll, müsste sie umgewandelt werden – das wäre ein enormer Aufwand und würde den Prozess verzögern. Das kann ich mir nicht vorstellen. Da sehen wir als SPD-Fraktion ein ziemlich großes Fragezeichen.
Wenn es diesen Ausgleich gäbe, würden Sie dem Vorschlag zustimmen?
Nein! Es geht trotz allem um die Zersiedelung von offenem Land und die Klimakonsequenzen. Der Oberbürgermeister und der Gemeinderat haben im Jahr 2019 den Klimanotstand ausgerufen. Das ist jetzt ein Jahr her. Und schon 2018 haben wir ein Stadtentwicklungskonzept beschlossen, dass wir kein weiteres Land versiegeln wollen. Land ist nicht vermehrbar. Alles, was wir irgendwann mal zubauen, bleibt zugebaut. Außerdem halten wir das Areal schlicht für ungeeignet für die Unterbringung von Menschen. Es ist ein eingekesselter Bereich, der sehr laut ist. Die Züge der Bundesbahn und der S-Bahn und die Lkws oben auf der Autobahn und dem Grenzhöfer Weg rauschen dort vorbei.
Aber in Heidelberg leben viele Menschen direkt an der Autobahn, einige auch nahe an Bahngleisen. Sind das alles menschenunwürdige Bedingungen?
Nein, das würde ich jetzt auch so nicht behaupten. Aber es ist keine Willkommenskultur. Die Geflüchteten kommen hierher und suchen nach Hilfe. Sie haben in der Regel Schreckliches hinter sich und werden dann irgendwo am Rand der Stadt untergebracht. Es ist ja nicht so, wie von manchen Befürwortern behauptet wird, dass sie nur ein bis zwei Tage dort sind. Die durchschnittliche Aufenthaltszeit beträgt sechs bis acht Wochen. In komplizierten Krankheitsfällen kann es auch ein ganzes Jahr sein. Und das Gelände ist doch sehr eng mit seinen acht Hektar. Die vorläufige Planung sieht enge hohe Gebäude vor. Das ist den Leuten vielleicht auch nicht wichtig, wenn sie hier in Sicherheit sind. Aber das könnte man anders machen.
Aber Neubauten dort sind doch immer noch besser als die maroden Bauten, in denen sie jetzt untergebracht sind?
Das kann ich nicht bewerten. Als ich einmal bei einer Rundfahrt des Gemeinderates in PHV war, habe ich die Gebäude eigentlich nicht als so marode empfunden. Aber das ist nun wirklich sehr subjektiv. Man kann ja auch renovieren.
Sie sagen, die Wolfsgärten seien abgelegen. Aber sie sind näher am Zentrum als der Süden PHVs. Und nach zehn Minuten Fußweg ist man an der S-Bahn, kann dann auch mal nach Mannheim fahren. Das hätte doch einen Mehrwert für die Bewohner.
Da widerspreche ich nicht. Die meisten streben zwar nach Heidelberg. Dass man ihnen eine gute Anbindung bieten muss, ist vollkommen unstrittig. Deshalb soll der Shuttlebus auch weiterhin fahren. Aber die Wolfsgärten sind verkehrlich schwer anzubinden. Die Zufahrt unter der Eisenbahnbrücke ist so eng, dass gerade ein Traktor in einer Richtung durchfahren kann – wenn es zu einem Notfall käme, würde das schwierig. Die Zufahrt von Norden ist nur von Eppelheim aus problemlos erreichbar. Von Wieblingen kommend muss man in einer Haarnadelkurve zurückfahren. Technisch gesehen halte ich das bei großen Fahrzeugen für problematisch.
Dennoch stehen Sie am 18. Juni im Gemeinderat aber erst einmal nur vor der Entscheidung zwischen Wolfsgärten und Gäulschlag. Wie stimmt die SPD ab?
Beide Areale sind für die SPD-Fraktion nicht akzeptabel. Wir meinen immer noch, dass die Verlegung innerhalb von PHV machbar sein sollte.
Laut IBA und Oberbürgermeister Würzner würde das dazu führen, dass PHV deutlich später entwickelt würde und damit auch ein Kernanliegen Ihrer Partei – bezahlbarer Wohnraum – auf der Strecke bliebe.
Diese Äußerung ist für uns immer noch nicht klar nachvollziehbar. Wieso sollte der Stadtteil nicht entwickelt werden können, wenn dort acht Hektar belegt wären? Das sind weniger als zehn Prozent der Gesamtfläche.
Diese würden eventuell für Wohnraum fehlen.
Deshalb werden wir vorschlagen, dass man im Gewerbebereich im Osten von PHV einen Standort für das Ankunftszentrum sucht. Damit würden wir den Wohnbereich nicht tangieren.
Haben Sie darüber schon mit den Planern der IBA gesprochen?
Nein. Die Aussage von IBA-Direktor Prof. Braum war: Die IBA funktioniert nicht mit dem Ankunftszentrum. Wir meinen, dass unsere Willkommenskultur auch bedeuten muss, dass Geflüchtete auch dort gut unterkommen können.
Die SPD ist also weiter überzeugt, dass man das Zentrum in das Konzept integrieren kann mit Wille und Mühe ...
... und Fantasie und Geschick, ja! Das ist unsere Meinung.
Monika Meißner. Foto: privat