Die Idee für das Medical Intervention Car, das seit August 2019 im Einsatz ist, hatte der Anästhesist Niko Schneider. Er zeigt die Spezialausstattung des Fahrzeugs, zu der auch ein Roboter zur Herzdruck-Massage (links) gehört. Foto: Philipp Rothe
Von Timo Teufert
Heidelberg. Wenn dieser Arbeitsunfall zwei Wochen früher passiert wäre, hätte der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überlebt. Denn nur, weil der Mannheimer Rettungshubschrauber "Christoph 53" und das neue Medical Intervention Car – seit August ein Forschungsprojekt der Sektion Notfallmedizin, Klinik für Anästhesiologie des Uniklinikums Heidelberg – mit insgesamt acht Blutkonserven an Bord am 26. November in den nördlichen Landkreis Karlsruhe ausrückten, konnte der Patient gerettet werden. Er hatte sich bei der Arbeit eine Stichverletzung im Oberkörper zugezogen, bei der die Blutung nur durch eine Öffnung des Brustkorbs vor Ort gestillt werden konnte.
Möglich macht das die hochmoderne Ausstattung des Medical Intervention Car (MIC), zu der neben sechs Blutkonserven der Blutbank Heidelberg, die in einem speziell angefertigten Kühlschrank im Kofferraum liegen, auch die Ausrüstung für schwierige Atemwege, ein Spezialkatheter zum zeitweisen Verschließen der Hauptschlagader, zukünftig eine mobile Herz-Lungen-Maschine und ein Roboter zur Herzdruck-Massage gehören. "Wir wollen vor allem weitere Expertise und Equipment raus aus dem Krankenhaus auf die Straße bringen", erklärt Niko Schneider das Forschungsprojekt der Sektion Notfallmedizin unter der Leitung von Prof. Erik Popp, das zunächst auf zwei Jahre angelegt ist. Das Team der Sektion Notfallmedizin möchte durch die Auswertung der Einsätze herausfinden, ob sich mit dem Fahrzeug die ohnehin gute Versorgung der Bevölkerung weiter verbessern lässt.
Im MIC hat die Gruppe um Popp Ideen aus dem Rettungswesen aus aller Welt zusammengeführt: "In London gibt es bereits Rettungshubschrauber, die Blutkonserven an Bord haben, in Paris gibt es mobile Herz-Lungen-Maschinen, der Reboa-Ballon zum Aorta-Verschluss kommt aus Japan, und das Öffnen des Brustkorbs habe ich in Südafrika gelernt", berichtet Schneider. Das sei schon High-End-Medizin, das Auto mit dieser Ausstattung weltweit einmalig.
Sein Ziel: "Ich möchte, dass sich dieses Auto durchsetzt, weil ich glaube, dass es Menschenleben rettet." Eine erste Bilanz sieht sehr gut aus: Seit August hatte das MIC fünf Einsätze, drei Patienten konnten gerettet werden. "Ohne unser Auto wäre das wahrscheinlich nicht der Fall gewesen", meint Schneider. Nach der Erstversorgung vor Ort wurde der Patient des Arbeitsunfalls ins Uniklinikum gebracht und dort drei Stunden lang durch Herzchirurgen versorgt. "Ohne die Möglichkeiten, die eine moderne Universitätsklinik bietet, würde es nicht funktionieren", sagt Schneider. Der Patient konnte die Klinik mittlerweile wieder verlassen. Neben der modernen Ausstattung sind mit dem MIC acht erfahrene und hoch ausgebildete Notfallmediziner unterwegs. "Meine Kollegen, inklusive meines Chefs Prof. Markus Weigand, stehen hinter dem Projekt und sind alle hoch motiviert", berichtet Schneider. Stationiert an der Chirurgischen Universitätsklinik, kommt das MIC zunächst werktags von 7 bis 17 Uhr zum Einsatz.
Schneider glaubt fest an das Forschungsprojekt: "Ich denke, das ist die Zukunft." Man brauche das Blut an Bord des Rettungshubschraubers oder des MIC. "Ohne Blutkonserven hätten die drei Patienten, die wir mit den Kollegen des Rettungs- und Notarztdienstes behandelt haben, vermutlich nicht überlebt." Aber er schränkt gleichzeitig ein, dass das Mitführen von Blutkonserven in allen Notarztfahrzeugen zurzeit schwierig ist, aber vielleicht schon die Zukunft darstellt. "Das MIC ist eine Ergänzung zu den Notarztfahrzeugen und zum Hubschrauber, der etwa nachts oder bei schlechtem Wetter nicht fliegen kann", so der Anästhesist.
Drei Jahre hat das Team der Sektion Notfallmedizin an diesem Projekt geplant, den Namen hat das Auto in Anlehnung an den Rennsport bekommen, wo solche Fahrzeuge – wenn auch nicht mit dieser Ausstattung – bereits im Einsatz sind. Schneider selbst war lange Zeit Motorsportler und ist heute verantwortlicher Rennarzt bei der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) und Medical Advisor bei der Deutschen Rallyemeisterschaft. Diese Kontakte nutzte er auch, um einen Hersteller zu finden, der das Auto zur Verfügung stellte. "Volvo hat uns sogar zwei Fahrzeuge gestellt, weil der Geschäftsführer Thomas Bauch wollte, dass die Menschen in der Rhein-Neckar-Region immer gut versorgt sind, selbst wenn das MIC mal in der Wartung ist", berichtet Schneider. Mit Ausstattung hat es insgesamt 250.000 Euro gekostet.