Heidelberg

Das Wildererkreuz am Königstuhl erinnert an einen Mord

Was hat es mit dem Kreuz im Wald an der Nordflanke des Königstuhls auf sich? Im Stadtwald spielten sich Dramen ab.

03.01.2021 UPDATE: 04.01.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 2 Sekunden
„JoHaNN MICHaEL SCHMIT GEToDET woRDEN IM jaHR 1738 [im] Amt“: Das „Wildererkreuz“ am Königstuhlhang erinnert an einen Waldhüter, der in Ausübung seines Amtes im Jahr 1738 von einem Wilderer erschlagen wurde. Foto: Manfred Bechtel

Von Manfred Bechtel

Heidelberg. "Es war ein Schütz in seinen besten Jahren / der wurde weggeputzt von dieser Erd", heißt es im Lied vom Wildschütz Jennerwein. Der wurde Opfer eines "feigen Jägers", denn "er fiel ja nicht im offnen Kampfe / der Schuss von hinten her beweist’s". Das Lied machte Jennerwein schon bald über die Grenzen Oberbayerns hinaus bekannt und bis heute unvergessen. Auf dem Friedhof Westenhofen in Schliersee erinnert heute ein schmiedeeisernes Grabkreuz an den Tod des Wilderers im Jahre 1877 auf dem hohen Peißenberg bei Tegernsee.

Ein "Wildererkreuz" steht auch im Heidelberger Stadtwald, an der Nordflanke des Königstuhls, zum Neckar hin, erreichbar auf einer kleinen Wanderung ein wenig abseits der geläufigen Wege. Ein Beil oder eine Axt auf dem Sandsteinkreuz zeigt das Mordwerkzeug. War im Jennerwein-Lied der Wildschütz ums Leben gekommen, so starb am Königstuhl ein Waldhüter in Ausübung seines Amtes. In ungelenken Buchstaben ist die Inschrift eingemeißelt: "JoHaNN MICHaEL SCHMIT GEToDET woRDEN IM jaHR 1738 [im] Amt".

Hintergrund

> Zum "Wildererkreuz" startet man am besten an der Molkenkur und nimmt in östlicher Richtung den Felsenmeerweg. Nach circa 250 Metern rechts auf den Bismarckhöhenweg abbiegen. Diesem circa 600 Meter folgen. An der Bismarckhöhe nach rechts auf das Pfädchen abbiegen. Den

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> Zum "Wildererkreuz" startet man am besten an der Molkenkur und nimmt in östlicher Richtung den Felsenmeerweg. Nach circa 250 Metern rechts auf den Bismarckhöhenweg abbiegen. Diesem circa 600 Meter folgen. An der Bismarckhöhe nach rechts auf das Pfädchen abbiegen. Den Schwabenweg queren; etwas oberhalb ist das Wildererkreuz. Die vorgeschlagene Route ist durchgängig identisch mit dem Odenwald-Vogesen-Weg des Odenwaldklubs. Dieser ist markiert mit einem roten Strich auf weißem Grund. Wo das Pfädchen von den Forststraßen abzweigt, liegen jeweils Hinweissteine. (bec)

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Das Kreuz wurde an Ort und Stelle aus einem dortigen Sandsteinblock gehauen, dafür spricht ein weiteres begonnenes, aber nicht vollendetes Kreuz, das etwa acht Meter oberhalb im Wald liegt. Dieser erste Rohling war bei der Bearbeitung zersprungen, die Arbeiter ließen ihn liegen und nahmen einen neuen Stein in Angriff. Im Sterbebuch der katholischen Pfarrei Heilig Geist ist am 27. März die Beerdigung eingetragen; der Waldschütz sei im Wald erschlagen worden, merkte der Pfarrer in lateinischer Sprache noch an. Ein Wilddieb habe die Tat begangen, hieß es, der Mörder wurde wohl nie gefasst. Vielleicht wird es kommen, wie im Jennerwein-Lied: Erst am Jüngsten Tag zeigt uns das Opfer den Täter.

Vor einem weltlichen Gericht musste sich 1827 dagegen der 41-jährige Steinhauer Christoph Riegel aus Ziegelhausen verantworten. Er hatte einen Jägerburschen erschlagen und wurde dafür zum Tode verurteilt. Eine Moritat besang seinerzeit auch seine Tat: "Hört Leute die Erzählung an (…) wie tief der Mensch doch fallen kann." Laut Gerichtsprotokoll hatte sich die Tat folgendermaßen zugetragen: Der stadtbekannte Wilderer Riegel hatte auf ein Reh geschossen. Er verfehlte das Tier, der Schuss rief aber Michael Theobald, Jägerbursche beim Revierförster zu Ziegelhausen, auf den Plan. Es kam zur Auseinandersetzung zwischen den beiden; der Jäger wollte auf den Wilddieb schießen, aber seine Büchse versagte. Bei dem folgenden Kampf zog der Jäger sein Messer. Der Wilderer dagegen bekam die Büchse zu fassen und schlug sie seinem Gegner so heftig vor die Stirn, dass dieser einen mehrfachen Schädelbruch erlitt. Riegel floh zunächst vom Tatort, kam aber noch einmal zurück und durchbohrte den Jägerburschen mehrere Male mit dem Messer. Dann schleppte er ihn ins Dickicht und verscharrte ihn.

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Zur Aufklärung des Verbrechens wurde die ganze Gemeinde aufgefordert, zur Vernehmung zu kommen. Wer nicht kam, war Riedel, er hatte sich auf dem Heuspeicher seines Hauses versteckt. Man führte ihn nach Heidelberg, wo er schließlich gestand und hoffte, mit einer Zuchthausstrafe davonzukommen. Wegen der nachträglichen Messerstiche war dies nicht möglich. Er wurde zum Tod durch Enthaupten verurteilt.

Vermutlich auf dem Gelände des heutigen Straßenbahndepots fand die Hinrichtung statt. Der Scharfrichter schlug mit dem Schwert mehrmals zu, ohne den Verurteilten vom Leben zum Tode zu bringen; ein zweiter Scharfrichter musste das grausame Werk schließlich vollenden.

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