Während der Klimakonferenz blockierten Aktivisten von "Extinction Rebellion" am 22. Mai die Theodor-Heuss-Brücke. Foto: pne
Von Micha Hörnle
Uwe Schrötel ist Leiter des Polizeireviers Heidelberg-Mitte. Für ihn sind die Straßenblockaden wie vor knapp drei Wochen bei der Klimaschutzkonferenz kein Kavaliersdelikt - und er fordert von den Demonstranten, die Regeln einzuhalten.
Herr Schrötel, was haben Sie denn dagegen, wenn Klimaschutzaktivisten just während der Klimakonferenz friedlich eine Straße blockieren?
Revierleiter Uwe Schrötel. Foto: Rothe
Solch eine Blockade ist ein Eingriff in den fließenden Verkehr und stellt in der Regel eine Nötigung dar. Es ist also kein "friedlicher" Protest.
Aber so weit man weiß, fühlten sich die Autofahrer auf der Theodor-Heuss-Brücke dabei nicht genötigt …
Das kann man so nicht sagen. Einerseits wissen wir nicht, ob bei allen Autofahrern die Blockade auf Zustimmung gestoßen ist, andererseits gibt es eine klare Rechtsprechung zum Tatbestand der Nötigung, auch vom Bundesgerichtshof. Es reicht schon, wenn ein Autofahrer sich genötigt fühlt. Außerdem hat eine Blockade gravierende Auswirkungen auf den gesamten Verkehr, auch auf den öffentlichen Nahverkehr.
Ist es denn egal, wie hehr das Anliegen der Blockierer war?
Wir als Polizei haben die Pflicht einzuschreiten, wenn Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Straftat gegeben sind. Bei einer Straßenblockade ist das sicherlich zu prüfen und dann der Staatsanwaltschaft zur Entscheidung vorzulegen. Da haben wir gar keinen Ermessensspielraum. Die rechtliche oder moralische Bewertung obliegt nicht der Polizei, sondern ist Aufgabe der Gerichte. Unsere Aufgabe ist es, geltendes Recht zu schützen. Das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Versammlungsrecht sind mit die höchsten Rechtsgüter, die wir haben. Aber gleichzeitig muss man auch andere Rechtsgüter schützen. Und da bedeutet die Straßenblockade eine Beeinträchtigung der Rechte anderer. Sitzblockaden, mit denen ziel- und zweckgerichtet der Straßen- oder Schienenverkehr absichtlich behindert und zeitweise zum Erliegen gebracht werden soll, insbesondere um dadurch die Aufmerksamkeit für das Demonstrationsanliegen zu erhöhen, sind nach der eindeutigen und ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht rechtmäßig, sondern nach dem Versammlungsgesetz rechtswidrig.
Hätte es denn einen Unterschied gemacht, wenn man die Blockade angemeldet hätte?
Nein, denn sie ist im Rahmen des Versammlungsrechts als unzulässige Aktion zu werten und kann daher kein Teil einer Kundgebung sein, wenn es der überwiegende Zweck der Blockade ist, den Straßenverkehr und damit auch den Öffentlichen Nahverkehr zum Erliegen zu bringen. Aber die Frage berührt ein anderes Problem: Da die Demonstration nicht angemeldet war, stand auch im Vorfeld kein Verantwortlicher zur Verfügung, mit dem man den Ablauf der Demonstration hätte besprechen können. Dabei wäre es möglich gewesen, auch über bestimmte Aktionen zu reden, die Ausdruck des besonderen demonstrativen Anliegens sind.
Also zum Beispiel eine Kurzblockade?
Darüber wäre mit der Versammlungsbehörde zu sprechen. Ich hätte wahrscheinlich eine zweiminütige symbolische Blockade nicht unterbunden. Aber es ist grundsätzlich nicht möglich, diesen sogenannten spontanen zivilen Ungehorsam mit seinen Auswirkungen auf den Verkehr zu dulden. Die Aktion war von langer Hand geplant und auf eine längere Dauer ausgelegt. Von "spontan" und "kurz" kann hier nicht die Rede sein. Dabei versuchte die Versammlungsbehörde, also das Bürgeramt, auf die Demonstranten einzuwirken, doch noch einen Ansprechpartner zu benennen. Darauf ist man nicht eingegangen und zeigte sich auch nicht gesprächsbereit. Kurz gesagt: Wenn eine Absprache vorher möglich gewesen wäre, wenn die Demonstration angemeldet worden wäre, hätte man sicher auch über eine kurze Blockade reden können - wenn die Versammlungsbehörde dem zugestimmt hätte. Dass der Verkehr angehalten werden kann, erleben wir ja oft, wenn Demonstranten von der Poststraße über den Bismarckplatz in die Hauptstraße ziehen. Da werden auch die Autos auf der Rohrbacher Straße und der Sofienstraße angehalten. Aber genau das muss man vorher besprechen.
Welche Strafen drohen denn nun den Demonstranten?
Es wurden Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und wegen Nötigung eingeleitet. Über die Höhe der Strafe entscheiden die Staatsanwaltschaft oder die Gerichte. Und es gibt auch eine weitere Komponente: Weil einige Demonstranten von der Straße weggetragen werden mussten, werden auf sie Kostenbescheide für den Polizeieinsatz zukommen.
Die Gruppe "Extinction Rebellion" hat zweimal die Theodor-Heuss-Brücke blockiert, am 16. April und am 22. Mai. Gegen wie viele Personen wird ermittelt?
Bei der ersten Aktion wird gerade eine Anzeige bearbeitet, bei der zweiten wird gegen zehn Personen ermittelt.
Welchen Rat geben Sie "Extinction Rebellion" für weitere Aktionen?
Sie sollten vorher mit der Versammlungsbehörde, also dem Bürgeramt, in Kontakt treten, einen Versammlungsleiter benennen und dann den Verlauf ihrer geplanten Aktion besprechen. Der Spielraum ist dabei ziemlich breit. Und in solchen Gesprächen vorab lassen sich auch viele vermeintlich unmögliche Dinge lösen. Aber vermeintliche Spontanaktion unter dem Deckmäntelchen des "zivilen Ungehorsams" wie die beiden zurückliegenden Straßenblockaden sind nicht akzeptabel und werden immer ein rechtliches Nachspiel haben.
Extinction Rebellion Heidelberg nimmt Stellung zur Kritik
Kamera: Vanessa Dietz / Interview und Produktion: Reinhard Lask