Das Iduna-Center liegt mitten auf dem Boxberg. Die Gemeinderatsfraktion der Grünen könnte sich hier Kinderbetreuung in leer stehenden Gewerbeeinheiten vorstellen. Sie wollen das Thema auf der Tagesordnung des Gemeinderates haben. Foto: pop
Von Sarah Hinney
Heidelberg. Es ist ein regelrechter Hilferuf, der vom Boxberg kommt und bei der Stadtverwaltung Heidelberg bislang ungehört bleibt. Auf dem Boxberg fehlen Kinderbetreuungsplätze und die Stadtteilsvereinsvorsitzende Renate Deutschmann will daran unbedingt etwas ändern. Mehrere betroffene Eltern hätten in der jüngsten Bürgersprechstunde auf die "untragbare Situation" hingewiesen.
Laut der Bedarfsplanung 2020/2021 für die Kindertagesbetreuung sei für den Stadtteil im Krippenbereich eine Versorgungsquote von 13,2 Prozent berechnet worden – die Quote im Kindergartenbereich liege bei 56,1 Prozent. Das bedeute, dass nur zehn Kinder einen Krippenplatz und 87 Kinder einen Kindergartenplatz im Stadtteil erhalten können. Auf RNZ-Nachfrage berichtet Deutschmann von Eltern, die überhaupt keinen Betreuungsplatz bekommen und deshalb nicht arbeiten gehen können. "Es sind aber eben Eltern, die sich nicht laut darüber beschweren", sagt Deutschmann und möchte diesen Eltern eine Stimme geben.
Dass die Versorgungsquote in den Stadtteilen Boxberg und Emmertsgrund weit unter dem stadtweiten Durchschnitt liegt, bestätigt auch das Kinder- und Jugendamt der Stadt. Allerdings sieht man dort das Problem offenbar in Kürze gelöst. "Um die Versorgungssituation zu verbessern, hat die Stadt das Grundstück Forum 3 gekauft. Das Gebäude wird derzeit saniert und bietet danach Platz für 30 Krippen- und 60 Kindergartenplätze." Der Betrieb soll im nächsten Sommer starten, schreibt das Jugendamt auf eine Frage aus dem Bezirksbeirat zum selben Thema.
Mittelfristig soll außerdem auf dem Gelände des ehemaligen Tennisclubs Emmertsgrund eine weitere Betreuung entstehen – dort werden 20 Krippen- und 60 Kindergartenplätze angestrebt. Nach Realisierung dieser beiden Vorhaben steige die Versorgungsquote in den Stadtteilen zusammen im Kindergartenbereich auf 100 Prozent und die Versorgungsquote im Kleinkindbereich werde dadurch auch wesentlich verbessert, so das Jugendamt.
Deutschmann widerspricht, denn in Betreuungsplätzen auf dem Emmertsgrund sieht sie keine Lösung für die Eltern auf dem Boxberg. Zum einen erreiche der Emmertsgrund ebenfalls keine hohen Versorgungsquoten und benötige diese Plätze selbst. Und selbst wenn die Eltern einen Betreuungsplatz auf dem Emmertsgrund bekämen: "Die Wege sind viel zu weit!" Die Stadt sieht darin kein Problem. Ein Sprecher teilt auf Nachfrage mit: "Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine Kita, die mit öffentlichen Verkehrmitteln in 30 Minuten zu erreichen ist, zumutbar ist."
Deutschmann hält diese 30 Minuten für unrealistisch: "Stellen Sie sich vor, Sie müssen erst mit dem Kinderwagen ewig laufen, dann mit dem Bus fahren, um ein Kind in der Kita abzuliefern. Ein zweites Kind besucht möglicherweise eine andere Betreuungseinrichtung und dann müssen Sie nach Rohrbach, um von dort aus zur Arbeit zu kommen. Das kostet so viel Zeit, das lohnt sich kaum bei einem Halbtagsjob." Für die weitere Entwicklung des Stadtteils hält sie eine ausreichende Anzahl von Betreuungsplätzen deshalb für absolut notwendig.
"Damit steht und fällt auch eine gesunde Durchmischung des Boxbergs. Eltern wird eine derart niedrige Versorgungsquote abschrecken." Nur, laut Stadt gibt es selbst im Moment kein akutes Problem. Es gäbe auf dem Boxberg aktuell sogar noch einige freie Plätze für Kleinkinder bei Kindertagespflegepersonen. Deutschmann bestätigt das. Es handle sich dabei aber um eine einzige Tagesmutter. Und die könnten sich eben nicht alle leisten.
Deutschmann betont, dass man mit der reinen Betrachtung der Statistiken und Zahlen deshalb auch nicht weiter komme. "Man muss sich das vor Ort ansehen." Dass der städtische Haushalt durch die Corona-Pandemie angespannt sei, dafür hat sie Verständnis. Sie plädiert deshalb dafür, neue Lösungsmöglichkeiten für die Erweiterung der Betreuungsplätze zu suchen. Zurzeit würden die Kinder und Eltern auf dem Boxberg allerdings alleingelassen.
Ganz allein sind sie aber nicht: Die Grünen-Fraktion hat den Antrag gestellt, das Thema im Gemeinderat auf die Tagesordnung zu nehmen. Die Forderung: Die Verwaltung soll für den Stadtteil Boxberg perspektivisch neue Lösungsmöglichkeiten für die Erweiterung der Betreuungsplätze für Kinder erarbeiten. Dabei könnten auch Umbaumaßnahmen in ungenutzten Gewerbeimmobilien oder Kitas in Leichtbauweise Teil der Planungen sein.