Die Mitte der Mühltalstraße ist verkehrsberuhigt - nur hält sich kaum einer an die Schrittgeschwindigkeit. Anwohner klagen über Raser und den Begegnungsverkehr, der regelmäßig zu Problemen führt. Darunter leiden vor allem Fußgänger und Radfahrer. Fotos: Rothe
Von Jonas Labrenz
Heidelberg-Handschuhsheim. Es ist ein Donnerstagmorgen, Anfang August, als Jana Haas im ersten Stock ihres Hauses plötzlich zusammenzuckt. Die Fenster zur Straße sind offen. Die Schreie einer Frau dringen hoch in Haas’ Wohnung. "Ich wusste nicht, was ich sehe, wenn ich aus dem Fenster gucke", erzählt sie. Ein angeleinter Hund wurde von dem Müllwagen erfasst und getötet. "Bei den Schreien hätte es auch ein Kind sein können", sagt Haas.
Die Mühltalstraße in Handschuhsheim ist vor Haas’ Haus "verkehrsberuhigt". Die blauen Schilder mit dem spielenden Kind zeigen das. Autos dürfen dort maximal Schrittgeschwindigkeit fahren. Sie tun es allerdings nicht. In der Mühltalstraße spielt auch deshalb kein einziges Kind auf der Straße. Haas’ Nachbar Horst Sauer hat sogar ein Tennisnetz vor seine Auffahrt gespannt, damit die Kinder nicht versehentlich beim Spielen auf die Straße rennen.
Dabei ist die Geschwindigkeit der Autos für die Anwohner nicht einmal das größte Problem: Weil die Straße nur wenige Meter breit ist, kommen die Autos kaum einander vorbei, müssen halten, rangieren. Die Häuserfassaden zeigen noch Spuren von zu selbstbewussten Lastwagenfahrern, die den Putz von den Wänden gekratzt haben. Bürgersteige gibt es keine, die meisten Haustüren führen direkt auf die Straße. Wer zu Fuß unterwegs ist, muss aufpassen: "Man flüchtet sich in Einfahrten und kriegt dann noch die Ellenbogen angefahren", erzählt Haas. Auch Fahrradfahrer würden bei den Rangiermanövern häufig in Mitleidenschaft gezogen, wenn die Autofahrer, ohne sich groß umzuschauen, zurücksetzen: "Da habe ich schon mehrmals Unfälle erlebt", so Haas.
Die Anwohner der Mühltalstraße kämpfen schon lange dafür, dass die Stadt eingreift, um die unerträgliche Situation zu entschärfen. Die Älteren haben schon vor 30 Jahren mit dem Protest begonnen.
Dabei hatten die Anwohner immer wieder die Stadt gebeten, diese Gefahrenstelle zu entschärfen. Zum ersten Mal bildete sich Ende der 80er Jahre eine Bürgerinitiative. "Weil die Situation da schon unerträglich war", erinnert sich Detlev Haas. Der Polizeibeamte ist Jana Haas’ Schwiegervater und war damals mit dabei.
Aus der 30er-Zone, die um 1980 eingerichtet wurde, wurde Anfang der 90er Jahre ein verkehrsberuhigter Bereich. "Es ist allerdings faktisch nichts geändert worden. Es war nur das Aufstellen von Schildern", ärgert sich Haas.
Die Folge des fehlenden Umbaus sind Geschwindigkeitsübertretungen, Rempler, kaputte Fassaden und kleine Unfälle. Detlev Haas beobachtet mit Sorge, dass der Verkehr durch die Neubauten Richtung Heiligenberg immer weiter zunimmt. "Das ist zu viel, das geht so nicht weiter", erklärt der 62-Jährige.
Auch Geschwindigkeitskontrollen helfen nichts. Mittlerweile ist das Auto, das mit der Blitzeranlage auf der Straße steht, allseits bekannt. Hagen Dehm hat deshalb seine Garage zur Verfügung gestellt. "Ich habe denen sogar den Schlüssel gegeben", erzählt der 50-Jährige. Doch nachdem die Stadt einmal die Gelegenheit nutzte, wollte sie nicht mehr darauf zurückgreifen. "Vielleicht haben sie mal den Falschen erwischt", mutmaßt Dehm.
Die große Hoffnung der Anwohner ist nun, dass die Stadt eingreift: "Es muss eine politische Entscheidung her", so Haas. Sein Verkehrskonzept übergab er deshalb im letzten Sommer an Oberbürgermeister Eckart Würzner. Mittlerweile hat die Stadt reagiert und die Situation eingeschätzt: "Hierbei sind wir zu dem Entschluss gelangt, dass der verkehrsberuhigte Bereich in der Mühltalstraße als ,unechte’ Einbahnstraße ausgewiesen werden sollte", erklärt eine Stadtsprecherin auf RNZ-Anfrage. Das ist der Kern des von Haas vorgelegten Verkehrskonzepts, um den Begegnungsverkehr aus der Straße zu verbannen.
Weil die Maßnahme allerdings "einen größeren Eingriff in das Verkehrsgeschehen darstellt", so die Stadtsprecherin, werde diese noch dem Bezirksbeirat Handschuhsheim vorgelegt. Dessen nächste Sitzung ist erst am 29. November. Jana Haas freut sich: "Für uns wäre das ein super Erfolg."