Beim Klimaschutz auf gutem Weg, aber immer noch nicht genug
Der CO2-Ausstoß in Heidelberg nimmt um 13 Prozent ab, aber die Klimaziele werden verfehlt - Heftige Kritik der Linken: "Das ist marginal"

Von Micha Hörnle
Heidelberg. Manchmal sind auch gute Nachrichten schlechte Nachrichten: Ja, der Ausstoß des Klimakillergases CO2 nimmt in Heidelberg ab - insgesamt in den letzten 30 Jahren um 13 Prozent, pro Kopf sogar um 30 Prozent. Aber für das von der Stadt selbst gesetzte Ziel, 95 Prozent weniger CO2 bis 2050, reicht dieses Tempo nicht aus, die Stadt muss noch eine Schippe drauflegen, so Lothar Eisenmann vom Heidelberger Ifeu-Institut vor dem Bau- und Umweltausschuss.
> Wie sieht die Bilanz aus? Halbwegs gut gemessen werden kann der CO2-Ausstoß von privaten Haushalten, städtischen oder universitären Gebäuden oder des Gewerbes. Sehr aufwendig, gibt Eisenmann zu, ist die Bilanzierung des Verkehrs (der für immerhin ein Drittel aller CO2-Emissionen verantwortlich ist), weswegen es nicht für jedes Jahr ab 1987 - das Jahr der ersten CO2-Bilanz - Daten gibt. Nicht erfasst werden Essen und Konsum: "Wir können nicht erfassen, was die Heidelberger einkaufen", so Eisenmann. Er verglich die Werte von 1987 und 2017, da sank in Heidelberg der CO2-Ausstoß um 13 Prozent, pro Kopf sogar mehr als doppelt so stark - die Bevölkerung ist seither gewachsen. Übrigens: Eine allgemeingültige CO2-Bilanz gibt es (noch) nicht, die wird gerade entwickelt. Aber so wie Heidelberg vorgeht, sei man "nah dran" an den künftigen Bilanzierungsregeln.
> Was sind die Faktoren? Vor allem für die Wärme wurde weniger CO2 in die Luft geblasen; das liegt vor allem an den energetischen Sanierungen, aber auch an ganzen Passivhaus-Stadtteilen wie der Bahnstadt; zugleich wurden insbesondere die städtischen Gebäude besser gedämmt. Und besonders bemerkenswert: Der CO2-Ausstoß für Strom hat sich in den letzten 30 Jahren nur leicht gesteigert - dabei gab es damals noch nicht den Stromfresser Internet. Einen leichten Rückgang verzeichnete Eisenmann beim Verkehr, hier wurde schlicht weniger gefahren.
> Wie steht Heidelberg im Vergleich da? Laut Eisenmann schlägt sich Heidelberg mit 13 Prozent weniger CO2 recht wacker, im bundesweiten Vergleich liegt die Stadt eher im vorderen Feld, vergleichbar mit Freiburg, das ähnliche Anstrengungen unternommen (und sogar ein "grünes" Kraftwerk gebaut hat). Für Bernd Zieger (Die Linke) ist "die Gesamtbilanz alles andere als rosig, der Rückgang ist marginal". Alles in allem sei man von der 95-Prozent-Einsparung bis 2050 "meilenweit entfernt". Matthias Kutsch (CDU) riet dazu, doch eher die größeren Rückgänge beim CO2-Ausstoß pro Kopf zu sehen, aber das, so Eisenmann, sei nicht die Maßgabe: "Wir rechnen den Ausstoß einer Stadt immer als Ganzes, und nicht pro Kopf."
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> Wo kann man ansetzen? Eisenmann empfahl vor allem fünf Maßnahmen: den Ausbau von grüner Fernwärme (also sinkender Kohleanteil aus dem Mannheimer Großkraftwerk), den Ersatz von Öl- und Gasheizungen, die energetische Sanierung von Altbauten, mehr öffentlichen Nahverkehr (mit einhergehender Verdrängung des Autoverkehrs) und schließlich die Förderung von Elektromobilität. Besonders viel Potenzial hat die energetische Sanierung, von denen die 25 Prozent denkmalgeschützten Gebäude in Heidelberg nicht betroffen sind - aber die "halb-alten" Häuser dafür umso mehr. Und natürlich könnte man den Anteil der Autopendler reduzieren - aus Walldorf kommen 87 Prozent mit dem Auto nach Heidelberg. Baubürgermeister Jürgen Odszuck ist da pessimistisch: "Die Walldorfer bekommen wir nicht in den Nahverkehr, solange die kostenlos einen Dienstwagen haben. Und abgesehen davon haben wir jetzt schon Kapazitätsprobleme."
Noch eine Schippe drauf
Ausschuss überbietet Verwaltung bei Klimaschutzprogramm
Heidelberg. Vor einer Woche legte die Stadt einen Klimaaktionsplan mit 18 Punkten vor - fünf Monate, nachdem OB Eckart Würzner den Klimanotstand ausgerufen hatte. Am Dienstagabend äußerte sich im Bau- und Umweltausschuss erstmals die Kommunalpolitik dazu - und legte noch eine Schippe drauf. Am Ende wurden aus den 18 schließlich 30 Maßnahmen, mit denen in Heidelberg für mehr Klimaschutz gesorgt werden soll: "Der städtische Plan trifft bei uns auf offene Ohren, allerdings wollen wir etwas ambitionierter rangehen", so der Grüne Manuel Steinbrenner. Einen großen inhaltlichen Dissens gab es kaum, am ehesten überboten sich noch Grüne und SPD mit eigenen Vorschlägen.
Allerdings war den Sozialdemokraten der soziale Ausgleich eine Spur wichtiger: So bestand Sören Michelsburg darauf, dass sich trotz aller energetischer Sanierungen - so sollen pro Jahr nicht mehr nur ein Prozent der Altbauten besser gedämmt werden, sondern zwei Prozent (die Grünen setzten sogar in der Sitzung 2,5 Prozent durch) - die Warmmiete nicht steigen dürfe.
Und mit etwas mehr Milde will Michelsburg auch die Vereinsfeste behandelt sehen: Denn laut Klimaschutzaktionsplan sollen die nicht nur Verpackungen und Müll vermeiden, sondern auch an den Ständen für einen "hohen Anteil an pflanzlichen, regionalen, saisonalen und Bio-Produkten" sorgen. Das sei, sagte Michelsburg der RNZ, "etwas über das Ziel hinausgeschossen. Man kann den Sportvereinen doch nicht verbieten, Würstchen zu verkaufen". Dazu meinte der grüne Umweltbürgermeister Wolfgang Erichson: "Dürfen die ja auch, wenn die Bio sind!" Und er sagte den Satz, der bereits vor vier Monaten fiel, als Erichson die "grüne Giftliste" für mehr Klimaschutz vorgestellt hatte: "Klimaschutz muss wehtun!"
Lediglich Matthias Kutsch (CDU) und Wolfgang Lachenauer (Die Heidelberger) warnten vor einem "politischen Überbietungswettbewerb". Insbesondere Kutsch, aber auch Judith Marggraf (GAL) wollten statt eines ambitionierten Sammelsuriums von nun 30 Punkten lieber realistische (und dabei wirksame) Ziele anpeilen: "Es wäre besser, wenn wir mal an einer Stelle richtig anfangen, denn sonst bleibt es bei der Formulierung von ambitionierten Zielen." Bei der Sitzung war Erichson - immerhin wird er noch bis zur Neuaufteilung der Dezernate Anfang 2021 für den Klimaschutz maßgeblich verantwortlich sein - zur Hochform aufgelaufen, indem er forsch jede verhaltene Kritik vom Tisch wischte. So herrschte er Marggraf an: "Ihr Pessimismus haut mich vom Hocker. Ich finde diesen kreativen Wettbewerb für mehr Ideen beim Klimaschutz eher positiv."
Doch manchmal musste sogar Erichson passen. Die Grünen hatten 25 Megawatt zusätzlich installierte Leistung von Solaranlagen gefordert, die Stadt hatte ursprünglich nur zehn Megawatt mehr vorgesehen. "25 Megawatt sind völlig unrealistisch", herrschte Erichson seine Parteifreunde an, und Umweltamtsleiterin Sabine Lachenicht konnte auch erklären, warum: Denn die neue Maßgabe wäre auf mehr als einer Verdoppelung der Solarstromproduktion in Heidelberg hinausgelaufen: Die 706 Anlagen produzieren heute 18,5 Megawatt. Alle Warnungen halfen nichts, die 25 Megawatt wurden als Ziel festgeschrieben. (hö)