Wenn Patrick-Henry-Village entwickelt wird, sollen auch vor allem gemeinnützige Träger zum Zug kommen. Foto: Rothe
Von Denis Schnur
Heidelberg. Die Mieten in Heidelberg steigen, die Nachfrage nach Wohnraum ist groß, das Angebot wächst nur langsam. Um diesem Problem zu begegnen, hat der Gemeinderat 2017 das "Handlungsprogramm Wohnen" beschlossen, das jetzt umgesetzt werden soll. Die Stadtverwaltung hat in Absprache mit Unternehmen und Mietervertretern zehn Ziele ausgearbeitet, an denen man sich dabei orientieren will. Gabriela Bloem vom Amt für Stadtentwicklung stellte die Punkte samt der angedachten – oft noch unkonkreten – Maßnahmen im Stadtentwicklungsausschuss vor. Darüber diskutieren und einen Beschluss fassen werden die Stadträte jedoch erst in einem Monat. Die Punkte im Überblick:
> 1. Angebote für alle: Je mehr die Stadt wächst, desto vielfältiger werde die Nachfrage nach Wohnraum, so Bloem: Singles, Alleinerziehende, WGs, Familien, Hochbetagte – und in diesen Gruppen gebe es jeweils Arme und Reiche, Mieter und Eigentümer. "Um allen gerecht zu werden, müssen wir neue Wege finden." Besonders müsse sich die Stadt aber für Haushalte mit niedrigem und mittlerem Einkommen einsetzen: "Hohe Einkommen werden über den Markt bedient." Als Maßnahme ist vorgesehen, mehr "experimentelle Modellvorhaben" zu unterstützen – etwa Mehrgenerationenhäuser, Mitarbeiterwohnen oder klimagerechten Wohnungsbau.
> 2. Angebote für "Starterhaushalte": Drei Zielgruppen hat die Verwaltung in den Fokus gerückt, die besonders auf Unterstützung angewiesen seien. Ganz vorne stehen dabei die "Starterhaushalte". Sie bestehen aus ein bis zwei Personen zwischen 18 und 29 Jahren: Menschen, die zum ersten Mal eine eigene Wohnung haben. Das trifft in Heidelberg zwar "nur" auf 27 Prozent der Haushalte zu, die sind jedoch für 63 Prozent der Umzüge verantwortlich. "Sie hängen deshalb ganz stark von den Entwicklungen am Wohnungsmarkt ab", weiß Bloem. Um sie zu unterstützen, soll die Zahl entsprechender Wohnungen erhöht werden und dafür mit Partnern günstiger Wohnraum – etwa in Wohnheimen – geschaffen werden.
> 3. Wohnungen für junge Familien: Vor allem Menschen unter 25 Jahre zieht es nach Heidelberg. Aber ab dem 26. Lebensjahr dreht sich dieser Trend um und viele Menschen ziehen wieder weg. "Das ist die typische Familiengründungsphase", erklärte die Amtsleiterin. Vor allem mit dem zweiten Kind steige die Umzugswahrscheinlichkeit stark an. Und in dem Segment, das dann in Frage kommt, fänden Familien in Heidelberg oft keine Wohnung – weder zum Mieten noch zum Kaufen. Deswegen sehen die Ziele vor, das Angebot zu erhöhen und sogenannte Schwellenhaushalte beim Wohnungskauf zu unterstützen.
> 4. Wohnungen für Senioren: Senioren bilden auf dem Wohnungsmarkt das Gegenstück zu den Starterhaushalten. Sie sind meist auch allein oder zu zweit, sind mit 17 Prozent aller Haushalte aber nur für zwei Prozent der Umzüge verantwortlich. Und das ist problematisch, weil sie meist in Wohnungen leben, die eigentlich zu groß für sie sind. Oft sind die Kinder ausgezogen, "aber es gibt für die Senioren keinen Anlass auszuziehen", so Bloem. Denn meist sind ihre Wohnungen noch sehr günstig – oder sogar in ihrem Besitz. Um sie zum Umzug zu bewegen, müsse man versuchen, attraktive Alternativen im direkten Umfeld zu schaffen. "Alle bundesweiten Studien sagen, dass man damit wenig Erfolg hat. Aber wir müssen es versuchen", appellierte Bloem.
> 5. Kommunale Steuerungsinstrumente: Die Stadt hat durchaus Möglichkeiten, den Wohnungsbau zu regulieren und zu forcieren – durch wohnungspolitische Konzepte, Baulandprogramme, städtebauliche Verträge oder Bauvorschriften. "Wir haben gute Instrumente, die wir beibehalten müssen", forderte Bloem.
> 6. Aktive Liegenschaftspolitik: Mit den Konversionsflächen und Neubaugebieten gibt es Quartiere, die noch entwickelt werden, und wo die Stadt die Flächen besitzt oder ankaufen will. Hier müsse sie eine "gemeinwohlorientierte Liegenschaftspolitik" betreiben, so die Amtsleiterin. Heißt: Grundstücke werden vorrangig an gemeinnützige Träger vergeben – etwa Genossenschaften, öffentliche Träger oder Vereine, damit diese Wohnraum schaffen.
> 7. Wohnungsbau im Bestand: Innenentwicklung gilt in Heidelberg seit Jahren als Ziel. Doch der Wohnungsbestand in den Quartieren ist 2018 zum ersten Mal nicht gewachsen. "So langsam sind die meisten Garagen überbaut und die Scheunen umgewidmet", erklärt Bloem. Dennoch sei es weiter wichtig, in den Stadtteilen, wo es kaum noch Neubauflächen gebe, mehr Wohnraum zu schaffen. Dazu müsste man aber auch Bebauungspläne ändern, um etwa Aufstockungen oder den Ausbau von Dachgeschossen zu ermöglichen.
> 8. Stärkung der GGH: Über 7000 Wohnungen hat die städtische Wohnungsbaugesellschaft im Bestand, davon mehr als die Hälfte preisgebunden. Damit sei die GGH ein "Garant für bezahlbaren Wohnraum", so Bloem. Damit sie eine noch größere Rolle spielen kann, müsse man jedoch ihr Kapital weiter erhöhen.
> 9. Enge Zusammenarbeit mit allen Akteuren: Wohnungspolitik wird in Heidelberg mit allen beteiligten Akteuren besprochen – im "Dialogforum Wohnen", in dem unter anderem Bauunternehmen, Mieterverein, Wohnprojekte und Sozialverbände vertreten sind. "Aber auch wenn das für uns normal ist, ist es das eigentlich nicht", betonte Bloem. "Wir werden bundesweit darum beneidet." Dieses Vorgehen müsse auf jeden Fall beibehalten werden.
> 10. Mit Region, Land und Bund zusammenarbeiten: Zwar ist die Wohnungspolitik ein Bereich, in dem Kommunen viel gestalten können. Dabei stoßen sie aber immer wieder an Grenzen bei der Bundes- und Landesgesetzgebung. In Zukunft soll Heidelberg deshalb nicht nur aktiv die Förderprogramme von Bund und Land nutzen, sondern auch auf deren Gesetzgebung einwirken, um so die Schaffung günstigen Wohnraums und die gemeinwohlorientierte Liegenschaftspolitik zu vereinfachen.