Jetzt streiken sie auch in Heidelberg
Am Freitag wollen rund 500 Schüler für mehr Klimaschutz demonstrieren - "Wir schwänzen nicht, wir kämpfen für unser Überleben"

Am 11. Januar demonstrierten rund 100 Schülerinnen und Schüler durch die Hauptstraße und forderten mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel. Damals fand die Demo jedoch am Nachmittag statt. Foto: Rothe
Von Denis Schnur
Heidelberg. Beim letzten Mal wurde die Demonstration in Heidelberg kurzfristig abgesagt und durch eine Spontankundgebung ersetzt, dieses Mal soll es auch hier eine große Demo geben: Im Rahmen der weltweiten "Fridays for future"-Bewegung werden am Freitag vermutlich Hunderte Schülerinnen und Schüler den Unterricht bestreiken, um für mehr Anstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel zu protestieren. Um 11 Uhr treffen sie sich dazu an der Stadtbücherei, von dort geht es durch Post- und Hauptstraße zum Marktplatz.
Vom Ordnungsamt werden den Schülern keine Steine in den Weg gelegt: Man werde lediglich betonen, "dass es die Schulpflicht gibt und die Anmelder bitten, darauf hinzuweisen", erklärte eine Stadtsprecherin gegenüber der RNZ. Vor fünf Wochen hatte man den Organisatoren noch die Auflage gemacht, lediglich Teilnehmer zuzulassen, die vom Unterricht befreit waren. Diese hielten das für "nicht erfüllbar" und sagten die Demo kurzfristig ab. Stattdessen fand zeitgleich eine Spontankundgebung statt, bei der jedoch nur 200 statt der erwarteten 1000 Schüler teilnahmen. Diesmal heißt es vonseiten der Stadt: Wie mit eventuellen Fehlzeiten umgegangen werde, liege im Zuständigkeitsbereich der Schulen.
Diese haben jedoch klare Anweisungen vom Kultusministerium bekommen: "Die Schule kann Schülerinnen und Schüler nicht zu politischen Demonstrationen beurlauben", heißt es in einer E-Mail an die Schulleiter im Land, die der RNZ vorliegt. Zwar begrüße man, dass die Schüler "eine aktive Rolle als Staatsbürger übernehmen", aber dem stehe die Schulpflicht gegenüber: Und solange die Schüler ihr Anliegen in ihrer Freizeit vortragen könnten, wiege diese schwerer als das Versammlungsrecht. Heißt: Wer demonstriert, fehlt unentschuldigt im Unterricht - selbst wenn die Eltern einen Antrag auf Befreiung stellen. Zudem fordert das Ministerium die Schulen auf, Ordnungs- oder Erziehungsmaßnahmen zu ergreifen, wenn Schüler streiken: Denn man müsse die Schüler auf das Berufsleben vorbereiten, in dem man auch nicht unentschuldigt fehlen dürfe.
Wie die Maßnahmen aussehen, bleibt den Schulen überlassen: "Das ist der einzige Freiraum, der uns bleibt", erklärt Siegfried Zedler, geschäftsführender Schulleiter der Heidelberger Gymnasien. Aber diesen könne man nutzen: "Ich muss ja bei jemandem, der mit Erlaubnis der Eltern zur Demo geht, nicht so reagieren wie bei jemandem, der ohne Erklärung wegbleibt."
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Das Vorgehen des Ministeriums könne Zedler "juristisch nachvollziehen". Schließlich seien die Jugendlichen den Schulen anvertraut und hätten ja die Möglichkeit, am Nachmittag zu demonstrieren. Jedoch hat er auch Verständnis für ihr Anliegen: "Wir haben früher auch gestreikt - gegen die Pershing-Raketen oder Atomkraft", so der Schulleiter, "aber wir haben alle Nachteile in Kauf genommen." Schüler, die am Freitag demonstrieren wollten, müssten daher "Mut zeigen", so Zedler und sagen: "Jetzt ist mir der Klimaschutz wichtiger als die Fehlstunde."
Für Anna Helfrich ist er das auf jeden Fall. Die 17-Jährige ist eine der Organisatorinnen der Demos in Heidelberg. Und das Beurlaubungsverbot aus Stuttgart hält sie nicht vom Schulstreik ab: "Auf keinen Fall!", betont die Waldorfschülerin, "dieser Gegenwind zeigt ja erst unsere Relevanz." Sie selbst befürchtet auch keine Sanktionen in ihrer Schule: "Unsere Lehrer unterstützen uns", so die 17-Jährige, "und ich habe gehört, dass das bei vielen anderen Schulen auch so ist."
Das Ausweichen auf den Nachmittag - wie es Zedler und auch dass Ordnungsamt gefordert haben - sei für Helfrich keine Option. "Das ist ja der essenzielle Kern von ,Fridays for future’. Wir schwänzen ja auch nicht, wir kämpfen für etwas, was unser Überleben sichert." Und sie ist zuversichtlich, dass am Freitag viele mitkämpfen: An die 500 Teilnehmer erwarten die Organisatoren bei der Demonstration.



