Erfahrungen sammeln

Erste Luftreinigungsgeräte für Bahnstadtschule

Stadt will testweise die Inklusionsklassen damit ausstatten - Elterninitiativen wurden bisher abgelehnt

24.11.2020 UPDATE: 25.11.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 45 Sekunden
An der bilingualen Grundschule des Heidelberger Privatschulcentrums (HPC) wurden mittlerweile alle Klassenräume mit Luftreinigungsgeräten ausgestattet. Auch hier griffen die Eltern der Kinder der Schule mit Spenden unter die Arme. Foto: privat

Von Birgit Sommer

Heidelberg. In Klassenzimmern fehlt es schon immer an Frischluft. Doch die Lüftungsempfehlung in der Corona-Pandemie – "alle 20 Minuten Durchzug"– macht im kalten Winter keine Freude. In Heidelberger Schulen kamen deshalb Eltern und Fördervereine auf die Idee, Luftreinigungsgeräte für die Klassenzimmer selbst anzuschaffen.

Die Schulkonferenz der Bahnstadtschule etwa beschloss, ein Klassenzimmer probeweise mit zwei vom Freundeskreis finanzierten Geräten zu je 350 Euro zu bestücken und sie dort auf Alltagstauglichkeit zu testen. Welche Geräte da wirksam sind – damit haben sich Väter an ihren Wochenenden beschäftigt. Und falls das Ganze funktioniere, sollten alle Klassenräume ausgestattet werden, vielleicht bezahlt von den Eltern mit 28 Euro pro Familie.

Für die Mönchhofschule wurden nach RNZ-Informationen 13 Geräte gespendet, die nur darauf warten, angeschlossen zu werden. Andere Eltern überlegen sich, ob sie das 200 Euro teure provisorische Lüftungssystem basteln könnten, das ein Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz erfand.

Die Stadt war bisher keineswegs begeistert. Der Leiter des Amtes für Schule und Bildung sprach gegenüber den Eltern von sicherer Installation, Betrieb und Wartung, von fachkundiger Überwachung und Gewährleistungspflichten lizenzierter Lüftungsunternehmen. Vor allem kam man auf den Gedanken: Da könnten ja Kinder wohlhabender Familien und deren Lehrer bessergestellt werden in der Pandemie.

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Test mit Lüftungsgerät: Frische Luft im Klassenzimmer ohne frieren

Am Dienstag allerdings besann man sich anders. "Die Stadt greift die Elterninitiative für Luftfilter in Klassenzimmern auf und stellt einige Geräte für besondere Fälle zur Verfügung – etwa dort, wo kein anderer Luftaustausch möglich ist, oder dort, wo es Klassen gibt, in denen Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen unterrichtet werden", teilte OB Eckart Würzner auf RNZ-Anfrage mit. Also in den sechs Inklusionsklassen der Bahnstadtschule. Das lasse sich aber nicht für jedes Klassenzimmer realisieren. Die Geräte müssten hohe Anforderungen erfüllen, "das ist nicht mal eben mit 200 Euro pro Zimmer zu machen."

Die Fraktionen im Heidelberger Gemeinderat waren da schon weiter: Für die Grünen-Stadträtin und Lehrerin Anja Gernand heißt das: "Ein flächendeckender Einsatz von Luftreinigungsgeräten sollte schnell geprüft werden". Für Räume, die nur schwer gelüftet werden könnten, müssten mobile Geräte sofort angeschafft werden. Sie fordert, den Schulen mehr Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung von Infektionsschutzmaßnahmen zu geben, damit sie kurzfristig kreative Lösungen entwickeln könnten.

Die FDP-Fraktion befürwortet das testweise Aufstellen von Luftreinigungsgeräten. "Wie Tests der Bundeswehruniversität München sowie der Universität Frankfurt zeigen, reduzieren geeignete Geräte die Aerosolkonzentration in Räumen erheblich." Über die privaten Initiativen, die einsprängen, wenn die öffentliche Hand aufgrund langer Entscheidungswege oder sonstiger bürokratischer Hemmnisse nicht zur Stelle sein könne, zeigte sich die FDP in Heidelberg erfreut.

Die CDU wollte die Stadtverwaltung mit einer Anfrage Ende Oktober aufrütteln. Doch da pochte man auf eine Stellungnahme des Umweltbundesamtes, das den Einsatz mobiler Luftreiniger nur in Ausnahmefällen als sinnvoll erachte. Außerdem sei laut Hochbauamt in 35 Heidelberger Schulen mit fast 1000 Klassenzimmern mit reinen Beschaffungskosten von vier Millionen Euro zu rechnen, 4000 Euro pro Stück. Und dann hieß es bei der Stadtverwaltung tatsächlich: "Bei der Ausstattung einzelner Schulen oder gar nur einzelner Klassen könnte sehr schnell der Eindruck einer Ungleichbehandlung und eines scheinbar geringeren Gesundheitsschutzes für Schülerinnen und Schüler an Schulen mit weniger zahlungskräftigen Eltern/Großeltern entstehen."

Das findet die CDU zwar auch, begrüßt aber trotzdem die Initiative der Eltern: "Jedes Gerät verringert die Infektionswahrscheinlichkeit und hilft, die Pandemie einzudämmen." CDU-Poltiker Alexander Föhr will sich nun dafür einsetzen, dass der Bund eine Förderung auch für Schulen auflegt: "Lüftungstipps allein reichen nicht." Die Stadt selbst will, wie sie die CDU-Fraktion wissen ließ, für ihre Sitzungs- und Besprechungsräume 16 Luftreinigungsgeräte anschaffen.

Anne-Grit Albrecht, Mutter in der Bahnstadt, hat OB Eckart Würzner die Vorschläge der Eltern vorgetragen. Jetzt findet sie es super, dass ein Teil der Klassenräume ausgestattet werden soll, aber: Auch in anderen Klassen gebe es Schüler und Eltern, die zu Risikogruppen gehörten. "Wir alle fühlen uns ja so ohnmächtig in der Pandemie", sagt sie. "Jetzt könnten wir immerhin etwas tun." Und was die Finanzierung in allen Schulen betrifft, ist Albrecht optimistisch: "Man könnte ein Crowdfunding für ganz Heidelberg initiieren." Die Hilfsbereitschaft vonseiten der Eltern sei da, sagt auch Andrea Dittmar, die Gesamtelternbeiratsvorsitzende der Stadt. "Was mir fehlt, ist Pragmatismus", meint sie, "man müsste flexible und mutige Lösungen suchen".

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