Im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) werden neue Therapien etwa an Mäusen und Ratten getestet. Dieses Foto entstand bei einem "Tag der offenen Tür". Foto: Hoppe
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Versuchstiere am Deutschen Krebsforschungzentrum (DKFZ) Heidelberg sterben leidvoll - und das für eine fragwürdige Forschung. Dies behauptet der bundesweite Verein "Ärzte gegen Tierversuche" in einer Pressemitteilung, die er kürzlich veröffentlichte. Darin bezieht sich der Verein auf eine am DKFZ durchgeführte Studie zum Ewing-Sarkom, einer bösartigen Krebserkrankung, die meist die Knochen befällt und vor allem bei Kindern und Jugendlichen auftritt.
"Am DKFZ werden Mäusen menschliche Knochenkrebstumore implantiert. Sie leiden wochenlang und sterben qualvoll an den Folgen der Krebserkrankung", heißt es in der Pressemitteilung des Vereins. In der DKFZ-Studie seien Nacktmäusen menschliche Tumore eingepflanzt worden, die rasant wüchsen. "Da in der veröffentlichten Studie nirgends drin stand, dass die Tiere getötet werden, mussten wir davon ausgehen, dass sie letztendlich an ihrem Krebsleiden sterben", sagt Tamara Zietek, Wissenschaftlerin bei "Ärzte gegen Tierversuche". Es sei unüblich, dass es in der Publikation keinen Verweis darauf gebe, wie lange die Tiere am Leben blieben oder ob sie eingeschläfert wurden.
Zietek und ihre Kollegen stören sich zudem daran, dass den Mäusen der Tumor unter die Haut gespritzt wurde. "Der Tumor betrifft aber eigentlich die Knochen und nicht das Hautgewebe. Es ist also kein gutes Modell, das die Wissenschaftler am DKFZ da verwendet haben", sagt Zietek. Darüber hinaus werde die Krankheit bei den Mäusen so rein künstlich hervorgerufen - und daher nicht richtig abgebildet. "Die Ergebnisse wären viel aussagekräftiger, würde man menschliche Zellkulturen züchten und den Tumor anhand dessen untersuchen", sagt Zietek.
Generell kritisiert der Verein den Wert der Versuche: "Das ist keine Therapie, aus der sich wesentliche neue Erkenntnisse gewinnen lassen", so Zietek. Denn die Autoren hätten in ihrer Studie selbst geschrieben, dass dieser Krebsvirus bereits am Menschen getestet worden sei.
Beim DKFZ reagierte man umgehend auf die Vorwürfe: "Die Mäuse wurden vor Erreichen einer bestimmten Tumorgröße eingeschläfert, so dass die Belastung der Tiere begrenzt wurde", heißt es in einer Stellungnahme. Die Behauptung, es sei gewartet worden, "bis die Tiere dem Krebsleiden erliegen", sei daher nicht zutreffend.
Dass die Tumorzellen den Mäusen unter die Haut transplantiert wurden, sei außerdem - anders als von "Ärzte gegen Tierversuche" behauptet - mit deutlich geringeren Beschwerden für die Tiere verbunden. Angesichts der Komplexität des Krebses könne man nicht vollständig auf Tierversuche verzichten - vor allem nicht für die Entwicklung neuer Medikamente. "Bevor ein neuartiger Wirkstoff erstmalig an Patienten geprüft werden darf, müssen seine Sicherheit und Wirksamkeit an Tieren belegt worden sein - um eine gesundheitliche Gefährdung der Menschen auszuschließen."
Das DKFZ gab zu, dass in der Arbeit keine direkte Wirkung der Therapie gezeigt werden konnte. Jedoch sei es wichtig, auch negative Ergebnisse zu publizieren, um zukünftige Forschung an neuen Therapien in die richtige Richtung zu lenken. Zwar seien im DKFZ entwickelte therapeutische Verfahren in der Vergangenheit bereits an Patienten getestet worden, allerdings habe es sich dabei um andere Tumorarten gehandelt, so dass sich die Ergebnisse nicht übertragen ließen. Generell stelle das DKFZ strenge wissenschaftliche und ethische Anforderungen an die Planung und Durchführung von Tierversuchen. Den Vorwurf von "Ärzte gegen Tierversuche" wolle man jedoch zum Anlass nehmen, das Vorgehen bei den beschriebenen Tierversuche erneut zu prüfen.
"Ärzte gegen Tierversuche" gibt sich damit nicht zufrieden. Nach wie vor meinen die Tierschützer etwa, dass das in der Studie angewandte Tiermodell "nicht repräsentativ für die Erkrankung (Knochen-Befall) ist". Deswegen sei es auch nicht nötig, dabei auf Mäuse zurückzugreifen. Der Verein hat nun das Regierungspräsidium Karlsruhe kontaktiert. Dort bestätigte man auf Anfrage der RNZ am Mittwoch, dass ein Antrag zur Prüfung des Sachverhalts vorliege.