Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Direkt nach der Sitzung des Corona-Krisenstabs sprach Oberbürgermeister Eckart Würzner am Freitag im Telefoninterview über die Lage in den Heidelberger Kliniken und Pflegeheimen. Zudem erläuterte er seine Hoffnung für die Zeit nach der Krise – und gab eine Empfehlung für Ostern.
Herr Würzner, Sie kommen gerade aus dem Krisenstab mit Gesundheitsamt, Kliniken, Rettungsorganisationen. Wie ist die Lage?
Wichtigstes Thema ist die Schutzausrüstung in Kliniken, Arztpraxen, Altenheimen. Wir haben besprochen, wer was benötigt und wann welche Lieferung kommt.
Wie viele Tage reichen die vorhandenen Schutzmasken noch?
An der Uniklinik ist die Versorgung stabil, sie wird vom Land vorrangig beliefert. Aber auch kleinere Krankenhäuser, unsere 14 Pflegeheime, mobile Pflegedienste und die niedergelassenen Ärzte müssen gut ausgerüstet sein. Wir fragen permanent ab, wer welchen Bedarf hat und beliefern die Seniorenheime auch selbst.
Also sind momentan all diese Einrichtungen ausreichend ausgestattet?
Ja, in begrenztem Umfang. Wir erwarten nächste Woche mehr Lieferungen – auch vom Land. Wir haben alle möglichen Kanäle angezapft. Unsere Partnerstadt Hangzhou etwa liefert 10.000 zertifizierte Masken, die liegen bereits beim Zoll. Zudem helfen Firmen, indem sie ihre Produktion umstellen.
Kliniken und Co. brauchen medizinische Schutzmasken. Gerade wird über einfache Masken für die Bevölkerung diskutiert, Jena hat eine Tragepflicht eingeführt. Ist das für Heidelberg denkbar?
Aktuell nicht – weil wir noch nicht genügend Masken haben. Wir brauchen sie zunächst vor allem in den Kliniken, Altenheimen und Arztpraxen. Aber ich finde selbst genähte Masken als freiwilligen Beitrag unserer Bürger gut. Sie helfen, die Übertragung zu reduzieren, etwa beim Einkaufen oder im Bus. Wer eine Maske trägt, schützt andere. Ich trage auch eine, wenn ich unterwegs bin.
Wie bewerten Sie allgemein die Situation: Sind die Heidelberger Kliniken gerüstet für die weiter steigende Zahl schwerer verlaufende Fälle?
Ja. Alle Kliniken haben unglaublich schnell reagiert, verschiebbare OPs abgesagt, neue Betten beatmungsfähig gemacht und Kapazitäten geschaffen. Wir sind, den Umständen entsprechend, gut vorbereitet.
Im "Agaplesion Bethanien Lindenhof" sind – Stand Freitagabend – 12 Bewohner und zwei Mitarbeiter mit Covid-19 infiziert. Wie ist die Situation in dem Rohrbacher Pflegeheim?
Bisher ist ein Bewohner im Krankenhaus, die anderen sind in der Einrichtung isoliert und ihr Gesundheitszustand wird genau beobachtet.
Hat das Pflegeheim genügend Platz und Ressourcen für eine effektive Isolierung?
Ja. Wir haben außerdem Räume vorgesehen für den Fall, dass eine solche Isolierung, etwa in einem anderen Pflegeheim, nicht möglich ist. Das können Hotels oder auch ein leeres Studentenwohnheim sein. Aber das machen wir nur, wenn es gar nicht anders geht. Für viele ältere Menschen ist es eine große Belastung, aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen zu werden.
In Pflegeheimen leben viele alte Menschen, die zur Risikogruppe gehören, zusammen. Was tut die Stadt noch, um dort die Ansteckungsgefahr zu senken?
Zusätzlich zu den bestehenden Maßnahmen, etwa den Besuchsverboten, haben wir mit den Kliniken ein Konzept zur schnellen Diagnostik gemacht: Teams aus den Kliniken gehen in die Heime und machen Abstriche, die schnell in der Uniklinik getestet werden. Binnen eines Tages ist das Ergebnis da. Als Heimaufsichtsbehörde überprüfen wir auch, ob die Isolierung funktioniert.
Viele hoffen, dass wir als Gesellschaft aus der Krise lernen und manches danach besser wird. Teilen Sie diese Hoffnung?
Mir fällt auf, dass viele Menschen jetzt viel freundlicher zueinander sind. Auch die Aggressionen in den sozialen Medien kochen nicht mehr so hoch wie vorher. Ich wünsche mir, dass wir das auch nach der Krise bewahren können.
Manche Menschen wünschen sich auch, dass sich nach diesem Schock die negativen Seiten der Globalisierung zurückdrehen lassen.
Jedenfalls ist es sinnvoll, regionaler zu denken – auch bei der Produktion. Wir sollten wichtige, im Zweifel lebensrettende Güter nicht in den entlegensten Regionen produzieren, nur um noch den letzten Cent zu sparen. Wir müssen bei systemrelevanten Strukturen eigenständiger werden.
In einer Woche ist Ostern. Was raten Sie den Heidelbergern, wie sie das Fest begehen können?
Leider muss ich als Erstes sagen, was nicht geht: Enkelkinder sollten nicht ihre Großeltern besuchen. Stattdessen lieber Briefe schreiben oder skypen. Und auch wenn schönes Wetter ist: Nicht in Gruppen draußen sein, immer Abstand halten. Die Heidelberger haben das bisher hervorragend gemacht.