Archivfoto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa
Von Julia Lauer
Heidelberg. Da war es in kleinen Schritten damit vorangegangen, dass Frauen Arbeit und Familie besser unter einen Hut bekommen – und dann legte Corona den Rückwärtsgang ein. Schulen geschlossen, Kitas zu, Betreuung weg: In der Folge reduzierten viele Mütter ihre Arbeitsstunden, um für die Familie da zu sein – häufiger als die Väter, wie Befragungen zeigen. Bedeutet Corona das Ende einer positiven Entwicklung in Sachen Freiheit, Zufriedenheit und Fairness in einem Frauenleben?
Damit es nicht so kommt, hat eine Gruppe von Heidelbergerinnen nun die Initiative ergriffen und Handlungsempfehlungen vorgelegt. Das Papier ging Oberbürgermeister Eckart Würzner zu und liegt auch der Rhein-Neckar-Zeitung vor. "Corona hat uns in den letzten Monaten leider an vielen Stellen noch einmal sehr eindrücklich vor Augen geführt, dass Emanzipation, Geschlechtergerechtigkeit und Gleichstellung immer noch nicht ausverhandelt sind", erklären die 15 Unterzeichnerinnen um die Heidelberger Grünen-Bundestagsabgeordnete Franziska Brantner. Die Initiative ist partei- und branchenübergreifend: Unter ihnen sind Vertreterinnen aus Kultur, Wissenschaft und Politik, etwa die Medizinhistorikerin Karen Nolte, die Geschäftsführerin des Karlstorbahnhofs Cora Maria Malik oder Kirsten Schmitz von Pro Familia. Brantner hatte sie zum Austausch eingeladen. "Dabei entstand die Überlegung, Empfehlungen aufzuschreiben", erklärt die Politikerin.
Politikerin Franziska Brantner. Foto: prEin Schwerpunkt der Vorschläge liegt darauf, dass die Kinderbetreuung auch im Ernstfall bestmöglich aufgestellt ist. Und zwar so: Eine städtische Koordinierungsstelle könnte fortan Nachfrage und Angebot bei der Kinderbetreuung zusammenbringen, tagsüber ungenutzte Räume von Privatleuten oder von Kultureinrichtungen wie etwa dem Karlstorbahnhof könnten in die Planung der Raumfragen einbezogen werden, und Alleinerziehende sollten künftig automatisch systemrelevant sein und gegebenenfalls Anspruch auf Notbetreuung haben. Um das Personalproblem zu lösen, könnten gegebenenfalls Studierende der Pädagogischen Hochschule bei der Betreuung von Schulkindern hinzugezogen werden, schlagen die Frauen vor.
Eine weitere Forderung: schnelles Internet. Dass die Stadt zu Schuljahresbeginn gerade 2400 Tablets an die Schulen verteilt habe, reicht nach Ansicht der Frauen nicht, solange nicht jedes Kind Internetzugang habe. Flexible Lösungen müssten her – etwa mithilfe von USB-Sticks oder über den Zugang zu anderen W-Lan-Netzen. "Es ist nicht alles schlecht gelaufen, und wir glauben auch nicht, dass uns ein zweiter Lockdown bevorsteht. Aber für den Fall, dass es im Herbst und Winter noch einmal schwierig wird und es phasenweise zu Einschränkungen kommt, brauchen wir ein Rückfallkonzept", sagt Brantner.
Die Stadt will die Vorschläge der Heidelbergerinnen prüfen. "Ich bin immer offen für Verbesserungsvorschläge. Wir schauen uns die Ideen genau an", erklärte Oberbürgermeister Eckart Würzner auf RNZ-Anfrage. Zwar böte Heidelberg ganz konkrete Hilfen an, um die coronabedingten Belastungen zu reduzieren – so sei etwa die Kinderbetreuung schneller wieder angelaufen als in vielen anderen Städten. "Dennoch ist die Belastung für Frauen und Familien überdurchschnittlich hoch", sagte Würzner. In diesem Zusammenhang wolle er auch einen weiteren Bereich auf Verbesserungsmöglichkeiten hin prüfen, die Pflege von Angehörigen. "Auch hier nehmen wir unter die Lupe, wo wir noch mehr erreichen können", so Würzner.
Dass sich, als Schulen und Kitas geschlossen waren, auch viele Väter verstärkt in die Betreuung ihrer Kinder einbrachten, ist unbestritten. "Aber vor allem in West-Deutschland gilt implizit noch immer die Auffassung, dass selbstverständlich Frauen die Kinder betreuen, und genauso selbstverständlich wird erwartet, dass sie Mitverdienerinnen sind", beschreibt die Medizinhistorikerin Karen Nolte die Situation vieler Mütter.
Individuellen Bemühungen, Aufgaben zu Hause fair zu verteilen, seien vielfach Grenzen gesetzt, ist die Professorin überzeugt. Dass viele Paare aufgrund von Covid-19 in traditionelle Muster zurückgefallen seien, sei auch strukturell bedingt. "Männer arbeiten häufiger in Positionen, in denen die Reduktionen der Arbeitszeit und Homeoffice schwieriger sind. Das reproduziert bestehende Ungleichheiten."