Am Donnerstag, 7. Februar, schimmerte das Wasser, das, wie hier in Dossenheim, aus den Hähnen kam, blau - und viele Bürger machten sich nach den Behördenwarnungen ernsthafte Sorgen. Es kam teilweise zu Panikkäufen und Engpässen bei Mineralwasserflaschen. Foto: Alex
Von Micha Hörnle
Heidelberg. Tilmann Althaus könnte jetzt triumphieren: Er hatte es ja schließlich als erster gewusst, was vor sechs Wochen das Trinkwasser blau gefärbt hatte. Aber der Mineraloge und Geochemiker, der beim Heidelberger "Spektrum der Wissenschaft"-Magazin arbeitet, gab sich gestern ganz nüchtern: "Ich habe ja schon öfters blaues Wasser in der Natur gesehen, denken Sie nur an die Gletscherbäche. Und dann hatte ich schnell den Verdacht, dass das nur am Kalk liegen kann, zumal die ganzen Trinkwassertests ja nichts Auffälliges gezeigt haben." Am Freitag bestätigte das Landratsamt auch ganz offiziell Althaus’ Vermutung: Das Licht wurde durch die Kalkteilchen blau gebrochen, der Fachbegriff heißt "Rayleigh-Streuung".
Tilmann Althaus. Foto: privat
Tatsächlich dauerte es etliche Wochen, bis die Labors in mehreren aufwendigen Tests mit hochempfindlichen Elektronenmikroskopen genau das fanden, was Althaus in einem Leserbrief an die RNZ nur sechs Tage nach der "Wasserkrise" vermutet hatte. Darin heißt es: "Bei der Verfärbung könnte es sich auch um feinste Kalkpartikel im nanoskaligen Bereich handeln, die bevorzugt das blaue Licht streuen, siehe zum Beispiel den Blautopf in der Schwäbischen Alb. Diese Partikel sind völlig harmlos und liefern höchstens noch etwas Kalzium extra. Das Heidelberger Trinkwasser ist ja sehr kalkhaltig, und es kann durchaus zu spontanen Ausfällungen feinster Kalkspatkristalle kommen."
In der Pressemitteilung des Landratsamtes wird ausdrücklich den "Hinweisen aus der Bevölkerung" gedankt, allerdings war es tatsächlich Althaus, der den Leiter des Gesundheitsamtes Rainer Schwertz auf die heiße Spur brachte. Denn der hatte sehr wohl den Leserbrief in der RNZ gelesen. Über seine Motivation, den überhaupt zu schreiben, berichtet der Schriesheimer Geowissenschaftler: "Mich hat einfach gewundert, dass bei der ganzen Diskussion über die Ursache des blauen Wassers diese Idee noch nicht zirkulierte. Und dann dachte ich mir: Jetzt schreibe ich mal einen Leserbrief an die RNZ."
Zumal es ihm darum ging, "die teilweise etwas aufgeregte Reaktion etwas dämpfen zu wollen. Bei der anklingenden Panik wollte ich die für mich logischste Erklärung abgeben". Dass die Behörden nicht früher darauf kamen, wundert ihn nicht: "Sie sehen das nicht mit den Augen eines Geowissenschaftlers, sondern fragen immer nur nach potenziell gesundheitsgefährdenden Stoffen."
Die Reaktion des Gesundheitsamtes an jenem 7. Februar, als man in Dossenheim und den beiden Heidelberger Stadtteilen Neuenheim und Handschuhsheim sechs Stunden lang vor jedem Kontakt mit dem Trinkwasser warnte, hält Althaus für nachvollziehbar: "Wasser unterliegt ja den schärfsten Kontrollen. Dem kleinsten Hinweis, dass etwas nicht stimmt, muss man unbedingt nachgehen." Er hofft nur, dass "von jetzt an die meisten Wassermeister gewarnt sind und die Kalkteilchen bei ihrer Beurteilung einkalkulieren". Zumindest das versprach der Sprecher des Landratsamtes, Ralph Adameit: "Das war uns vorher nicht bekannt, wir werden das im Auge behalten. Natürlich haben wir auch den Kalkgehalt des Wassers mehrfach überprüft. Aber jetzt wissen wir, dass nicht der, sondern die Größe der Kalkteilchen entscheidend war."
Allerdings bleibt es unklar, wieso ausgerechnet an jenem Tag das Wasser so blau schimmerte. Althaus vermutet, dass es eine Folge des trockenen Sommers gewesen sein könnte, weswegen der Kalkgehalt des Wassers angestiegen sei.
Das betroffene Wasserwerk Entensee im Handschuhsheimer Feld ist seit jenem 7. Februar vom Netz genommen, jetzt kann es wieder Wasser fördern. Bei einem Probebetrieb, so Adameit, war keine Blaufärbung des Wassers mehr zu erkennen.