Amokfahrt-Prozess in Heidelberg

Wer ist dieser Matthias K.?

Matthias K., der psychisch krank sein soll, trat selbstsicher auf - Öffentlichkeit ausgeschlossen - Differenzen mit Verteidiger?

22.08.2017 UPDATE: 23.08.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 36 Sekunden

Ein Polizist nimmt dem Angeklagten Matthias K. gestern Morgen im Landgericht die Handfessel ab, rechts neben ihm sein Verteidiger Jörg Becker. Foto: Gerold

Von Micha Hörnle

Nach einer halben Stunde wurde gestern Morgen die Öffentlichkeit vom Amokfahrt-Prozess im Landgericht ausgeschlossen. Erst die Urteilsverkündung wird wieder öffentlich sein. Deren genaues Datum steht noch nicht fest, aber offenbar lief der erste Verhandlungstag sehr zügig, sodass möglicherweise bereits am Freitag eine Entscheidung fallen könnte.

Hintergrund

Amokfahrt: Staatsanwältin gibt neue Details bekannt

hö. Der Tathergang der Amokfahrt vom 25. Februar gilt als weitgehend aufgeklärt, doch Staatsanwältin Christiane Vierneisel präsentierte in ihrer Anklageschrift ein paar bisher so noch nicht bekannte Details: Als am

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Amokfahrt: Staatsanwältin gibt neue Details bekannt

hö. Der Tathergang der Amokfahrt vom 25. Februar gilt als weitgehend aufgeklärt, doch Staatsanwältin Christiane Vierneisel präsentierte in ihrer Anklageschrift ein paar bisher so noch nicht bekannte Details: Als am Fastnachtssamstag um 15.55 Uhr Matthias K. einen Opel Corsa auf dem Bismarckplatz in eine Personengruppe lenkte, war er 20 bis 25 Stundenkilometer schnell. Er erfasste insgesamt drei Personen - und zwar alle von hinten. Für Vierneisel wird damit der Tatbestand "besonderer Rücksichtslosigkeit" erfüllt, weil keiner der Drei mit einem Angriff rechnen konnte. Am schlimmsten traf es den 73-jährigen Albert F.: Der gehbehinderte Rentner wurde beim Aufprall gegen die Windschutzscheibe geschleudert und prallte dann an die Säule des Kaufhaus-Vordachs, an der der Wagen schließlich zum Halten kam. Zwei Stunden später war er tot, ein Paar mit österreichischem Pass, Sabina H. (29) und Joe P. (32) erlitt Prellungen. Beide traten gestern vor Gericht als Nebenkläger auf. Direkt nach der Tat lief Matthias K. mit einem Messer, dessen Klinge 15 Zentimeter lang war, in die Bergheimer Straße und ging damit auf Polizisten los, die ihm entgegengekommen waren. "Er ließ das Messer nicht los, trotz des mehrfachen Einsatzes von Pfefferspray. Dann zeichnete er ein Kreuz auf die Stirn und stürzte auf einen Polizisten zu", so Vierneisel.

Ihrer Ansicht nach sei er wegen einer "akuten paranoiden Schizophrenie schuldunfähig". Daher sei er auch in Zukunft für die Allgemeinheit gefährlich und müsse dauerhaft in der Psychiatrie untergebracht werden. Mit seinem Verhalten gestern vor Gericht dokumentierte der Angeklagte allerdings, dass er das selbst nicht so sieht.

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Die Sachlage ist klar und wird auch von niemandem bestritten: Dem 35-jährigen Matthias K. wird vorgeworfen, am 25. Februar 2017 mit einem Mietwagen in eine Personengruppe gefahren zu sein, dabei kam ein 73-jähriger Heidelberger ums Leben, zwei Passanten wurden leicht verletzt. Kurz darauf flüchtete der Tatverdächtige mit einem Messer in die Bergheimer Straße, wo er von einer Polizeistreife gestellt wurde. Er konnte erst durch den gezielten Bauchschuss eines Beamten gestoppt werden. Nach einem kurzen Aufenthalt in der Chirurgie und einem Gefängniskrankenhaus wurde Matthias K. ins Psychiatrische Zentrum Nordbaden in Wiesloch eingeliefert, nachdem bei ihm paranoide Schizophrenie diagnostiziert worden war. Bei Angeklagten, die sich in psychiatrischer Unterbringung befinden, ist es nicht unüblich, dass die Verhandlung nicht-öffentlich ist. Zugleich attestierte Richter Gramlich ein besonderes Interesse der Allgemeinheit, da es kurz nach der Tat Gerüchte im Internet gegeben hatte, es habe sich um einen terroristischen Anschlag gehandelt.

Mit Gefängnis muss Matthias K. nicht rechnen, da er nach Ansicht eines Gutachters nicht schuldfähig ist und dauerhaft in der Psychiatrie bleiben muss.

Wer ist dieser Matthias K., der am Fastnachtssamstag mit einem Mietwagen einen Mann getötet hat? Der erste Eindruck, als er gestern auf der Anklagebank im Saal 1 des Landgerichts saß: ein bärtiger Mann im blauen Anzug, nicht ungepflegt und recht gefasst, wenn nicht sogar selbstsicher wirkend. Bisher kannte man von ihm nur knappste biografische Daten: 35 Jahre, Deutscher, wissenschaftlicher Mitarbeiter, letzte Adresse in Ziegelhausen, jetzt im Psychiatrischen Zentrum Nordbaden (PZN) in Wiesloch. Seit gestern Richter Edgar Gramlich Angaben zur Person vorlas, weiß man etwas mehr: Matthias K. stammt aus Rheinhessen und ist geschieden. Tatsächlich hörte man gestern den Angeklagten zum ersten Mal reden: Mit klarer, keineswegs zittriger Stimme und durchaus selbstsicher korrigierte er Gramlich, was seine letzte Adresse angehe: Die Wohnung in Ziegelhausen wurde aufgelöst.

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Dann stellte sein Verteidiger Jörg Becker den überraschenden Antrag, die Öffentlichkeit auszuschließen - nachdem es zuvor deutliche Signale gegeben hatte, dies gerade nicht zu tun. Zwar ist ein solcher Antrag bei Personen in psychiatrischer Unterbringung nicht unüblich. Doch im Sinne des Anwalts selbst war das offenbar nicht, Becker äußerte durchaus ein Interesse daran, noch einmal öffentlich vor Gericht über die Hintergründe der Tat vor einem halben Jahr zu informieren: Dass ein seelisch schwer kranker Mann der Täter war und nicht etwa ein Terrorist. Aber sein Mandant sah die Sache anders, wohl auch angesichts der Kameras im Gerichtssaal vor Beginn des Prozesses. Auch wenn der ganz große Rummel ausblieb, fühlte Matthias K. sich damit nicht wohl - und verlangte offenbar spontan den Ausschluss der Öffentlichkeit.

Doch auch über diese Entscheidung hinaus scheint das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant nicht ganz spannungsfrei zu sein. Nach RNZ-Informationen stellte Matthias K. sogar im weiteren Verlauf des Prozesses den Antrag, Becker von der Verteidigung zu entbinden, was die Schwurgerichtskammer allerdings ablehnte. Demnach kündigte der Angeklagte auch an, sich am heutigen Mittwoch näher zum Tatvorwurf zu äußern - und dabei machte er offenbar nicht den Eindruck, als sehe er sich selbst als seelisch sehr krank. Genau das ist allerdings die Auffassung der Staatsanwaltschaft, die ihm, gestützt auf ein Gutachten, eine paranoide Schizophrenie attestiert hatte. Zeichen von Reue oder Anteilnahme zeigte der Angeklagte gestern nicht, die insgesamt drei Nebenkläger - eine Schwester des Getöteten und ein Paar mit österreichischem Pass, das bei der Tat verletzt wurde - würdigte er keines Blickes.

Nach dem Ausschluss der Öffentlichkeit durften nur vier Angehörige des Todesopfers dem weiteren Prozessverlauf folgen, dagegen hatte Richter Edgar Gramlich keine Einwände. Den Antrag hatte Nebenklageanwalt Silvio Käsler gestellt, damit das nähere Umfeld des Todesopfers - auch wenn es sich nicht um leibliche Verwandte handelt -, die Möglichkeit bekommt, mehr über die näheren Umstände der Amokfahrt zu erfahren. Nach Käslers Angaben verfolgten sie gefasst den Verlauf des ersten Verhandlungstages, auch wenn sie sich angesichts der fast arrogant wirkenden Art des Angeklagten irritiert zeigten.

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