In der Bonifatiuskirche am Wilhelmsplatz wurde im Rahmen des Auftakts der "Aktionswoche gegen Armut" die Ausstellung "ArTmut" eröffnet. Auch Luisa DaCosta ist mit ihrem Werk "Cavallo" vertreten. Foto: Rothe
Von Arnd Janssen
Heidelberg. Heidelberg ist eine Wohlfühlstadt, den Menschen hier geht es gut. Dies trifft tatsächlich auf eine große Mehrheit der Bürger zu. Jedoch gelten 12.000 Menschen in der Stadt als arm oder von Armut bedroht. Aus diesem Grund eröffnete das Heidelberger "Bündnis gegen Armut und Ausgrenzung" auch in diesem Jahr die Aktionswoche gegen Armut mit dem Titel: "Reich an unsichtbarer Armut". Seit 15 Jahren veranstaltet das Bündnis die Woche anlässlich des "Internationalen Tags für die Beseitigung der Armut" mit mehr als 50 Partnern und einem Ziel: ein Zeichen setzen für die Schwächsten der Gesellschaft.
Bei der Eröffnung in der St. Bonifatiuskirche mit anschließender Vernissage kam auch eine betroffene Künstlerin zu Wort. Die Schweizerin Nelly Schenker, die für die internationale Nichtregierungsorganisation "Bewegung ATD Vierte Welt" tätig ist, musste in ihrer Heimat Basel viele Jahre in bitterer Armut leben und konnte zudem weder lesen noch schreiben. Sie kämpfte gegen Ausgrenzung und konnte ihre Armut erst durch Kunst und die Hilfe ihrer Kinder sowie der "Bewegung ATD" hinter sich lassen. "Armut kann viel kaputt machen und man sieht hilflos dabei zu", erzählte die Künstlerin. "Um unsere Würde wiederherzustellen, bedarf es einer anderen Politik", appellierte sie an Entscheidungsträger, mehr gegen Armut zu tun.
Stefanie Burke-Hähner vom Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt, eine von mehreren Initiatorinnen der Aktionswoche, sprach während ihrer Eröffnungsrede speziell die Situation in Heidelberg an. "Die Armut kann unerwartete Ausmaße annehmen, die gar nicht sichtbar sind. Denn Menschen mit materiellem Mangel trauen sich kaum aus dem Haus", erklärte sie. Wenn der Einkommensdurchschnitt hier über dem Landesschnitt ist, bringe das den Tausenden von Armut betroffenen überhaupt nichts. "Besonders auf dem Wohnungsmarkt gestaltet sich die Lage für die Einkommensschwachen katastrophal", kritisierte Burke-Hähner.
Das Aktionsbündnis forderte neben der Förderung von ökologischen, verkehrstechnischen und wissenschafts- und bildungsbezogenen Fragen, wieder verstärkt soziale Belange in den Fokus der Politik zu rücken. Besonders von der Stadt wird ein aktiverer Kurs erwartet.
Aber nicht nur Armutsbekämpfung, sondern auch der Kampf gegen Fremdenhass und Ausgrenzung sowie das Eintreten für Solidarität und Gerechtigkeit sind Teil der Aktionswoche. Und so wurde mit einer Schweigeminute den Opfern des Rechtsterrors gegen eine jüdische Gemeinde in Halle in der vergangenen Woche gedacht.
Die nach den Eröffnungsreden stattfindende Vernissage unter dem Titel "ArTmut" bezog sich direkt auf das Tagesthema: "Die Angst vor Armut manifestiert sich in vielen der gezeigten Werke", beschrieb Anna Delong von der Kunstinitiative "Offenes Atelier" in der St.-Albert-Kirche. Die Künstlerin kennt viele Kollegen, die aufgrund von Existenzgründen stark in ihrer Arbeit beeinträchtigt werden. Die ausgestellten Bilder konnten mit den regionalen und internationalen Künstlern vor Ort besprochen und gekauft werden. Sie handeln von Armut und anderen Ängsten, ebenso von gesellschaftlichen Missständen und Unrecht, aber auch von Träumen und Chancen. Abbas Karaki, ein 2013 aus Syrien Geflüchteter, ist ein studierter Künstler und musste seit Kriegsausbruch um sein Auskommen fürchten. Eines seiner Gemälde zeigt Kirchturmspitzen und Moschee-Minarette im Einklang in der Silhouette seiner Heimatstadt: "Im Damaskus, wie ich es mir vorstelle, gibt es keinen Krieg, aber eine Annäherung zwischen den Religionen."
Info: Die Aktionswoche läuft noch bis Sonntag, 20. Oktober. Die Ausstellung "ArTmut" ist bis Sonntag, 17. November, täglich von 8 bis 18 Uhr in der Kirche St. Bonifatius am Wilhelmsplatz zu sehen.