Syrer litt an Tuberkulose: Erst in Heidelberg wurde ihm richtig geholfen

Der Syrer Hydar O. wurde an der Thoraxklinik gegen Tbc behandelt - Jetzt ist er fast geheilt - 55 Fälle in Stadt und Kreis im Jahr 2015

23.03.2016 UPDATE: 25.03.2016 06:00 Uhr 2 Minuten, 21 Sekunden

Von Birgit Sommer

Wenn man Haydar O. fragt, dann sagt er, er fühle sich sehr gut. Der junge Syrer leidet an Tuberkulose (Tbc). 25 Tage hat er in der Thoraxklinik verbracht, als einer von acht Asylbewerbern, die in diesem Jahr dem Heidelberger Gesundheitsamt als Tbc-Patienten gemeldet wurden. Im ganzen Jahr 2015 waren es 29 Asylsuchende gewesen, die meisten aus Gambia, Eritrea und Somalia. Nur bei einer Frau unter ihnen zeigte sich bereits eine Resistenz gegen eines der Standardmedikamente.

Seit Haydar O. nicht mehr als ansteckend angesehen wird, ist er zu seiner Familie in Patrick Henry Village zurückgekehrt. Er weiß, dass er sechs Monate lang streng und regelmäßig seine Medikamente nehmen muss, bis er geheilt ist. Das hat ihm Dr. Omar Simo schon in der Klinik eindringlich erklärt. Haydar O.s Therapie wird jetzt vom Heidelberger Gesundheitsamt überwacht.

Hintergrund

Der Welt-Tuberkulosetag wird alljährlich am 24. März begangen. 1882 hatte Robert Koch an diesem Tag erstmals die Fachwelt über seine Entdeckung des Erregers der Tuberkulose, des Mycobakteriums tuberculosis, informiert.

Die Tuberkulose

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Der Welt-Tuberkulosetag wird alljährlich am 24. März begangen. 1882 hatte Robert Koch an diesem Tag erstmals die Fachwelt über seine Entdeckung des Erregers der Tuberkulose, des Mycobakteriums tuberculosis, informiert.

Die Tuberkulose (Tbc) gehört zu den am weitesten verbreiteten Infektionserkrankungen. Etwa ein Drittel der Weltbevölkerung ist mit dem Erreger infiziert, jährlich erkranken etwa neun Millionen Menschen neu, 1,4 Millionen sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) daran. Ziel der WHO ist es, die Tbc bis 2050 größtenteils auszurotten. Die Krankheit ist heilbar und kann mit Medikamenten gut behandelt werden.

In Deutschland steigen die Erkrankungszahlen seit 2014 wieder an: von 4883 Fällen auf 5872 im Jahr 2015. In Heidelberg und im Rhein-Neckar-Kreis (650 000 Einwohner) wurden dem Gesundheitsamt 2015 von Ärzten oder Laboren 55 Fälle gemeldet. Darunter waren 29 Asylbewerber und 19 Menschen mit Migrationshintergrund. 2016 wurden bis Mitte März elf Fälle, davon acht bei Asylbewerbern - fünf aus Syrien -, gemeldet. Insgesamt wurden 2015 und 2016 unter Asylbewerbern 37 Fälle von Tbc registriert. bik

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Der Internist Simo, der aus Altersgründen seine Praxis in Weinheim aufgegeben hat, kam vor 40 Jahren selbst als syrischer Kurde nach Deutschland. Jetzt hat ihn Dr. Oswinde Bock-Hensley, die Tbc-Expertin des Heidelberger Gesundheitsamtes, als Dolmetscher in der Thoraxklinik eingespannt. Sein Kurdisch sei gut, sagt er, sein Arabisch aber ein bisschen eingerostet. Und manchmal fehlten ihm die neuen Worte, die die Jugendlichen benutzten, schmunzelt der Mediziner. Was heißt zum Beispiel simsen auf Arabisch?

Haydar O. erzählt anlässlich des heutigen Welttuberkulosetages gerne seine Geschichte. Nur fotografieren lassen will er sich nicht. Irgendwie hat die Familie Angst davor, dass ein Bild von ihnen übers Internet nach Syrien gelangen könnte. Schließlich kann sich der Vater vorstellen, dass er irgendwann in die Heimat zurückkehrt. Er besitzt schon den neuen Ankunftsnachweis der Bundesrepublik Deutschland, der fast so aussieht wie ein alter Führerschein, aber in Grün-Violett. Sein Sohn zeigt noch das ursprüngliche Registrierungsformular mit vielen Stempeln vor.

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Im Jahr 2014 war Haydar O. bereits über die Grenze in die Türkei geflüchtet. Nachtschweiß und Gewichtsverlust hielten die türkischen Ärzte damals für eine Grippe. Als sein Zustand nicht besser wurde, kehrte der 26-Jährige kurzfristig nach Syrien zurück. Die Ärzte dort stellten Tuberkulose fest, hatten aber keine Medikamente für ihn. Zurück in der Türkei wurde er schließlich behandelt, spuckte aber nach sechs Monaten immer noch Blut und musste eine dreimonatige Nachbehandlung anschließen. Nach seiner Flucht nach Deutschland wurde in Heidelberg dann der Rückfall diagnostiziert.

In Syrien, erzählt Simo, sei die Gesundheitsversorgung vor dem Krieg sehr gut gewesen. Wer arbeitete, hatte eine Krankenversicherung, Selbstzahler wurden bei schweren Erkrankungen kostenlos in den staatlichen Einrichtungen behandelt. Jede größere Stadt besaß eine Uniklinik, es gab genügend niedergelassene Ärzte. Patienten mit Tuberkulose seien eine absolute Rarität gewesen, sagt Simo. Die Krankheit der Armen.

Haydar O. zeigt einen Film auf seinem Handy, wie er zusammen mit seiner Frau und anderen Familienangehörigen im Januar per Schlauchboot nach Lesbos übersetzte; seine Eltern kamen zwei Wochen später nach. Das griechische Rote Kreuz habe ihnen Fahrkarten bis Kroatien besorgt, sagt der 26-Jährige. Von dort ging es mit dem Bus über Österreich nach München. Seine Zukunft sieht der junge Mann in Deutschland, nicht in Syrien. Als Schneider hofft er auf Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Jetzt warten sie alle auf die Entscheidung über ihren Asylantrag: Haydar, seine zarte, dunkelhaarige Frau, die freudestrahlend von ihrer Schwangerschaft erzählt, seine Eltern, sein Bruder und zwei Schwestern samt Schwager und deren Kinder.

Asylanträge - die sollte Haydars Familie schon mal im eigenen Land stellen, erzählen sie dem Arzt Omar Simo: Hunderttausenden Kurden im Nordosten Syriens sei 1989 die Staatsbürgerschaft entzogen worden - obwohl das Familienoberhaupt sogar 1986 beim Militär gedient hatte. Sie seien Flüchtlinge aus der Türkei, hieß es damals plötzlich. Ohne Ausweis durfte die heute 19-jährige Tochter auch nur bis zur neunten Klasse in die Schule gehen, erzählt die Familie. Nun warten sie alle auf eine bessere Zukunft.

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