"Spielstraßen" in Heidelberg sollten beibehalten werden

Im Rahmen des Sicherheitsaudits nahmen Experten den Bereich um die Landhausschule unter die Lupe - Oft wird zu schnell gefahren

02.04.2017 UPDATE: 03.04.2017 06:00 Uhr 2 Minuten, 26 Sekunden

Auch wenn die Heidelberger schon auf einem guten Weg sind, gibt es immer noch Verbesserungsvorschläge: Jens Leven (rechts) führte die Ortsbegehung rund um die Landhausschule an. Foto: Alex

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Die Verkehrssituation vor Schulen, Kindertagesstätten und Einrichtungen für Senioren wird derzeit in Heidelberg umfassend untersucht. Nun liegen die ersten Ergebnisse des Sicherheitsaudits vor (siehe Hintergrund). Zur zweiten Ortsbegehung traf man sich nun an der Landhausschule in der Weststadt.

Hintergrund

> Das Sicherheitsaudit ist eine Untersuchung zur Verkehrssicherheit vor Heidelberger Schulen und Kindertagesstätten sowie vor Senioreneinrichtungen und wurde nach dem tödlichen Unfall in der Theaterstraße, bei dem im Januar 2016 ein neunjähriger Junge von

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> Das Sicherheitsaudit ist eine Untersuchung zur Verkehrssicherheit vor Heidelberger Schulen und Kindertagesstätten sowie vor Senioreneinrichtungen und wurde nach dem tödlichen Unfall in der Theaterstraße, bei dem im Januar 2016 ein neunjähriger Junge von einem Sprinter überfahren wurde, ins Leben gerufen. Das Büro für Forschung, Entwicklung und Evaluation (Bueffee) aus Wuppertal von Jens und Tanja Leven wurde damit beauftragt. Sie haben sich bundesweit auf dieses Thema spezialisiert und werten nicht nur die Unfalldaten aus, sondern befragen auch Eltern und andere Betroffene, entwickeln Kinderwegepläne, empfehlen und priorisieren Maßnahmen.

> Die offizielle Unfallstatistik: Von 2012 bis Oktober 2016 wurden rund 465 Unfälle mit Fußgängern und 1537 mit Radfahrern dokumentiert. Die Unfallhäufigkeit ist dabei ungleich verteilt. Insgesamt gibt es 967 Straßen in ganz Heidelberg, aber auf nur 50 davon passieren mehr als die Hälfte aller Unfälle. Die Negativrangliste bezüglich Unfällen mit Fußgängern führen diese Straßen an: Bergheimer Straße (24 Unfälle von 2012 bis Oktober 2016), Kurfürsten-Anlage (21), Rohrbacher Straße (18), Karlsruher Straße (15), Eppelheimer Straße und "Im Neuenheimer Feld" (jeweils 12).

> Bei den Unfällen mit Radlern sind folgende Straßen dabei: Rohrbacher Straße (85), Eppelheimer Straße (58), Bergheimer Straße (56).

> Laut der Elternbefragung gibt es rund um die Landhausschule 237 Problemstellen.

> Der Untersuchungszeitraum ist über zwei Jahre angelegt. Doch auch währenddessen sollen schon die ersten Empfehlungen umgesetzt werden. hob

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Der halbe Stadtteil ist ein verkehrsberuhigter Bereich. Doch davon ist beim Vor-Ort-Termin wenig zu spüren. Während Jens und Tanja Leven vom Büro für Forschung und Entwicklung (Bueffee) zusammen mit Schulleiter Udo Gärtner, Vertretern der Interessengemeinschaft Verkehr, anderen Eltern und der Kinderbeauftragten Annette Hügle Problemstellen abgehen, brausen in der Blumenstraße immer wieder Autos mit erhöhter Geschwindigkeit vorbei. Erhöht heißt hier, mehr als sieben Kilometer pro Stunde, denn das wäre das, was die Gerichte unter Schrittgeschwindigkeit verstehen. Und die ist für "Spielstraßen" vorgeschrieben.

Dass an vielen Stellen in der Weststadt - so wie auch in der Blumenstraße direkt an der Landhausschule - zu schnell gefahren wird, hat laut Jens Leven auch bauliche Gründe. "Je breiter die Fahrbahn, desto zügiger sind die Autos unterwegs." Er spricht in diesem Zusammenhang von der "Durchschussfunktion". Daher schlägt er vor, mit schräg eingezeichneten Parkplätzen oder Blumenkübeln den Straßenraum einzuengen. Eine weitere Möglichkeit wären zum Beispiel Fahrradanlehnbügel. Julian Lux wird all diese Vorschläge auf ihre Umsetzbarkeit überprüfen. Er ist Verkehrsplaner und beim städtischen Amt für Verkehrsmanagement für das Sicherheitsaudit zuständig.

"Unsere Schüler werden angehalten, nur nicht über den Zaun zu springen, wenn ein Ball auf die Straße fliegt", berichtet Gärtner. Jens Leven schlägt vor, den grauen Zaun bunt zu lackieren, um Auswärtige noch deutlicher darauf hinzuweisen, dass hier eine Schule ist. Barbara Holborn von der Interessengemeinschaft Verkehr wünscht sich wiederum Dialogdisplays am Straßenrand, die den Autofahrern mit einem einfachen "Danke" oder einem lachenden Smiley anzeigen, wenn sie sich an die Schrittgeschwindigkeit halten. Thomas Raab vom Amt für Verkehrsmanagement sagt zu, dass einige davon in der Weststadt installiert werden.

Immer wieder geht es bei der Begehung um Sichtbeziehungen - spielende Kinder sollten für die Autofahrer schon von Weitem erkennbar sein. Ein großes Problem in der Weststadt ist hierbei der Parkplatzmangel. Ständig stellen die Autofahrer ihre Wagen im Kreuzungsbereich ab. Auch während der Ortsbegehung an der Landhausstraße will eine Frau ihren Golf direkt an der Ecke Landhaus-/Blumenstraße parken. Doch als sie Jens Leven mit seiner orangefarbenen Warnweste entdeckt, fühlt sie sich beobachtet und fährt weiter. Eine sehr gute Lösung wäre für den Verkehrsplaner eine Tiefgarage für Anwohner unter dem Wilhelmsplatz. Da diese sehr teuer ist, müssen aber nun stattdessen wohl erst einmal einige Poller aufgestellt werden, um das Falschparken zu verhindern.

Die Hauptproblemstraßen in Bezug auf die Landhausschule und den Fußweg der Kinder sind für Leven die Bahnhof-, Blumen- und Kleinschmidtstraße. In der breiten Bahnhofstraße werde zum Beispiel viel zu schnell gefahren. Denkbar wäre hier ein Zebrastreifen, um die Auto- und Radfahrer etwas zu bremsen. Trotz all dieser Probleme weiß der Gutachter aber auch Positives zu berichten: Die Elterntaxi-Quote sei an der Landhausschule, wie auch an der Ebert-Grundschule in der Altstadt, mit weniger als fünf Prozent sehr gering. Bei einer anderen Untersuchung von 29 Grundschulen in zehn Kommunen hat Bueffee auch schon andere Werte ermittelt. Dort gaben im Durchschnitt 41,5 Prozent der Kinder an, bei schlechtem Wetter meistens mit dem Auto zur Schule gebracht zu werden. Auch aus diesem Grund glaubt Leven, dass Heidelberg in puncto Verkehrssicherheit schon ganz gut aufgestellt ist. "Wir würden 20 Jahre brauchen, um Wuppertal so weit zu bringen, wo Sie heute schon sind", sagt der Wuppertaler. Der Anregung eines Vaters, an einigen Stellen in der Weststadt doch Tempo 15 einzuführen, um die Kinder mit den "Spielstraßen" nicht zu sehr in Sicherheit zu wiegen, erteilte Levens eine Absage: "Der verkehrsberuhigte Bereich ist großartig. Bitte behalten sie ihn bei und steuern lieber nach."

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