Yousef Ablieh (links) ist Manager beim Dienstleister "Europe Health", Mahassen Ghoneim arbeitet als Dolmetscherin für das Unternehmen. Foto: Joe
Von Steffen Blatt
Heidelberg ist weltbekannt, und zwar nicht nur als Reiseziel mit Schloss, Alter Brücke und Altstadt, sondern auch für seine hervorragenden medizinischen Kliniken. Und so kommen mehr als 3000 Patienten pro Jahr aus dem Ausland nach Heidelberg, um sich dort behandeln zu lassen, knapp die Hälfte aus den arabischen Golfstaaten (siehe "Hintergrund"). Die allermeisten kennen sich mit dem hiesigen Krankenhauswesen nicht aus und sprechen kein Deutsch. Daher gibt es Dienstleister, die vom Erstgespräch über die Suche nach der richtigen Klinik bis zum Flughafentransfer alles für die ausländischen Patienten in die Hand nehmen.
"Europe Health" ist so ein Unternehmen. Es wurde 2003 in München gegründet und hat mittlerweile Filialen in ganz Deutschland, auch in Heidelberg. Es hat sich laut Homepage auf das "Premium-Segment" der Medizintouristen spezialisiert, die vor allem aus dem russischsprachigen und dem arabischen Raum kommen. "Die Menschen sind unsicher, wenn sie in ein fremdes Land kommen, und sie sind angespannt, weil sie krank sind. Wir sind dann ihr Ansprechpartner", sagt Yousef Ablieh von "Europe Health". Er organisiert etwa den Transfer vom Flughafen nach Heidelberg, seine Mitarbeiter kümmern sich darum, dass die Patienten rechtzeitig zu Untersuchungen im Krankenhaus sind. "Die arabischen Patienten sind erleichtert, wenn sie gleich am Flughafen jemand in ihrer Sprache begrüßt, außerdem bekommen sie eine Notfall-Telefonnummer, die immer erreichbar ist", berichtet Ablieh. Derzeit betreut er etwa 130 Medizintouristen, vor allem aus Kuwait und Katar.
Auf Wunsch wird auch ein Rahmenprogramm ausgearbeitet mit Museumsbesuchen, Sportveranstaltungen oder Shopping, denn die Patienten sind lange in Heidelberg und wollen auch etwas anderes sehen als nur die Klinik. "Viele kommen später als Touristen wieder", weiß der 48-Jährige. Darum finden sich in den Hochglanzbroschüren des Unternehmens nicht nur Porträts von deutschen Kliniken, sondern auch Artikel wie "20 Gründe für einen Heidelberg-Besuch" oder ein "Düsseldorf-Special". In Anzeigen wird für hochwertige Uhren, Autos oder Jagdwaffen geworben.
Auch Dolmetscher stellt "Europe Health" zur Verfügung, denn die Patienten müssen sich mit Ärzten und Krankenpflegern verständigen können. Seit dem vergangenen Jahr müssen sich alle Übersetzer vom Universitätsklinikum zertifizieren lassen, zwei Schulungen pro Jahr sind Pflicht. "Das ist eine gute Idee. Als wir angefangen haben, konnte jeder einfach eine Visitenkarte drucken und sagen, er sei Dolmetscher", so Ablieh. Sein Unternehmen beschäftigt in Heidelberg zwölf Übersetzer, wenn im Sommer noch mehr Patienten aus dem arabischen Raum kommen, auch mehr.
Eine von ihnen ist Mahassen Ghoneim. Sie hat vor Jahren bei "Europe Health" mit der Übersetzung von medizinischen Berichten begonnen, mittlerweile arbeitet sie als Dolmetscherin. "Der Patient muss alles wissen, was der Arzt sagt, auch über den Ablauf der Behandlung. Wir erinnern ihn dann etwa, wann er zur Blutabnahme oder zum Röntgen kommen soll", berichtet die 33-Jährige. Die Schulungen seien dazu sehr hilfreich gewesen. "Wir hatten zwar schon Erfahrung, aber jetzt kennen wir auch die vielen lateinischen Begriffe. Ich kann jetzt auch alles verstehen, wenn sich zwei Ärzte unterhalten", sagt Ghoneim.
Das Wichtigste seien die Aufklärungsgespräche vor einer Operation, etwa mit dem Narkosearzt, ergänzt Ablieh. Darum unterschreibt der Dolmetscher ebenfalls auf dem Protokoll. Und wenn "Europe Health" neues Personal einstellt, müssen die Kandidaten einen Aufklärungsbogen übersetzen. "Wir haben hoch qualifizierte Leute, die zum Teil selbst Mediziner sind", so Ablieh. Die Dolmetscher sind häufig auch Mittler zwischen den Kulturen. "Manchmal muss man Überzeugungsarbeit leisten, wenn etwa die Unterbringung in einem Einzelzimmer nicht möglich ist. Auch die Familie des Patienten will meist schnell wissen, was als Nächstes passiert. Da müssen wir hin und wieder etwas bremsen."
Für das Universitätsklinikum gewinnen die ausländischen Patienten als zusätzliche Einnahmequelle zunehmend an Bedeutung. Auf einer mehrsprachigen Internetseite finden sich Informationen zu den medizinischen Einrichtungen und der Stadt, es gibt Broschüren in mehreren Sprachen, auch Arabisch. "Der Fokus unserer Marketingaktivitäten liegt derzeit auf den europäischen und russischsprachigen Ländern sowie den Golfstaaten", berichtet Klinikumssprecherin Kerstin Ammon. Zusammen mit Heidelberg-Marketing und einigen Hotels hat man sich auf Messen in einigen russischen Städten präsentiert.
Bei der Zusammenarbeit mit Dienstleistern wie "Europe Health" setzt das Klinikum auf Transparenz, denn in dem Gewerbe tummeln sich auch schwarze Schafe, die überhöhte Rechnungen ausstellen oder Wohnungen zu Wucherpreisen vermieten. Deshalb lasse man sich etwa die Preislisten der Dienstleister vorlegen, sagt Ammon. "Außerdem legen wir großen Wert darauf, dass die Behandlungsrechnung dem Patienten direkt zugestellt wird."