Im Vergleich zur ersten Kundgebung eine Woche zuvor kamen gestern schon fast dreimal so viele Menschen, um für das vereinte Europa einzustehen. Nächsten Sonntag geht es weiter. Foto: hen
Von Stefan Meyer
Heidelberg. Wenn am 15. März die Niederländer und am 23. April die Franzosen zur Wahlurne schreiten, droht der Europäischen Union nach dem "Brexit" das nächste Desaster. Mit Geert Wilders und Marine Le Pen führen zwei Nationalisten die Umfragen an, sowohl der "Nexit" als auch der "Fraxit" werden immer realistischer. Weit über 200 Heidelberger beschlossen, gestern ein Zeichen gegen diese Tendenzen zu setzen. Als Teil der Initiative "Pulse of Europe" versammelten sie sich auf dem Marktplatz und warben Hand in Hand für ein vereintes Europa.
Ihren Ursprung nahm die Bewegung im November in Frankfurt. Der Initiator, Rechtsanwalt Daniel Röder, versteht die überparteiliche und überkonfessionelle Initiative als "Reanimationsmaschine des europäischen Geistes", die die EU nicht verklären möchte und zu Reformen mahnt. Vor allem vertritt die Bewegung jedoch die Überzeugung, dass eine Rückkehr in den Nationalismus keine Lösung darstellt und das einmalige Friedensprojekt Europa auf keinen Fall scheitern darf. Mindestens bis zu den niederländischen Wahlen will sie dafür jeden Sonntag auf die Straße gehen.
Dass diese bundesweite Bewegung nun auch nach Heidelberg überschwappte, ist einer Gruppe von Studenten zu verdanken. Bei einem gemeinsamen Skiurlaub stießen sie in Freiburg zufällig auf "Pulse of Europe" und fuhren wenig später zu einer Kundgebung nach Karlsruhe. "Wir haben es uns dort angeguckt und dachten: Okay, das müssen wir irgendwie nach Heidelberg bekommen", verriet Thilo Hatscher. Der angehende Konferenzdolmetscher schwärmte von Europa als einem Ort, an dem sich Menschen unterschiedlichster Hintergründe friedlich begegnen und austauschen können. Doch diese Geisteshaltung sei europaweit auf dem Rückzug. "Das kann schwere Konsequenzen haben, sodass diese 72 Jahre Frieden, die wir jetzt zum Glück haben, zu Ende gehen", befürchtet der 25-Jährige.
In Heidelberg hat die proeuropäische Bewegung augenscheinlich einen Nerv getroffen: Nachdem sich bei der ersten Kundgebung am 12. Februar noch deutlich unter 100 Menschen versammelt hatten, hat sich die Anzahl eine Woche später bereits fast verdreifacht. Ob ausländischer Student oder alteingesessener Rentner, ob etablierter Parteipolitiker oder junge Aktivistin: Es waren die unterschiedlichsten Menschen, die am offenen Mikrofon ihre Stimme erhoben und zum Klang der Europahymne eine große Menschenkette um den Marktplatz bildeten.
Mit Annemieke Drummen und ihrem Freund waren auch zwei Niederländer dabei. "Ich finde es sehr wichtig, dass wir die europäische Freundschaft und Zusammenarbeit haben. Das möchte ich unterstützen", betonte die Altphilologin, die seit sieben Jahren in Deutschland lebt. Die aktuellen Umfragewerte in ihrem Heimatland überraschten sie nicht: "Viele Menschen sind unzufrieden. Sie lesen und hören in den Medien, dass es vielleicht etwas mit Europa zu tun haben könnte."
Thilo Hatscher rechnet zwar mit einem Kopf-an-Kopf-Rennen in den Niederlanden, gab sich aber optimistisch: "Ich glaube schon, dass es möglich ist, sich Gehör zu verschaffen, die proeuropäische Mehrheit zu mobilisieren und die Wahlen positiv zu beeinflussen - nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Frankreich und in Deutschland."
Info: "Pulse of Europe" versammelt sich jeden Sonntag von 14 bis 15 Uhr. Am 26. Februar weicht man einmalig vom Markt- auf den Universitätsplatz aus.