Wissenschaftsministerin Theresia Bauer unterstützt den "March for Science". Foto: privat
Von Stefan Meyer
Heidelberg. Wenn die türkische Regierung unliebsame Wissenschaftler ins Gefängnis wirft und das ungarische Parlament die Central European University zur Schließung zwingt, so ist das nur die Speerspitze dessen, was auch in globaler Hinsicht beobachtbar ist. Spätestens mit dem Aufkommen von "alternativen Fakten" ist klar: Sowohl die Freiheit als auch das Ansehen der Wissenschaft stehen unter Beschuss. Doch gegen diese Entwicklungen regt sich zunehmend Widerstand. Auch in Heidelberg gibt es Menschen, die nicht länger tatenlos zusehen wollen. Beim "March for Science" gehen sie am 22. April auf die Straße und demonstrieren - wie in mehr als 500 Städten weltweit - für eine freie und unabhängige Wissenschaft.
Die Idee zu diesem Marsch stammt ursprünglich aus den USA, hat aber auch hierzulande zahlreiche Anhänger gefunden. In Heidelberg wird die Veranstaltung von rund 20 Freiwilligen organisiert. Das Überraschende dabei: Nicht alle stammen aus der Wissenschaft, und kein einziger hat bislang eine Demo organisiert. Was sie stattdessen verbindet, ist die gemeinsame Überzeugung, dass die Freiheit der Wissenschaft verteidigt werden muss - und teilweise auch der "Women’s March", bei dem alleine in Heidelberg am 21. Januar 800 vor allem Frauen für ihre Rechte auf die Straße gingen.
"Ich glaube, das hat viele Leute motiviert", vermutet Eva Haas. Die Menschen hätten gemerkt, dass vielen anderen die politische Weltlage ebenfalls nicht egal sei, und es sehr einfach sei, etwas zu starten. "Wir müssen einfach nur laut sagen, dass wir etwas tun wollen, und müssen uns nur gegenseitig finden", erklärt die Biologin. Auch Daniela Kreuzer wurde durch den "Women’s March" vor gut drei Monaten wach gerüttelt. "Es ging schon länger durch meinen Kopf: Nein, du kannst jetzt nicht länger daheimsitzen bleiben. Gerade, wenn man verfolgt, was auf der Welt momentan so los ist. Du musst dich mehr als Bürger einbringen", verrät die Betriebswirtin im Gespräch mit der RNZ.
Mit dem "March for Science" verbinden Eva Haas und Daniela Kreuzer eine ganze Reihe von Zielen und Hoffnungen. So wollen sie die Bedeutung der Wissenschaft für die Gesellschaft wieder stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Sie wollen Wissenschaftlern zeigen, dass ihre Arbeit eine Wertschätzung erfährt. Sie wollen die Bedeutung von Fakten im privaten wie politischen Diskurs betonen. Sie wollen Wissenschaft, Forschung und kritisches Denken gegen politische Einflussnahme verteidigen. Und nicht zuletzt verbinden sie mit dem "March for Science" auch die Idealvorstellung eines mündigen Bürgers, der um die Methoden der Wissenschaft weiß, Forschungsergebnisse einordnen kann und in den aktiven Dialog mit den Wissenschaftlern tritt.
Vor allem aber ist ihnen wichtig, dass sie nicht gegen, sondern für etwas protestieren. "Wir sind nicht gegen Trump, wir sind nicht gegen Erdogan. Wir wollen nicht gegen irgendjemand oder irgendetwas laufen, sondern ein positives Zeichen setzen und für etwas demonstrieren, was uns am Herzen liegt. Wir sind für die Wissenschaft, weil wir sie toll finden und brauchen", betonen die Aktivistinnen. In diesem Sinne laden sie explizit auch Nicht-Wissenschaftler ein, sich dem "March for Science" anzuschließen. "Unsere Botschaft ist viel authentischer, wenn sie die Bürger aus der Region mittragen", betont Eva Haas.
Info: Der Heidelberger "March for Science" beginnt am Samstag, 22. April, um 15 Uhr am Friedrich-Ebert-Platz und endet mit einer Abschlusskundgebung am Universitätsplatz.