Von Karin Katzenberger-Ruf
Bergheim/Wieblingen. "Etwas Vergleichbares gibt es nur an der Loire", ist Karl-Friedrich Raqué überzeugt, wenn der Naturschutzbeauftragte der Stadt und langjähriges Mitglied im Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) über das Naturschutzgebiet "Unterer Neckar" spricht. Dieser Rückzugsraum für seltene Arten zieht sich in Heidelberg entlang der Stadtteile Bergheim und Wieblingen und besteht in diesem Jahr seit 30 Jahren. Ein Blick in die Geschichte.
Die Charakteristik des Schutzraumes als Fauna- und Flora-Habitat (FFH) sei einzigartig, sagt Raqué, der als Doktorand der Universität schon Ende der 1970er Jahre erste Gutachten verfasst hat, die mit zur Schutzverordnung für das Gebiet beitrugen. Das Naturschutzgebiet ist Rückzugsraum für rund 748 Tier- und Pflanzenarten. Den Status als FFH-Gebiet hat der Altneckar seit dem Jahr 2000. "Man muss schon weit fahren, um eine vergleichbare Aue mit solchen Binsen und Schilfbeständen zu finden", sagt die Biologin Regine Buyer, BUND-Vorsitzende des Ortsverbands Wieblingen, zur RNZ.
Seit 1986 gibt es konkrete Planungen für das Natur- und Landschaftsschutzgebiet Unterer Neckar, das aus sechs Naturschutzgebieten und fünf Landschaftsschutzgebieten besteht. Es hat eine Größe von etwa 735 Hektar. Die Größe der sechs Naturschutzgebiete ist mit 187 Hektar angegeben. Im Wesentlichen wird das Gebiet von den Hochufern und Dammanlagen des Neckars und Altneckars sowie des Kanals begrenzt. Es reicht vom Wieblinger Wehr in Heidelberg im Osten bis zur Mündung in den Rhein in Mannheim im Westen.
Im Jahr zuvor war in der RNZ vom "Ausverkauf der Natur" zu lesen: "Das projektierte Naturschutzgebiet am Unteren Neckar zwischen Heidelberg und Mannheim droht an der Lobby von Sportfischern und Gemeinden zu scheitern. Mit der Forderung, die fünfte Neckarbrücke bei der Planung zu berücksichtigen, hat die Stadt Heidelberg das Naturschutzgebiet am Wieblinger Altneckar endgültig preisgegeben", heißt es darin. Wenige Wochen zuvor hatte die CDU Wieblingen das Natur- und Landschaftsschutzgebiet auf der Tagesordnung stehen und es als "Regenerationszone von hoher Qualität" eingestuft.
Auch Anfang der 1990er Jahre war der Alt-Neckar oft Thema der Berichterstattung. "Wo der Eisvogel brütet, rücken bald die Bagger an", lautete die Botschaft 1993. Demnach sollte schon zu diesem Zeitpunkt "der Hochwasserabfluss im Inselbereich des Altneckars westlich des Wieblinger Wehrs nach neu gewonnenen Erkenntnissen wieder in Angriff genommen werden." Ein erstmaliger Versuch 1992 sei unter dem Druck der Öffentlichkeit und des Naturschutzbundes abgebrochen worden, heißt es weiter. Dass der Altneckar zwischen Wieblingen und Mannheim 1987 unter Naturschutz gestellt worden sei, bedeute, dass dort - streng genommen - keinerlei Eingriffe mehr vorgenommen werden dürften. Stattdessen forderte der BUND wenige Wochen später einen Pflegeplan für den Altneckar.
Um diese "landschaftlichen Begleitmaßnahmen" ging es auch 1995. Damals sollte die verlandete "Schlut" geflutet werden. Eine "Schlut" ist die schlammige Rinne in einer Flussaue, die nur bei Hochwasser überflutet wird. Damals ging es nach einem Hochwasser um die Landschaftspflege in Verbindung mit dem Ausbau des Neckarkanals. Der Altneckar sah zu dem Zeitpunkt offenbar gar nicht gut aus. Massenweise Müll war angespült worden, Papier und Plastikfetzen hatten sich in den kahlen Bäumen verfangen.
Schon im Juli 1963 hatte die RNZ den Neckarinseln eine ganze Seite gewidmet. Zu jener Zeit gab es auch noch eine Brücke vom Neuenheimer Feld nach Wieblingen für die Gütertrasse der OEG. Die Insel zwischen jener Brücke und dem Wehrsteg wird in dem Artikel zum "Dorado unserer gefiederten Sänger, die sich dort in Scharen niedergelassen haben." Im Schilfgürtel treffe der Vogelfreund viele Wasservögel wie das Deichhuhn, die Zwergrohrdommel sowie die verschiedensten Arten der Taucher und Rohrsänger an. "Dieses idyllische Vogelreich, das im Innern noch einen kleinen Tümpel beherbergt, wird zum Glück wenig besucht. Es ist weitgehend von unwegsamem Gestrüpp bedeckt", stellte der Kollege fest und mahnte schon damals: "Man sollte diese Inselwelt zum Naturschutzgebiet erklären."