Es läuft viel falsch auf dem Wohnungsmarkt
Experten diskutierten bei der Jahreshauptversammlung des Mietervereins – Der Bund muss sich endlich wieder stärker einbringen

Klaus Stütz, Christoph Nestor, Rolf Gassmann (Landesvorsitzender), Mathias Günther (Wohnungsexperte des Pestel-Instituts), Florian Pronold (Staatssekretär im Bauministerium), Lothar Binding, Rosi Kirsch, Stephen Dörr und Annett Heiß-Ritter (v.l.) diskutierten bei der Jahreshauptversammlung des Mietervereins. Foto: Alex
Von Maria Stumpf
"Mehr und auch bezahlbare Wohnungen in der Stadt" hat der Mieterverein Heidelberg längst als politisches Leitthema in den Vordergrund gerückt. Im Anschluss an die Jahresversammlung war das Thema deshalb eingebunden in eine Veranstaltung mit Fachleuten zur Wohnungspolitik der Bundes- und der Landesregierung. Denn der soziale Wohnungsbau liegt seit zehn Jahren in der Verantwortung der Länder.
Der Mieterverein warte auf die Konkretisierung und Umsetzung der Vorgaben im "Handlungsprogramm Wohnen", das der Gemeinderat bereits beschlossen hat, so Christoph Nestor vom Mieterverein (die RNZ berichtete). "Und für alle Beteiligten ist klar, dass die notwendige sozial verantwortliche Wohnungspolitik in Heidelberg ohne die Unterstützung von Bund und Land ökonomisch nicht durchgehalten werden kann." Rund 60 Gäste waren in die Halle 02 gekommen. Die Moderation übernahm der Vorsitzende des Mietervereins, der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding. Auf dem Podium saßen Florian Pronold, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesbauministerium, Rolf Gassmann, Landesvorsitzender des Mieterbunds, und Matthias Günther, Wohnungsmarktexperte des Pestel-Instituts, das Dienstleister für Kommunen, Unternehmen und Verbände ist.
Pronold ging gleich in die Offensive: Nach seiner Einschätzung sind die steigenden Mieten in den Ballungsräumen bis hinein in die Mittelschicht ein Problem. "Das hat nichts mehr mit Hartz IV zu tun." Das Bauministerium habe die Herausforderungen zwar aufgegriffen und mit der Verdreifachung der sozialen Wohnraumförderung auf 1,5 Milliarden Euro den Ländern "freiwillig" die Mittel gegeben, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. "Doch die haben daraufhin ihren eigenen Beitrag gesenkt." Er wünsche sich mehr Kompetenzen für den Bund und "mehr Formen der Gemeinnützigkeit für das Gemeinwohl". Den Kommunen "muss auch etwas an die Hand gegeben werden gegen Bodenspekulanten", er wünsche sich "Stellschrauben bei den explodierenden Baukosten".
Mit Gassmann lag er da auf einer Linie. "Auch das Land Baden-Württemberg hat Mittel für den sozialen Wohnungsbau gekürzt. Eine untragbare Situation." Die Zahl der mietgebundenen Wohnungen habe 2014 noch bei 63.000 Einheiten gelegen, nehme aber kontinuierlich ab. Auch weil in diesem Jahr bei fast 3000 Wohnungen die Mietpreisbindung auslaufe. "Man muss also neu bauen", so Gassmann. Außerdem forderte er mietpreisbegrenzende Maßnahmen wie die Herabsetzung der Kappungsgrenze oder ein Zweckentfremdungsverbot. "Wir brauchen also auch in Zukunft eine aktive Rolle des Bundes bei der sozialen Wohnraumförderung. Diese Aufgabe ist zu wichtig, um sie allein den Ländern zu überlassen." Eine gute Nachricht hat er auch: Nach jüngsten Ergebnissen des F+B-Mietspiegelinstituts sei man in Heidelberg unter den teuersten Städten von Rangliste elf auf Rang 15 gerutscht. Die durchschnittliche Miete bei Angeboten liegt jetzt bei 9,90 Euro pro Quadratmeter.
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Mathias Günther vom Pestel-Institut beschrieb den Wohnungsmarkt in Deutschland und dessen Bedarfssituation und teilte in vielem die Aussagen seiner Vorredner. Die Armutsgefährdungsquote steige und das habe auch Auswirklungen auf den Wohnungsmarkt in Ballungsgebieten. Zusätzlich drängten Armutsemigranten aus Osteuropa in die Städte.
Aber: "Wer im Niedriglohnsektor arbeitet oder nur Zeitverträge und ein geringes Einstiegsgehalt bekommt, hat keine Möglichkeit, sich ein schönes Häuschen auf dem Land zu bauen."