Von Holger Buchwald
Die Diskussion um die Kneipenöffnungszeiten in der Kernaltstadt geht weiter. Während viele in der Stadtverwaltung hinter vorgehaltener Hand sagen, dass der Gemeinderatsbeschluss vom Dienstag vor Gericht wohl keinen Bestand haben wird, wird die neue Sperrzeitsatzung für den Bereich zwischen Bauamtsgasse und Karlsplatz sowie Neckar und Plöck/Seminarstraße/Zwingerstraße am Mittwoch im Stadtblatt veröffentlicht. In diesem Areal dürfen die Gaststätten dann ab 1. Januar 2017 werktags nur noch bis 2 Uhr statt vorher 3 Uhr öffnen. Die einzige Ausnahme unter der Woche ist die Nacht zum Freitag: An diesem langen "studentischen Donnerstag" dürfen die Lokale bis 4 Uhr morgens ihre Gäste bewirten, ebenso wie am Wochenende, in der Nacht zum Samstag und Sonntag. Bislang begann am Wochenende die Sperrzeit um 5 Uhr.
> Die Wirte jubelten direkt nach der Abstimmung, ebenso wie die Vertreter der studentischen Initiative "Lebendige Altstadt für alle", die in den letzten Tagen kräftig die Werbetrommel für liberale Kneipenöffnungszeiten gerührt hatte. Unterdessen erreichten die RNZ-Stadtredaktion viele weitere Reaktionen zu diesem polarisierenden Thema:
> Karl Breer, Vorsitzender der Fraktionsgemeinschaft FDP/Freie Wähler verteidigte die Entscheidung des Gemeinderats, die auf einem Antrag der FDP fußt. "Uns hat eingeleuchtet, dass es in den Sommermonaten, wenn es bis 22.30 Uhr hell ist und die Gäste erst nach der Dämmerung die Kneipen besuchen, wenig Sinn macht, bereits um 1 Uhr zu schließen", sagt Breer. Auch die Bitte der Studenten habe man erfüllt, den für sie so wichtigen Donnerstagabend nicht bereits um 1 Uhr zu beenden. "Wir nehmen den Studierendenrat beim Wort, sich sehr aktiv für den Lärmschutz einzusetzen."
> Karin Werner-Jensen, Vorsitzende des Vereins Alt-Heidelberg, ärgert sich über die Entscheidung. Noch im Bezirksbeirat habe die Stadtverwaltung den Altstädtern versprochen, keinen Beschluss anzuerkennen, der hinter dem Vorschlag der Verwaltung (1 Uhr werktags und 3 Uhr am Wochenende) zurückbleibe und ihn ansonsten dem Regierungspräsidium zur Prüfung vorzulegen. Ermessensspielraum habe der Gemeinderat nur im Sinne verkürzter Kneipen-Öffnungszeiten. "In kürzester Zeit haben sich nun lautstark Studenten gegen diese Beschlusslage gewehrt. Die Bewohner mit ihrem jahrelangen Engagement für eine lebenswerte Stadt hatten keine Chance mehr." Jetzt könnten die Anwohner nur weiter klagen. Den Unterstützern des FDP-Antrags wirft Werner-Jensen "Ignoranz gegenüber der Bürgerschaft" vor: "Und der Oberbürgermeister verschiebt die Entscheidung auf das Gericht zulasten und auf Kosten der Altstädter. Wie sollen die Bürger da noch Vertrauen in eine Verwaltung und einen Gemeinderat haben?"
> Doris Hemler und Martin Kölle, Sprecher von Linda, reagieren mit Sarkasmus: "Der Gemeinderat demonstriert in seiner Mehrheit Rücksichtslosigkeit. Aber das entspricht ja dem Zeitgeist. Hauptsache Mainstream, Sachverstand Ade! In diesem Sinn: Prosit!"
> Christian Zacherle, Leiter des Polizeireviers Mitte, zeigte sich ebenso erstaunt über die Gemeinderatsentscheidung. Ob die jetzt beschlossene Regelung zu einer Verbesserung der Situation führt, bleibe abzuwarten. "Sollten allerdings nach dem Prüfauftrag des Gemeinderates an die Stadtverwaltung zusätzlich noch die drei Clubs in der Altstadt erst um fünf Uhr schließen dürfen, dann werden sich die hohen Lärmwerte mit großer Sicherheit nicht verbessern."