Fachhistorikerin Ilona Scheidle erklärt im Palais Graimberg die Geschichte der Pionierin Maria von Graimberg. Foto: Dorn
Von Florine Miez
Heidelberg. Seit über 20 Jahren bietet die Historikerin Ilona Scheidle Stadtführungen zum Weltfrauentag an - so auch am Mittwoch. Auf Einladung der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen Heidelberg ging es mit zwölf interessierten Zuhörerinnen durch die Altstadt - zu Orten, wo Heidelberger Pionierinnen aus allen Bereichen einst wirkten. "Anfang der 90er Jahre war das noch ein Affront, diese Führung anzubieten", erinnert sich Scheidle: "Dabei geht es beim Weltfrauentag doch um ethische und sexuelle Vielfalt." Die RNZ stellt einige der spannenden Heidelbergerinnen vor.
Die Pionierin weiblicher Berufstätigkeit: Maria von Graimberg (1879 bis 1965) setzte sich dafür ein, dass das Gebäude am Kornmarkt, das heute Palais Graimberg heißt, zu einer sozialen Frauenschule wurde. Auch war sie Mitbegründerin des Berufsverbandes katholischer Sozialbeamtinnen in Deutschland. In der NS-Zeit nahm sie Juden in der Schule auf, um sie vor Deportationen zu schützen. "Für Maria von Graimberg stand zur NS-Zeit eine Frage im Vordergrund: Wie viel Anpassung ist überhaupt nötig? Nur das Nötigste wurde dann auch umgesetzt", sagt Scheidle. So wurden die Lehrpläne der Schule an den nationalsozialistischen Unterricht angepasst, auch wenn diese Inhalte nicht mit der religiösen Bedeutung der Schule übereinstimmten. Später wurde von Graimberg Ehrenbürgerin der Stadt. Das Palais wurde zur ersten Schule, an der sich katholische Frauen in sozialen Berufen ausbilden lassen konnten.
Die Oberbürgermeisterin: Beate Weber war die erste Oberbürgermeisterin - nicht nur Heidelbergs, sondern in ganz Baden-Württemberg. Während ihrer Amtszeit von 1990 bis 2006 setzte sie sich für die Präsenz von Frauen im öffentlichen Dienst ein - und etablierte das Amt für Frauenfragen. "Weber steht für eine Kultur von Weiblichkeit in der Öffentlichkeit", sagt Scheidle am Rathaus über die SPD-Politikerin.
Die Kauffrau: Dorothea Delph (1730 bis 1808) lebte und arbeitete in der Hauptstraße 185. Gewerberegeln spielten für die Kauffrau keine Rolle: Sie verkaufte Stoffe und verbotenerweise auch Getränke und Tabak. Bekannt wurde sie als Freundin von Johann Wolfgang von Goethe. Die Unternehmerin war unterdessen auch in geheime diplomatische Aktivitäten verwickelt, denn sie stand in Verbindung mit der preußenfreundlichen Partei am Mannheimer Hof. Das Haus erwarb sie mit ihrem eigenen Geld, ungewöhnlich für eine alleinstehende Frau im 18. Jahrhundert.
Der erste Frauenbuchladen: Die Geschichte der Krämergasse 14 ist nicht mit einer bestimmten Frau verbunden, sondern mit mehreren. Dort war von 1974 bis in die 80er der erste Heidelberger Frauenbuchladen - ganz in der Tradition der autonomen Frauenbewegung. Diese beschäftigte sich mit der Selbstdefinierung von Frauen ganz unabhängig von Männern. Der Laden war gemacht von Frauen für Frauen, Männer waren nicht erwünscht. Inzwischen gibt es deutschlandweit nur noch vier Frauenbuchläden.
Die Vorreiterinnen an der Universität: Rahel Straus war ab Mai 1900 die erste Medizinstudentin in Heidelberg, die nicht nur den Status einer Gasthörerin innehatte - wie die Frauen vor ihr. Sie war die erste "ordentliche" Studentin. "Um an den Vorlesungen teilnehmen zu dürfen, musste sie sich eine Genehmigung von den Professoren holen", erzählt Scheidle. Straus wurde Ärztin und engagierte sich als Sozialarbeiterin, Frauenrechtlerin und Zionistin. Auch die Chemikerin Marie Baum (1874 bis 1964) gehört zu den bedeutenden Frauen der Universitätsgeschichte. Die Sozialpolitikerin fiel vor allem durch ihr politisches Engagement auf. Sie machte auf die langen Arbeitszeiten und die niedrigen Löhne für Frauen aufmerksam. "Wenn sie unqualifizierte männliche Vorgesetzte vor sich hatte, konnte es schon mal passieren, dass sie einfach den Raum verließ", sagt Scheidle über die Chemikerin.
Die erste Ehrenbürgerin: Anna Blum (1843 bis 1917) war Funktionärin des Badischen Frauenvereins, Stifterin von Frauenhilfseinrichtungen im Großherzogtum Baden und die erste Ehrenbürgerin der Stadt. Blum spendete Immobilien an die Stadt, die ein Alters- und ein Erholungsheim für Frauen werden sollten - daraus wurde allerdings nicht. Nun ist am Anna-Blum-Haus wenigstens eine Gedenktafel an die Stifterin angebracht.