"Auf den einzelnen Menschen geht die Medizin zu wenig ein"
Dr. György Irmey: "Nicht nur der Krankheitsbefund zählt" - Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr lädt zum Patienten-Arzt-Kongress am 18. und 19. Mai

Dr. György Irmey ist Ärztlicher Direktor der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr in Heidelberg. Foto: Hentschel
Von Birgit Sommer
Heidelberg. "Selbstbestimmt entscheiden" ist das Motto des 19. Patienten-Arzt-Kongresses der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr (GfBK) im Mai in Heidelberg. Der renommierte Medizinethiker Prof. Giovanni Maio etwa referiert dort über das Thema "Vertrauen in Arzt und Therapie", die Molekularbiologin Dr. Claudia Friesen und der Mediziner Dr. Hans-Jörg Hilscher berichten über Erfahrungen mit Methadon in der Krebstherapie. Die RNZ sprach im Vorfeld der Veranstaltung mit dem Ärztlichen Direktor der GfBK, Dr. György Irmey.
Herr Dr. Irmey, krebskranke Patienten werden auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse behandelt, manche schon mit Medikamenten, die auf Tumor und Patient zugeschnitten sind - mit personalisierter Medizin. Aber viele Patienten wünschen sich auch darüber hinaus Anregungen, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen können?
Was die personalisierte Medizin betrifft, gibt es vielfältige Ansätze in diese Richtung, die sich allerdings bislang nur bei wenig Tumorarten deutlich wirksam zeigen. Wenn ich von individueller und persönlicher Behandlung spreche, geht es darum, den Menschen als Einheit von Körper, Geist und Seele wahrzunehmen. Auf den einzelnen Menschen wird in der Medizin noch zu wenig eingegangen.
Wie meinen Sie das?
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Beim Tumorboard der Ärzte aller Fachrichtungen werden zum Beispiel Krebsfälle ohne den Patienten besprochen. Aber es zählt ja nicht nur der Krankheitsbefund, sondern die Konstitution des Patienten, der soziale Kontext oder welche Belastungen jemand hat. Das sind Faktoren, die beim Krebsgeschehen mitmischen und die wichtig sind im Hinblick auf das, was Patienten für sich selbst und ihre Gesundung tun können.
Warum glauben Sie so sehr an die inneren Heilkräfte eines Menschen?
Es gibt viele wissenschaftliche Untersuchungen, dass Menschen über innere Heilkräfte und über Vorstellungen etwas in ihrem Organismus bewegen können. Dagegen sagen Studien über moderne Medikamente wie Antikörper oder Checkpoint-Inhibitoren, dass die Überlebenszeit durchschnittlich nur sehr bescheiden verbessert werden kann. In einer Studie, die 2017 im British Journal of Medicine veröffentlicht wurde, bewerteten die Forscher 48 Krebsmedikamente, die von 2010 bis 2013 für 68 Indikationen zugelassen wurden. Lediglich bei sieben Medikamenten gab es Hinweise auf eine Verbesserung der Lebensqualität. Bei den 24 Indikationen mit Überlebensvorteil betrug der Lebenszeitgewinn zwischen einem und 5,8 Monaten. Natürlich kann es auch einmal zu einem Stillstand des Tumorwachstums kommen. Wenn ich sage, das sehen wir auch manchmal unter einer Misteltherapie, dann bin ich sofort esoterisch.
Welchen Einfluss hat denn die psychische Widerstandskraft auf das Krebsgeschehen?
Was wir sagen können, ist, dass es Menschen besser geht, die versuchen, sich aktiv mit dem Krankheitsprozess auseinanderzusetzen und die etwas tun, sich etwa um Bewegung und Ernährung kümmern. Man hat die Zusammenhänge lange geleugnet, aber heute sagt man auch bei Chemotherapie, dass sich Patienten schnell wieder bewegen sollen. Wir eröffnen Chancen.
Beim Kongress ist viel Spirituelles im Angebot: heilsame Kräfte von Sprache und Singen, Visualisierung, Selbsthypnose, Atembewegung, Lachyoga ...
Unsere Sprache benutzen wir täglich, wir atmen in jeder Sekunde, Kinder lachen 400 Mal am Tag. Humor ist sowieso etwas, was in der Medizin fehlt. Was wir anbieten, sind Möglichkeiten, mit denen Betroffene etwas tun können, womit sie sich wohlfühlen, womit sie ihre gesunden Zellen unterstützen können. Und diese kosten auch kaum Geld, höchstens Zeit.
Was ist für Sie das spannendste Thema des Kongresses?
Für mich sind das die Patienten, die besondere Wege gehen. Wir haben ja viele Patienten dabei, die von dem berichten, was sie tun. Dafür gibt es zum Beispiel den Raum der Heilsamen Begegnung, ähnlich wie bei einer Selbsthilfegruppe. Auch unter den Dozenten befinden sich teilweise Betroffene, dazu kommen Ärzte und Psychologen, die sich in eine ganzheitliche Richtung bewegen.
Ich dachte, Sie finden etwa das Methadon-Thema spannend.
Das ist eine Möglichkeit, die noch sehr viel intensiver erforscht werden muss, und ich bedaure, dass die Medizin sich dem noch verschließt. Methadon ist ein Mittel, das im späten Stadium der Erkrankung eingesetzt werden kann, etwa gegen Schmerzen, aber es gibt auch Hinweise, dass Methadon resistente Tumorzellen wieder empfindlich für die Chemotherapie machen kann.
Der Verein "Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr" existiert seit 37 Jahren. Was hat sich in dieser Zeit bei den Patienten geändert?
Das Bewusstsein der Menschen für Gesundheit hat heute eine ganz andere Qualität. Sie wissen, dass Ernährung, Bewegung und Lebensstil die Gesundheit beeinflussen können. Andererseits sind heute die Belastungen, was Umwelt und Psyche betrifft, höher. Was mir Sorgen macht: Zunehmend erkranken junge Menschen an Krebs, etwa Frauen an Brustkrebs.
Haben Sie dafür eine Erklärung?
Für mich ist eine Krebserkrankung immer ein individuelles Aneinanderreihen verschiedener Belastungen, von konstitutionellen und genetischen Faktoren, seelischen Einflüssen bis hin zum sozialen Umfeld.
Info: 19. Patienten-Arzt-Kongress der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr, 18. und 19. Mai, Print Media Academy. Vorträge und Seminare kosten ab 40 Euro, für Mitglieder ab 30 Euro. Mehr unter: www.biokrebs-kongress.de.