An immer mehr Buchen müssen die Eberbacher Stadtförster Joachim Maier und Christl Hock Krankheiten wie „Sonnenbrand“ feststellen, bei denen sich die Rinde vom Stamm ablöst. Foto: Barbara Nolten-Casado
Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach. Wie mit Pockennarben übersät zeigt sich die Buche, die Stadtförsterin Christl Hock vor Kurzem im Wald oberhalb von Neckarwimmersbach aufgefallen ist. "Als ich mich daraufhin genauer umsah, entdeckte ich innerhalb weniger Minuten eine ganze Reihe von Bäumen mit den gleichen Auffälligkeiten", berichtet sie. Ausgelöst durch Trockenstress und Pilzbefall habe sich bei den Buchen eine Vielzahl von Symptomen entwickelt, die sogenannte Komplexkrankheit.
"Die Rinde platzt auf, es entstehen Nekrosen und innerhalb weniger Wochen oder Monate sterben die Bäume ab." "Das ist erschreckend für uns, das kannten wir nicht bei Baumarten wie der Buche, die bisher als unverwüstlich galten", erläutert Hocks Ehemann, der kommissarische Leiter der Eberbacher Stadtförsterei Joachim Maier. Andere Buchen seien durch "Sonnenbrand" gefährdet. Auch hierbei platze die Rinde auf, Holz zersetzende Pilze könnten eindringen und sorgten dann dafür, dass der Baum absterbe.
"Gesunde Bäume können sich eine Zeitlang den Schadorganismen widersetzen", erklärt Maier. Doch seien sie nun durch die Dürreperioden der vergangenen Sommer und den daraus resultierenden Wassermangel im Boden geschwächt. Borkenkäfer und andere Insekten hätten dann leichtes Spiel. "Dabei ist nicht der Borkenkäfer an sich das Problem", sagt Maier, "sondern die große Zahl an Käfern und der Zustand der Bäume, die sich nicht wehren können". Und nicht nur Buchen sind vom um sich greifenden Baumsterben bedroht.
"Dem Eberbacher Wald geht es nicht gut", lautet die ernüchternde Bilanz der beiden Stadtförster. Zwar stehe man im Vergleich zu anderen Regionen in Deutschland noch relativ gut da, aber "es wird spürbar schlimmer". Trockenschäden, Insektenfraß, Pilze, Viren und Bakterien setzten dem Wald immer mehr zu. "Am stärksten betroffen sind die Fichten, sie werden Prognosen zufolge nahezu aus unseren Wäldern verschwinden", befürchtet Maier. Inzwischen seien auch die Buchen betroffen, Ulmen seien bereits praktisch ausgestorben. "Eschen sind auch fast alle weg in unserem Revier und die Kiefer beginnt ebenfalls Probleme zu bekommen" fügt Christl Hock hinzu.
"Sogar die Eichen fangen an, unter der Trockenheit zu leiden. Sie reagieren mit Wurzelreduktion. Das sieht man von außen nicht. Sie fallen dann einfach um." Die Schadholzmenge betrug im Eberbacher Stadtwald im Jahr 2020 insgesamt 3800 Festmeter – immerhin weniger als in den beiden Jahren zuvor.
Als "Urgrund" für die vielen verschiedenen Schadfaktoren, die den heimischen Baumarten zum Verhängnis werden können, sehen Maier und Hock den Klimawandel. Viele Schädlingen kämen "mit dem Klimawandel", zum Beispiel Insekten aus anderen Teilen der Erde, die nun hier aufgrund der wärmeren Witterung gute Lebensbedingungen vorfänden und zum Teil noch keine natürlichen Feinde hätten. "Bäume können nicht so schnell reagieren, sie sind sehr träge Lebewesen", erläutert die Försterin. "Insekten und Pilze können sich dagegen sehr schnell vermehren."
Bei den Maßnahmen gegen das Baumsterben steht für die Eberbacher Förster die "saubere Waldwirtschaft" im Mittelpunkt. "Sobald wir zum Beispiel Schädlingsbefall feststellen, wird das geschädigte Holz so schnell wie möglich entfernt, damit keine Gefahr mehr davon ausgeht", erklärt Christl Hock. Wichtig sei auch, "in Dauerbestockung" zu bleiben, das heißt, immer einen Schirm aus verschieden hohen Bäumen über jungen nachwachsenden Bäumchen zu haben, die diese vor starker Sonneneinstrahlung, Hitze, Trockenheit oder auch Frost schützen. Sei ein Hang erst einmal kahl, sei die Wiederaufforstung mühsam.
"Ich glaube, dass wir in Zukunft nicht mehr den Wald haben werden, wie wir ihn derzeit kennen", zeigt sich Hock überzeugt. Andere Baumarten würden die bisherigen ersetzen, es werde weniger Fichten geben, dafür vielleicht mehr Douglasien und andere "Fremdländer" wie zum Beispiel trockenheitsresistente Atlaszedern. "Wir müssen experimentieren, um herauszufinden, was hier wächst. Das ist eine Generationen- oder sogar Jahrhundertaufgabe."
Denn eines steht fest: Der Klimawandel bedroht nicht nur das Ökosystem Wald als Lebensraum für seine gesamte Artenvielfalt, sondern er bedroht den Wald auch in seiner Bedeutung als Erholungsraum des Menschen sowie in seiner Boden- und Wasserschutzfunktion.
Was kann jede und jeder Einzelne tun, um Klima und Wald zu schützen? "Den CO2-Ausstoß verringern, sich etwas einschränken in seinem Konsum", meint Christl Hock. "Und die Natur respektieren: Ich muss nicht jedes Fleckchen Wildnis für mich in Anspruch nehmen."