Jesus am Kreuz in der Kirche mit Lichtstrahl aus Buntglas. Foto: Getty Images
Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach/Schönbrunn/Hirschhorn. Seit Langem brodelt es an der Basis der katholischen Kirche. Der Umgang mancher Kirchenoberen mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Kirche lässt immer wieder zu wünschen übrig. Für Aufsehen sorgten in den vergangenen Wochen und Monaten die Vorkommnisse im Erzbistum Köln. Vertuschungsvorwürfe gegen Kardinal Rainer Maria Woelki in einem Missbrauchsfall und die Tatsache, dass er ein 2018 selbst beauftragtes Gutachten zum Missbrauchsskandal in seinem Bistum unter Verschluss hält, veranlassen unzählige Gläubige dort, ihrer Kirche endgültig den Rücken zu kehren.
Reichen die Wellen der Entrüstung im Erzbistum Köln auch bis in den Südwesten der Republik? Wir haben bei hiesigen Pfarrern nachgefragt.
Pfarrer Pavo Ivkic.Foto:Nolten-Casado"Nein, ich höre kaum etwas davon", berichtet der Leiter der Seelsorgeeinheit (SE) Edith Stein und Pfarrer von Eberbach, Pavo Ivkic. Die Kirchenaustritte lägen im normalen Rahmen. Als Austrittsgründe ständen nicht die Missbrauchsfälle innerhalb der Kirche im Vordergrund, sondern vielmehr, dass Menschen sich innerlich von der Kirche entfernt hätten und Kirchensteuer sparen wollten. Was die aktuelle Situation im Bistum Köln betrifft, vermutet Ivkic, dass es wohl "mehr um eine Jagd auf die Person Woelki als um Objektivität" gehe. "Die Situation ist wohl etwas komplizierter, nicht schwarz-weiß. Da hat doch niemand von uns wirklich Einblick", warnt er vor vorschnellen Verurteilungen. Insgesamt gesehen sind die zahlreichen Missbrauchsfälle in der Kirche für Ivkic "unbegreiflich – ich kann das nicht nachvollziehen". Schließlich war er selbst Schüler in einem Internat und "ich habe nie solche schlimmen Dinge erlebt oder mitbekommen".
Insgesamt vertraut Pfarrer Ivkic der "oberen Instanz und dass sie wissen, was sie tun", auch wenn "in der Kirche jeder Weg ein bisschen mühsam ist und Zeit braucht".
Pfarrer Josef Dorbath. Foto: privatAuch Pfarrer Josef Dorbath, Leiter der SE Aglasterhausen-Neunkirchen, zu der auch Schönbrunn gehört, konnte keine vermehrten Kirchenaustritte in den zurückliegenden Wochen und Monaten verzeichnen. Und bei denen, die es gab, waren die Geschehnisse in Köln "nie ein Thema". Zwar habe er durch Corona weniger Kontakt zu den Menschen seiner Gemeinden. Aber aus den Gesprächen, die er in letzter Zeit führte, weiß Dorbath: "Das in Köln ist kein Thema, das die Leute beschäftigt. Da steht Corona mehr im Vordergrund." Auch er selbst möchte sich zu den Vorwürfen gegen Kardinal Woelki nicht äußern: "Dazu bin ich zu wenig informiert." Und auch wenn es bei der Aufarbeitung des Missbrauchsthemas in der Kirche an vielen Stellen noch ruckelt, bricht Dorbath doch eine Lanze für seine Glaubensgemeinschaft. "Natürlich sind Fehler im Umgang damit geschehen. Aber ich glaube, die Dinge werden aufgedeckt", zeigt er sich überzeugt. Im Übrigen sieht der Pfarrer das Missbrauchsthema eher als gesamtgesellschaftliches Problem, das in Familien und Vereinen genauso präsent sei wie in der Kirche. "Allerdings haben wir in der Kirche einen anderen moralischen Anspruch an uns. Da ist sowas natürlich besonders schlimm." Doch er erinnert auch an die vielen Maßnahmen, mit der die katholische Kirche Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, Alten und Behinderten künftig verhindern will. "Alle Personen, die in unserem Namen einen Dienst übernehmen und mit Schutzbefohlenen zu tun haben, müssen zum Beispiel ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Und vor Freizeiten mit Übernachtungen von Ministranten oder Kommunionkindern, etwa auf einer Hütte, müssen die Begleitpersonen an einer Schulung durch den Präventionsbeauftragten des Dekanats teilnehmen."
Pater Joshy.Foto: Nolten-CasadoEtwas härter geht der Hirschhorner Pfarrer und Leiter der Pfarrgruppe Neckartal, Pater Joshy, mit dem Missbrauchsthema ins Gericht. Doch kann auch er keine vermehrten Kirchenaustritte in letzter Zeit erkennen. Zweifel am Aufklärungswillen der Kirchenoberen nimmt er eher seitens der Medien wahr: "Bei den Leuten vor Ort ist das kein großes Gesprächsthema." Und bei den Aktiven in der Gemeinde würden die Bemühungen um Aufklärung durchaus wahrgenommen. "Die Leute sehen die Missbrauchsfälle eher differenziert, als Fehler Einzelner und nicht als solche der Kirche insgesamt."
Hinsichtlich der im Raum stehenden Vertuschungsvorwürfe im Bistum Köln und andernorts vertritt Pater Joshy allerdings radikalere Ansichten als seine beiden Amtskollegen. "Dass man jemandem durch Verheimlichung einer Straftat helfen möchte, ist zwar menschlich. Aber es ist ein Fehler, der nicht passieren darf." Falls er doch passiere, müsse man auch den Mut haben, dazu zu stehen. "Wenn wir Aufarbeitung machen, dann bitte ernsthaft, egal wer da beschuldigt wird", lautet Pater Joshys Appell. "Ein Bischof ist eine öffentliche Person – und der muss dann auch mal zurücktreten."