Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. Eine Tradition mit Wiederkehr - hoffentlich. Vor acht Jahren noch schien das Ende der "Itterburg" als Gasthaus besiegelt. 2009 sollte eine Arztpraxis draus werden, mit Café nebenan. 2013 war ein Kindergarten geplant. Ein Jahr später befürwortete der Gemeinderat den Abriss und den Bau von Wohnungen. Doch in der Bevölkerung regte sich Widerstand. Kurze Zeit
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Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. Eine Tradition mit Wiederkehr - hoffentlich. Vor acht Jahren noch schien das Ende der "Itterburg" als Gasthaus besiegelt. 2009 sollte eine Arztpraxis draus werden, mit Café nebenan. 2013 war ein Kindergarten geplant. Ein Jahr später befürwortete der Gemeinderat den Abriss und den Bau von Wohnungen. Doch in der Bevölkerung regte sich Widerstand. Kurze Zeit nachdem der Abriss abgenickt worden war, wurde der Bauantrag zurückgezogen. Im Mai 2018 dann gab es die Genehmigung, aber nur für den Umbau des Seitentraktes. Der ist jetzt eine Tierarztpraxis.
Blieb noch die Frage, was aus dem Haupthaus würde. Jetzt haben wir’s: Die den Eberbacher so vertraute Itterburg soll wieder das werden, was sie einmal war: Seit den 1860er-Jahren ein Gasthaus, das man liebt, zu dem sich der Weg aus der Stadt lohnt, wo man an sommerlichen Nachmittagen oder Abenden draußen unter riesigen Kastanien essen, trinken und sich entspannen kann.
Ein Kindergarten war die Itterburg übrigens auch einmal. Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie aber nur kurzzeitig für die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt zweckentfremdet. Man suchte nach zusätzlichen Kindergartenplätzen, weil viele Mütter im Arbeitseinsatz waren und sich nicht selbst um ihre Kleinen kümmern konnten.
Am 1. Mai 1943 wurde der Kindergarten in der "Itterburg" eröffnet, allerdings schon im September des folgenden Jahres wieder geschlossen. Dann hatte das Haus seine ursprüngliche Bestimmung zurück.
Mit der Itterburg fing alles Mitte der 1860er-Jahre an, wie so oft in Eberbach als Hausbrauerei. Altstadtrat Bruno Schmitt hat sich 2005 an ihre Geschichte herangemacht und dabei auch die der Familie Koch nachgezeichnet. Denn es waren diese bekannten Eberbacher Wirtsleute, die die Initiative ergriffen hatten.
Die Kochs hatten in jener Zeit gleich drei Gasthäuser in ihrer Hand: "Hirsch", "Kanone" und eben die damals neu beantragte Braustätte an der Itter.
Ein genaues Gründungsdatum der Itterburg ist nicht belegt. Hausbrauereien hatten in Eberbach dereinst ihre Tradition. Also wollte Georg Peter Koch jun. draußen vor der Stadt auch sein eigenes Bier sieden, unterhalb des Itterbergs, gleich neben dem "Itterbach". Ein für die Kühlung des Gebräues dringend notwendiger Bierkeller wurde zwischen 1860 und 1865 gebaut.
Die Genehmigung des badischen Bezirksamtes folgte am 6. Juni 1865: Koch wurde erlaubt, "während der Sommermonate selbst gebrautes Bier zu verzapfen". Die Bahnlinie, die das Gasthaus vom angrenzenden Berg trennte, wurde erst 1879 eröffnet.
Bierausschank bedeute aber nicht gleich, dass man dort auch eine richtige Gaststätte betreiben durfte. So stellte Koch im gleichen Jahr einen entsprechenden Antrag auf Erweiterung der Konzession. Der Bezirksrat hielt das aber "nicht für nöthig" und versagte die Erlaubnis. Es gab schon zu viele "Wirthschaften" in Eberbach.
Koch ließ jedoch nicht locker. Unterstützt von Weinhändler Knecht-Leutz und einem Mosbacher Anwalt erreichte er, dass Bier und Branntwein im Lokal ausgeschenkt werden durften.
Ratsdiener Kienzler eröffnete Koch am 13. Juli 1870 die Genehmigungsurkunde - die Itterburg war jetzt namentlich dokumentiert.
Auch wenn das genaue Bau-Datum der Itterburg nur schwer festzustellen ist: Auf Plänen von 1879 ist das Haus mit Garten, Kegelbahn und Bierhalle schon in der heutigen Form gezeichnet. Ferdinand Jakob Koch, Sohn des Gründers, und dessen Schwager Karl Schneider sind in städtischen Urkunden benannt, als beide im September in jenem Jahr um die Erlaubnis zum Betrieb einer Gastwirtschaft in der Itterburg nachsuchten.
Die Kochs hielten die Tradition der Wirtschaft bis zuletzt stets hoch, hatten das Anwesen immer im Eigentum. Zeitweilig war die "Itterburg" zwar verpachtet. Aber der Anfang der 1920er-Jahre nach Amerika ausgewanderte Konrad Koch kam 1929 eigens zurück, um das Gasthaus wieder in Familienregie zu übernehmen. Bis zu seinem Tod 1960 war er der letzte männliche Wirt. Dann übernahm seine Witwe Marie Elisabeth Koch die Regie. Sie kam aus der Gastronomie, war die Tochter des "Kanonen"-Wirtes Eduard Neuer.
Frau Koch erkannte die Zeichen der Zeit und bot viele Veranstaltungen an. Die Gaststätte war gut und gerne besucht. Nicht nur, dass sich die Eberbacher zu Speis und Trank auf den Weg in die Hirschhorner Landstraße machten. So manche Feier eines Vereins fand dort statt. An Weihnachten traf man sich. Kindermaskenbälle und Kappenabende wurden veranstaltet.
In den Jahren von Beatles und Rolling Stones ließ Marie Koch Eberbacher Live-Bands auftreten. Die Jugend der Neckarstadt tanzte an den fast schon legendären Sonntagnachmittagen zu den Rhythmen der heimischen G-Men und der Twilights. Der amerikanisch gestylte Wirtssohn Eduard ("Eddy") sorgte für die richtige Organisation des halbstarken Vergnügens.
1974 kam die Zeitenwende. Aus dem deutschen Traditionslokal wurde "ein Italiener". Domenico Angelicchio und seine Frau Heidi übernahmen an Neujahr die Itterburg, machten das "Gargano" draus, die allererste Pizzeria in Eberbach.
Benannt nach einem italienischen Gebirge, das in seiner Ausprägung dem Odenwald gleicht. 1982 wechselte Angelicchio auf die Wimmersbacher Seite in den "Brockenhof".
Danach saßen Eberbacher und Gäste auch gerne bei "Peppino" und genossen weiterhin die kulinarischen Angebote von Bella Italia.
Man ging weiter "in die Itterburg", gleich wie der ausländische Name auch hieß. Als aber der bis dahin beliebte kleine Italiener 2008 in die Altstadt wechselte und sich im Alten Badhaus versuchte, war es mit ihm, seiner großartigen Küche und der "Itterburg" vorbei.
Das Anwesen an der Hirschhorner Landstraße wartete seither auf seine Nutzung, äußerlich unverändert - seit den 1860er-Jahren.
Es gibt inzwischen neue Besitzer. Die seit 1879 verbriefte große Kegelbahn ist inzwischen in eine Tierarztpraxis umgebaut. Aber das Haupthaus soll wieder seine alte Bestimmung erhalten.
Mitte nächsten Jahres werde es mit deutscher Küche wieder losgehen, heißt es. Die großen Kastanien, die schon auf alten Postkarten zu bestaunen sind, die stehen immer noch. Vielleicht gibt es 2019 einen heißen Sommer mit kühlendem Schatten bei der Itterburg.
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