Der Eberbacher Bahnhof am gestrigen Donnerstagmittag: Für die Polizei ein Brennpunkt, für Jugendliche Treffpunkt. Foto: Christofer Menges
Von Christofer Menges
Eberbach. Kontrolliert die Eberbacher Polizei junge Leute zu viel, zu oft und ohne konkreten Anlass? Das war eines der Themen beim runden Tisch für Jugendbeteiligung am Mittwoch im Rathaus.
Einige der rund 30 überwiegend Jugendlichen im Ratssaal sind genervt: Sie fühlen sich von der Polizei abgestempelt, berichten von Diskriminierungen wegen ihres Aussehens und Alters, von einschüchternden Sprüchen à la "Bei dir wissen wir schon, mit wem du zu tun hast", von Kontrolldruck. "Klar hat man mit jemandem zu tun, aber man ist schon sein eigener Mensch", setzt sich eine junge Frau gegen den mitschwingenden Verdacht zur Wehr, sie könne sich durch ihr Umfeld möglicherweise zu Illegalem verleiten lassen. So gehe das Vertrauen in die Polizei verloren, gerade wenn man selbst Schutz und Ansprechpartner brauche.
Die Beamten Klaus Großkinsky, Bernd Grimm und Revierchef Gerd Lipponer (v.l.) erklären beim runden Tisch für Jugendbeteiligung, wieso die Polizei wo kontrolliert. Foto: Christofer Menges
Er könne verstehen, wieso nicht ganz klar sei, wieso die Polizei zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten Gruppen überprüfe, entgegnet Revierchef Gerd Lipponer, der mit seinem Stellvertreter Klaus Großkinsky und Jugendsachbearbeiter Bernd Grimm zur Diskussion ins Rathaus gekommen ist. Nur gehöre es zum gesetzlichen Auftrag der Polizei, Kinder und Jugendliche an Orten zu überprüfen, an denen Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie dort in ihrem Wohl gefährdet seien.
Deshalb sei die Polizei auch gehalten, davon Notiz zu nehmen, wer mit wem in Kontakt stehe. Zu den Brennpunkten gehöre der Bahnhof mit jährlich weit über 100 Einsätzen. Immerhin gebe es dort im Umfeld Spielhallen, und Leute "mit viel Tagesfreizeit", wie Lipponer es nennt, die dem Alkohol nicht abgeneigt seien. Drogen würden dort bei Kontrollen auch gefunden.
Deshalb sei es klar, dass die Polizei auf Jugendliche, die sich dort aufhielten, zugehe, das Gespräch suche, die Personalien aufnehme und prüfe, ob Eltern verständigt werden müssten. Wenn jemand dann Wochenende für Wochenende in verschiedenen Gruppenzusammensetzungen überprüft werde, könne es sich für den einzelnen anfühlen, als ob er unter Beobachtung stünde. Der Polizeichef verspricht sich davon eine "vorbeugende Wirkung". Was Beleidigungen durch Beamte angeht, räumt Kollege Großkinsky "Einzelfälle" ein, die dürfe man aber nicht auf die gesamte Polizei übertragen.
Die Frage ist dabei oft auch, was als "Beleidigung" oder "Angriff" verstanden wird - sowohl in die eine, als auch in die andere Richtung. Ein junger Mann berichtet davon, dass er zeitweise fast jeden Tag kontrolliert werde, wenn nicht am Bahnhof, dann an der Neckarbrücke. Als er nachts seinen Unmut äußerte, dass er die erneute Kontrolle unnötig finde, sei er aufgefordert worden, das zu unterlassen: Der Polizist fühle sich dadurch angegriffen. Lukas (23) nennt die Kontrollen "penetrant". Betroffen seien nicht nur Jugendliche, sondern auch Arbeitskollegen und Familienväter, die teils dreimal pro Woche kontrolliert würden. "Viele Leute meiden Eberbach deshalb inzwischen", sagt er.
Alkohol und Drogen im Straßenverkehr, mit denen jüngere Leute häufiger auffällig würden, Vandalismus, Unfälle, Einbruchsprävention, auch Einflüsse von außen wie Anschläge, bei denen die Sicherheitsstufe hochgehe, nennen Lipponer und Kollegen als Gründe für die Kontrollen. Polizeibeamte müssten dabei auch einiges einstecken, Beleidigungen hinnehmen und hätten Stress im Einsatz, auch wenn sie das trainieren würden. Ziel sei es, gewaltfrei zu argumentieren, nur gehe das nicht immer.
Laut Großkinsky kommt noch dazu, dass junge Leute häufiger nachts unterwegs seien und deshalb entsprechend häufiger in Kontrollen gerieten. Zudem sei Eberbach einfach nicht so groß. Deshalb sei es zwangsläufig, dass man mehr kontrolliert werde.
Für Moritz Limprecht, Jugendarbeiter im Jugendtreff im Keller der Dr.-Weiß-Schule, sind es unterschiedliche Perspektiven, die hier aufeinander treffen: Der Bahnhof, in dem die Polizei einen kriminalistischen Brennpunkt sieht, sei für die Jugendlichen Ort zum Ankommen, Treffen, Döner kaufen - "ein sozialer Ort". Er sprach sich deshalb für mehr gegenseitigen Respekt und Verständnis aus: Jugendliche testeten eben manchmal Grenzen aus, Polizeibeamte seien auch nur Menschen.