Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. Vier Männer und fünf Frauen sitzen im Stuhlkreis, die Augen geschlossen, im Hintergrund läuft Musik so unauffällig, dass man sie kaum wahrnimmt. "Konzentriert euch auf die Mitte, wo die Drehbewegung stattfindet", sagt Sabine Kaschper. Sie leitet hier im Vereinsheim der HG Eberbach die Gruppe "Sport nach Krebs", zum Abschluss nach 45 Minuten sollen sich alle entspannen. " Die Füße stehen fest auf dem Boden, wir ziehen rechts die Schulter nach oben, nur die Schulter, nur eine kleine Bewegung, höchstens einen Zentimeter, der Rest muss bleiben!" Zwei, drei Wiederholungen, Seitenwechsel: "Da tut sich was in den Kapseln."
Eine Krebserkrankung stellt für die Betroffenen eine enorme körperliche und seelische Belastung dar, auch und gerade, wenn er nicht mehr da ist. Nach Operation, Chemotherapie und Bestrahlung könnte das Leben neu beginnen, aber die Lebensqualität ist oft stark beeinträchtigt. Viele Patienten fühlen sich nicht leistungsfähig, sind ständig müde, das Immunsystem ist geschwächt und anfällig, Bewegung fällt schwer, die Haut kann kribbeln, brennen oder gefühllos werden, auch psychisch sind viele aus dem Gleichgewicht. Kaschper kennt das aus eigener Erfahrung, vor einigen Jahren ist sie selbst an Krebs erkrankt. Vielleicht ist es ihrer sportlichen Vorgeschichte zu danken, dass sie relativ schnell wieder fit war. Fast fünfzig Jahre hat sie aktiv Handball gespielt, mehrere Trainerscheine gemacht.
Zahlreiche Untersuchungen haben nachgewiesen, dass Bewegung und gezielte Übungen das Befinden der Krebspatienten bessern und viele Beschwerden lindern können. Der Körper regeneriert sich schneller, das Immunsystem wird gestärkt. Im Tumorzentrum der Uniklinik Heidelberg werden Patienten schon vor der Operation einem Sportprogramm zugeführt, erzählt Sabine Kaschper: es habe sich gezeigt, dass viele dann Chemo und Bestrahlung besser vertragen und sich schneller erholen. Kaschper zitiert eine Studie, wonach Sport ein erneutes Auftreten von Krebs um bis zu 40 Prozent vermindern kann. Als sie eine Krebs-Sportgruppe suchte, musste sie feststellen, dass es die nächsten in Heidelberg und Buchen gab.
Sabine Kaschper dachte an ihre Trainer-Karriere und machte eine Ausbildung beim Badischen Behindertensport für Sport bei Krebs und Krebsnachsorge. Mittlerweile hat sie den Übungsleiter-B-Schein, regelmäßig nimmt sie an Fortbildungen teil. Ausdauer- und Krafttraining, Sturzprophylaxe, Körperwahrnehmung, Gedächtnisübungen: ihre Kursteilnehmer machen gerne mit, "weil Frau Kaschper immer wieder was Neues macht". Und auch erklärt, wie und warum eine Übung wirkt. Die Beschwerden können je nach Krebsart unterschiedlich sein, die Übungen sind für alle gut, etwa Beckenbodentraining.
15 Frauen und Männer machen inzwischen mit, die fünf der ersten Stunden sind immer noch dabei. "Es ist großartig, dass es hier so etwas gibt", sagt eine Teilnehmerin. "Alleine macht man sowas ja doch nicht konsequent und immer richtig." Auch die Gruppe tut gut, alle haben ähnliche Erfahrungen, niemand muss sich für einen Durchhänger rechtfertigen: Wenn etwas nicht geht, dann geht’s eben nicht", sagt Sabine Kaschper.
Sie sieht schnell, wenn es jemandem nicht gut geht, ist dann auch mal Kummerkasten. Jetzt geht sie reihum, fühlt nach, korrigiert, bis jeder spürt, worauf es ankommt. Sie weiß um die Wechselwirkungen von körperlichem und seelischem Befinden. "Viele Patienten sind gerundet", sagt Sabine Kaschper; sie nehmen eine Schonhaltung ein, der Rücken ist gebeugt, der Kopf sinkt nach unten. Sie müssen wieder lernen und spüren, wo die Schulterblätter bei aufrechter Körperhaltung sind.
"Kopf hoch" ist hier keine Floskel, sondern das Ergebnis von Krafttraining und Körperwahrnehmung. "Aktiv sein und unter Leute gehen, hilft aus dem Tief", sagt Sabine Kaschper.
Info: Wer sich für das Training interessiert, kann E-Mail schicken (sabinekaschper@gmx.de) oder anrufen (0 62 71 / 39 59).