Personenschifffahrt Kappes steht vor dem Aus
Bei ständig zurückgehenden Fahrgastzahlen laufen die Kosten davon. Das Boot soll verkauft werden.

Von Rainer Hofmeyer
Eberbach. Bald liegt vielleicht kein heimisches Fahrgastschiff mehr am Lauer. Wenn nicht so etwas wie ein kleines Wunder geschieht, wird ein weiteres Kapitel einer Eberbacher Familiengeschichte traurig beendet. Es geht um die letzte alte Schifferfamilie Kappes. Um den Namen Kappes drehte sich nach dem Krieg alles, was die Personenschifffahrt auf dem Neckar ausmachte, ob Fähre oder Weiße Flotte. Zwei Mal Kappes: die eine Familie Emil Kappes hatte die kleine Fähre beim Strandbad, die andere Familie Otto Kappes setzte die Eberbacher in Höhe der "Krone-Post" über und legte sich später zwei weiße Personenschiffe zu.
Die Fähre von Emil Kappes bei der Au ist längst eingestellt, bestenfalls schippert zu einem Kuckucksmarkt noch der städtische "Frischling" von seinem Exil in Lampertheim nach Eberbach und setzt die Marktbesucher über. Geblieben war der Schifffahrtsbetrieb von ehemals Otto Kappes. Im April 2015 war hier als Neuerwerb die "Petra Kappes" getauft worden. Sie sollte nach einem Fahrplan Gäste über den Neckar bringen. Zwei Mal in der Woche nach Heidelberg, zwei Mal nach Neckargemünd, drei Mal nach Hirschhorn.

An diesem Samstag ist noch eine letzte Rundfahrt der "Petra Kappes" angesetzt. 90 Minuten um 14 Uhr. Allenfalls gibt es zwei Stunden später noch einen kürzeren Dreh, wenn genügend Gäste kommen. Dann ist nach dem jetzigen Stand das Schiff nicht mehr versichert, muss liegenbleiben. Andreas Kappes (44), der Dritte in der Familienreihe der Kapitäne Kappes, kann nicht mehr. Die Einnahmen der "Petra Kappes" tragen nicht mehr die Versicherungskosten. Auch wenn das Schiff im Jahr nur wenige Wochen überhaupt fährt, muss es so versichert sein, als ob jeden Tag im Jahr Fahrten wären. Kappes bemüht sich dringend um eine kostengünstigere Lösung. Aber die Zeit drängt. Ab dem 1. September kann das Ende der Eberbacher Personenschifffahrt besiegelt sein.
Als die "Petra Kappes" getauft wurde, spielte der Eberbacher Fanfarenzug. Dutzende Eberbacher standen Beifall klatschend am Lauer. Bürgermeister Peter Reichert gratulierte zum unternehmerischen Mut der Familie Kappes. 150 Gäste kann das Boot aufnehmen. Es war im Jahr 2000 in einer holländischen Werft gebaut worden. Zwei Motoren je 136 PS verbrauchen Treibstoff, der auch zu bezahlen ist. Die Liegegebühren am Lauer sind noch das Geringste.
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Nicht zuletzt wegen der Corona-Krise waren die Tagestouren eingebrochen. Seit drei Jahren gehen die Passagierzahlen stetig zurück, klagt Andreas Kappes. Lediglich das Chartergeschäft lief zuletzt noch einigermaßen: Trauungen, private Feiern, Firmenfahrten. "Die Einnahmen sind zwischen 60 und 75 Prozent eingebrochen". Andreas Kappes kämpft. An der "Petra Kappes" hängt das Schild "Zu verkaufen". Bis solch ein Kauf über die Bühne geht, können ein paar Jahre vergehen. Selbst wenn es mit einer günstigeren Versicherung ab September überhaupt weitergehen sollte: Sobald ein Käufer da ist, macht Kappes Schluss.

Drei Generationen Kappes kennen die älteren Eberbacher: Otto, Adolf und Enkel Andreas. Großvater Otto war dereinst Fischer wie sein Bruder Ferdinand. Ferdinand wurde Rheinschiffer, Otto blieb in Eberbach und begann als Fährmann. Er setzte in Höhe der Krone-Post mit einer kleinen motorisierten Personenfähre über. Die hatte schon den Namen "Burg Eberbach". Nach dem Krieg war der Fährbetrieb ein gutes Geschäft, trotz der Neckarbrücke. Als es noch wenige Autos in der Stadt gab, nahm der Personenverkehr mit Neckarwimmersbach den kurzen Weg über den Neckar. Man kaufte in der Innenstadt ein und schleppte seine Einkäufe runter zur Neckarfähre.
Wenn in den früheren strengen Wintern der Neckar zugefroren war, wollten die Leute auf der Strecke der Fähre zu Fuß über das Eis auf die andere Seite. Mit der Wasserschutzpolizei wurde die Eisdicke geprüft. Und dann streute Otto Kappes Ruß auf dem Pfad über den Neckar. Und Kappes durfte seine zehn Pfennige genauso kassieren, als hätte er die Fähre am Laufen.
Otto Kappes zog neben der Fähre die Eberbacher Personenschifffahrt auf, die Weiße Flotte der Stadt. An der Eberbacher Kaimauer lagerten die große "Burg Eberbach", die Kappes 1955 gekauft hatte, und die "Stolzeneck". Es gab Fahrten nach festem Plan, insbesondere neckarabwärts bis Heidelberg. Der Aushang am Lauer hatte fast die Größe eines Bahn-Fahrplanes. Höhepunkte waren die Fahrten im Sommer zur Heidelberger Schlossbeleuchtung. Otto Kappes starb 1980 im Neckar.

Ottos Sohn Adolf "Adi" Kappes trat in die "schiffischen" Fußstapfen des Firmengründers. Zusammen mit dem Eberbacher Schiffsmann Wilhelm "Helmer" Knecht war Adi auch so etwas wie der nautische Stolz der Eberbacher. Knecht wurde der erste Kapitän der 76 Meter langen "Schwabenland", einem in Stuttgart beheimateten Passagierschiff, das alle zwei Wochen über Neckar und Rhein nach Rotterdam fuhr. Adi Kappes war der Erste Steuermann auf der Jungfernfahrt am 29. Juni 1960, ein Ereignis, das auch das Fernsehen des Süddeutschen Rundfunks begleitete. Nach einem Jahr übernahm Adi Kappes den heimischen Betrieb mit "Burg Eberbach" und "Stolzeneck".
Die "Otto Kappes" wurde 2008 verkauft, die "Burg Eberbach" wechselte 2016 den Besitzer. Sie brannte einen Monat nach der Veräußerung in einer niederländischen Werft aus. Adolf Kappes ist vor acht Jahren gestorben.
Jetzt liegt das ganze unternehmerische Risiko bei Andreas Kappes. Der stieg mit Mut in die Fußstapfen von Vater und Großvater. Nach Schreinerlehre, Bundesmarine und Lehre auf einem Frachtschiff übernahm er die "Eberbacher Personenschifffahrt". Mit dem 2001 erworbenen Großen Rheinpatent könnte er wie sein Vater Adi Binnenschiffe bis ans Meer fahren.
Wenn das letzte Eberbacher Personenschiff außer Dienst gestellt wird, hat er wenigstens noch einen Beruf außerhalb des Wassers, der ihn ernähren kann.
Am Lauer wird das weiße Schiff mit "Eberbach" am Heck dereinst fehlen.