Die Sänger des MGV Liederkranz schmettern bei der ersten Online-Chorprobe der Vereinsgeschichte jeder für sich die Lieder mit. Foto: Andreas Held
Von Andreas Held
Eberbach. Die Freude, nach der coronabedingten Zwangspause wieder Chorproben abhalten können, währte beim Männergesangverein Liederkranz nur kurz. Im Oktober hatten sich die Sänger erstmals wieder zu einer richtigen Probe getroffen, wobei auch die schon alles andere als normal war: Es durften nur jeweils zwölf Sänger teilnehmen. Somit konnte immer nur eine Stimme proben.
Außerdem erforderlich: vier Meter Abstand zwischen den Sängern. Echtes gemeinschaftliches Chor-Gefühl kam dabei nicht auf. Obendrein machte sich stark bemerkbar, dass ein ein halbes Jahr lang nicht gemeinsam gesungen worden war. Denn auch eine Gesangsstimme will trainiert sein, insbesondere bei Laienchören. Trotzdem Es wurde gesungen – um kurz danach die nächste Zwangspause zu haben.
Was also tun, damit durch Corona das Vereinsleben nicht ganz zum Erliegen kommt? Da zeigten die Sänger Einfallsreichtum und setzten auf moderne Technik. Im November probten sie jeweils für sich zuhause: mithilfe von Übungs-Aufnahmen, die der neue Chorleiter Fabio Freund eingesungen hatte. Diese wurden den Sängern wahlweise als MP3-Audiodateien oder auf CD zur Verfügung gestellt. Den einen oder anderen kostete es allerdings schon Überwindung sich dazu aufzuraffen, sich allein daheim mit dem Notenblatt in der Hand vor die Lautsprecher zu setzen und die vorgesungenen Stücke mitzusingen.
So wurde am 1. Dezember der nächste Versuch gestartet: die erste virtuelle Chorprobe in der 175-jährigen Geschichte des Vereins. Der Vorstand hatte während der Einschränkungen im Frühjahr schon mehrmals seine Sitzungen als Video-Konferenz abgehalten und damit positive Erfahrungen gesammelt. Auch Chorleiter Fabio Freund hatte gute Erfahrungen damit. Allerdings war von vornherein klar, dass man damit wahrscheinlich nicht alle Sänger des Chores erreichen würde. Nicht jeder hat die technischen Voraussetzungen und Geräte wie ein Notebook, einen PC oder ein Smartphone mit Internet-Anschluss.
Dennoch gingen es die Sänger an. Sich mal wieder sehen und austauschen schien doch um einiges interessanter, als zuhause im stillen Kämmerlein zu üben. Und es ist auch etwas anderes, den Chorleiter nicht nur singen zu hören, sondern ihn auch zu sehen und Hinweise zum Proben zu bekommen.
Chorleiter Fabio Freund singt es vor. Foto: HeldGemeinsam singen geht in der Variante, in der der Liederkranz nun die erste Online-Chorprobe seiner Geschichte absolviert hat, allerdings immer noch nicht. Auch hier singt jeder für sich allein: Beim Singen hat nur der Chorleiter sein Mikrofon angeschaltet, alle Sänger müssen es abschalten – denn durch Verzögerungen bei der Online-Übertragung, so genannte Latenzen, kann in einer Videokonferenz kein homogener Klang entstehen. Je nach Anschluss kann die Zeitverzögerung durchaus etliche Sekunden betragen. Beim gemeinsamen Singen eine halbe Ewigkeit und mehrere Takte. Und weil die Latenzen schwanken, funktioniert auch kein Kanon.
Eine Kontrolle, ob alles richtig gesungen war, war so auch nicht möglich. Aber die Sänger konnten zumindest ihr Mikrofon einschalten und nachfragen, wenn ihnen etwas unklar ist oder sie eine Stelle gerne noch einmal wiederholen wollten.
Letztlich kam dann sogar doch noch ein wenig vorweihnachtliches Chor-Gefühl auf. Chorleiter Fabio Freund hatte von "Herbei, oh ihr Gläubigen" alle Stimmen eingesungen und zu einem vierstimmigen Chorsatz übereinandergelegt. Zu dem konnte jeder seine Stimme mitsingen. Das klang wenigsten ein bisschen nach Männerchor.
Immerhin 18 Sänger nahmen an der ersten virtuellen Probe der Vereinsgeschichte teil – ein Drittel der Aktiven. Deshalb soll es da nicht gewesen sein: Für die kommenden Wochen sind weitere virtuelle Chorproben geplant, jeweils mittwochs um 19.30 Uhr. Die Teilnehmer der ersten Probe sind wieder dabei und wahrscheinlich kommen weitere hinzu.
Gerade die etwas älteren Sängerknaben bauen dabei auf die Mithilfe und Unterstützung ihrer Kinder und Enkel bei der technischen Umsetzung. Das hat bei einigen schon bei der Premiere gut funktioniert. Und auch wenn es nicht zur Dauereinrichtung werden soll: Die Teilnehmer waren froh, sich wenigstens auf diesem Wege mal wieder zu sehen und wieder einen gemeinsamen Probentermin zu haben. Denn ein Ende der Einschränkungen, speziell auch für Chöre, ist derzeit noch nicht abzusehen.