Der Lindacher Landwirt Achim Helm mit seinen Rindern beim Almabtrieb am Dienstag. Foto: Barbara Nolten-Casado
Von Barbara Nolten-Casado
Lindach. Es war das erste Mal, so lange Achim Helm zurückdenken kann, dass die Rinder der Lindacher Landwirtsfamilie noch bei Schnee auf der Weide waren. "Das war so nicht geplant", sagt Helm. "Eigentlich hätten sie noch länger draußen bleiben sollen", ein paar Schneeflocken machten ihnen schließlich nichts aus. Aber dann schneite es kräftig in der Nacht von Montag auf Dienstag, und eine dichte weiße Decke legte sich über die Wiesen rund um Lindach.
"Da finden sie nichts mehr zu fressen. Und wenn der Schnee überfriert, können die Tiere ausrutschen und sich verletzen." Um das zu verhindern wurde am Dienstag schleunigst zum "Almabtrieb" geblasen. Im Nu waren zehn Helfer aus dem Kreis der Familie und der Nachbarschaft mobilisiert, die entlang der Strecke durchs Dorf Richtung heimischen Stall darauf achteten, dass Fahrzeuge den Tieren die "Vorfahrt" überließen und keine der fünf Kühe und vier Kälber oder gar Bulle Felix vom Weg abkamen. Doch alles lief reibungslos – nicht zuletzt dank des bei Rindviechern heiß begehrten Getreideschrots, den Bauer Helm in einem Eimer vorantrug und den es nach Ankunft im Stall zur Belohnung gab.
Mehr als sieben Monate hatten Amelie, Hilde, Paula, Kälbchen "Corona" und die anderen Mitglieder der Herde die frische Luft und das saftige Gras auf den rund 20 Hektar umfassenden Helm’schen Wiesen zwischen Lindach und Eberbach genießen können. Erstmals beweideten sie dabei auch Böschungen entlang der B37. "Der Landschaftserhaltungsverband fragte im Rahmen eines Pilotprojekts des Rhein-Neckar-Kreises diesbezüglich an", berichtet Achim Helm. "Das Straßenbauamt hatte keine Bedenken und auch das Land stimmte zu." Ziel der Maßnahme, bei der die Tiere bis einen Meter an die Leitplanke herandürfen, sei es, "dass keine Mulcher mehr eingesetzt werden müssen". Diese Geräte, die zum Mähen und gleichzeitigen Zerkleinern des Mähguts verwendet werden, töteten bis zu 90 Prozent der darin befindlichen Lebewesen, so Helm.
Zum ersten Mal hat er den Sommer über – ebenfalls auf Anregung des Landschaftserhaltungsverbands – seine Kühe auch bis in den an die Wiesen angrenzenden Wald hinein grasen lassen. "Dort fressen sie die Brombeerhecken runter, weshalb man auf den Einsatz des Freischneiders verzichten kann." Außer der täglichen Zaunkontrolle und dem gelegentlichen Auffüllen des Wassertanks hat der auf Naturschutz bedachte "privilegierte Nebenerwerbslandwirt" von April bis in den Spätherbst wenig Arbeit mit seinen Tieren. "Sie kalben allein auf der Weide, einen Tierarzt brauchen wir da nicht." Und bei der "Ammenkuhhaltung" dürfen die Kälber solange die Milch ihrer Mutter trinken, bis das nächste Kalb geboren wird. "Deshalb sind sie auch so gesund und so glücklich", weiß Helm.
Doch bei sinkenden Temperaturen und Schnee fühlen sich die Tiere jetzt auch im warmen Stall wohl, ist er überzeugt. Dort werden sie täglich mit frischem Stroh, mit Silage und Heu versorgt. Bis zum "Almauftrieb" im nächsten Frühling.