Dr. Harald Nuding ist für seine Patienten da, aber der 67-Jährige möchte sich 2020 zur Ruhe setzen. Foto: E. Wartner
Von Ellen Wartner
Eberbach. Genau vor einem Jahr verstarb Dr. Ulrich Spiegelberg, der mehr als 25 Jahre zusammen mit Dr. Harald Nuding die Kinderarztpraxis in der Itterstraße betrieb. Zusammen mit ihrem Helferstab feierten die beiden Fachärzte frohgemut noch "Silberhochzeit". Doch urplötzlich änderte sich alles.
Dr. Harald Nuding versucht seither nach Kräften den umfangreichen Praxisbetrieb allein zu stemmen. Im Sommer ging das noch, meint er. Aber im Winter, wenn die Grippewelle anrollt, klopfen täglich um die 150 Patienten an die Praxistür.
Bis dato hatte der Doktor noch das große Glück, dass ein bereits pensionierter 71-jähriger Arzt aus der Region Rhein-Neckar ihn zweimal in der Woche unterstützte. Jetzt aber fordert er seinen wohl verdienten Ruhestand ein.
Was nun? Ein neu hinzu gekommener Medizinerkollege in Eberbach, Marc Hirdes, der die Praxis Dr. Keller übernommen hat, sei ebenfalls voll ausgebucht, weiß Nuding.
Er selbst ist 67 Jahre alt und möchte Ende 2020 auf jeden Fall in den Ruhestand treten. Seine Bemühungen, einen Nachfolger zu finden, waren bisher erfolglos. Kein Fachkollege zeigte Interesse, die gut gehende große Praxis zu übernehmen.
Nudings acht Fachangestellten, fast alle in der eigenen Praxis ausgebildet und einige davon bereits mehr als 20 Jahre im Dienst, sind ratlos und wollen ihren Chef bei der Suche unterstützen. Genau wie er finden sie den Gedanken entsetzlich, dass die Praxis schließen müsste.
Auch das Praxisteam der Kinderärzte Spiegelberg (†) und Nuding engagiert sich bei der Suche nach einem neuen Kinderarzt. Foto: E. Wartner
Das Praxisteam startete einen Hilferuf in Fachzeitungen, wandte sich an Medien und bat um Hilfe. Auch in den Augen der Teammitglieder ist es katastrophal, wenn es in Eberbach statt der bisher drei bis vier Kinderärzte nur noch einen geben würde. Sie stellen die Frage: "Wo sollen die vielen Kinder und ihre Eltern Hilfe finden, wenn die Praxis schließen muss? Die Kinderklinik Heidelberg behandelt nur Notfälle. "Alle Kinderärzte im weiten Umkreis sind total überlastet." Dr. Nuding versichert: "Ich ergreife jeden Strohhalm, um die Praxis zu erhalten.,
Zu noch mehr Leistung sei er nicht fähig. Er arbeite von morgens 8 bis abends 19 Uhr. Und an Samstagen, wenn er Bereitschaftsdienst hat. Ständig kämen noch neue Patienten hinzu: Neugeborene und Zugezogene.
Dazu kommt noch, dass sich das Arbeitsgebiet nicht nur auf die Behandlung von akuten Erkrankungen erstrecke. Dazu kommen noch die gesetzlich geforderten Vorsorgeuntersuchungen und -impfungen. Beispielsweise darf kein Kind in einen Kindergarten aufgenommen werden, bevor es vom Arzt nicht entsprechend untersucht worden ist. Und Schulabgänger unter 18 Jahren dürfen ohne Gesundheitszeugnis keine Ausbildung beginnen.
Eine generelle Impfpflicht gibt es zwar nicht, so Nuding. Trotzdem nutzten nahezu alle seiner Patienten das Angebot an Vorsorgerimpfungen. Freiwillig. Weil Kind und Eltern vom Kleinkindalter an Vertrauen zu ihm aufgebaut haben, berichtet er. Das führe aber auch dazu, dass junge Menschen ihm bis zum Erwachsenenalter treu bleiben und sich nicht so ohne weiteres einem Hausarzt anvertrauen wollen. Müssen sie ja auch nicht. Denn Dr. Nuding ist eben nicht nur Arzt für Kinderheilkunde, sondern auch für Jugendmedizin.
Inzwischen ist es nachmittags gegen 14.30 Uhr. Der Arzt und seine Mitarbeiterinnen müssen wieder an die Arbeit: Im Wartezimmer warten schon die ersten Patienten. Ein Kind hatte einen kleinen Unfall, und seine Blessuren müssen versorgt werden. Ein anderes Kind hat sich freiwillig zu einer Vorsorgeimpfung angemeldet. Und im Flur warten weitere Patienten.