Erika Hils und Gertraud Lenz von der katholischen Frauengemeinschaft mit der Referentin Barbara Bart (v.l.). Foto: Elisabeth Murr-Brück
Von Elisabeth Murr-Brück
Eberbach. Als erste Universität im Deutschen Reich ließ Heidelberg nach einem Senatsbeschluss vom 19. Januar 1900 Frauen zum Studium zu, nicht ohne heftige Diskussionen und Widerstände. 350 Jahre vorher aber wurde hier bereits einer Frau zur Professorin berufen, wiederum erstmalig und einmalig im deutschsprachigen Raum: Olympia Fulvia Morata. Eine Dichterin und Gelehrte, die zur geistigen Elite ihrer Zeit zählte, die sich selbstbewusst schon früh vom klassischen Frauenbild distanzierte. Mit "Spindel und Spinnrock" mag sie nichts zu tun haben. Als ein langjähriger Freund sie nach ihren Kindern fragt, sagt sie, sie würde ihm diese zuschicken: Ihre Kinder sind ihre Gedichte. Sie heiratet den Mann, in den sie sich verliebt hatte und lebte mit ihm in einer gleichberechtigten Partnerschaft. Das evangelische Studienseminar direkt an der Nordseite der Alten Brücke trägt ihren Namen. "Doch den kennt dort anscheinend niemand", stellt Barbara Bart bei ersten Nachfragen fest; auch in Heidelberg ist diese Ausnahmeerscheinung so gut wie vergessen. Für das erste Treffen nach den Ferien im katholischen Frauencafé hat Bart das Leben der Olympia Fulvia Morata nachgezeichnet.
Olympia Fulvia Morata wurde 1526 in Ferrara geboren. Es ist eine Zeit des geistigen Umbruchs, die Macht der katholischen Kirche wurde durch reformatorische Bewegungen erschüttert. Ferrara eines der Zentren der humanistischen Renaissance in Oberitalien. Weibliche Gelehrsamkeit wird von Humanisten zwar grundsätzlich befürwortet, aber dennoch kontrovers diskutiert: Die gebildete Frau sollte ihre Kenntnisse ausschließlich nutzen, um Mann und Kinder zu unterstützen.
Olympia denkt nicht daran. Von ihrem Vater Peregrinus Moratus gefördert, zeigt sich schon früh ihre große Begabung, sie disputiert in Griechisch und Latein, hält mit 16 eine Vorlesung über Cicero und beherrscht die "sieben Freien Künste", die zwingende Voraussetzung für ein Universitätsstudium. Auf Wunsch der Herzogin wird Olympia Gesellschafterin ihrer Tochter Anna, die beiden Mädchen werden gemeinsam unterrichtet und entwickeln eine enge Freundschaft. Ihr Vater lebt da bereits als Anhänger des Calvinismus im Exil. Als er erkrankt, pflegt ihn Olympia. Nach seinem Tod allerdings haben sich die Verhältnisse am Hof von Ferrara geändert. Anna ist verheiratet, der Regent katholisch, die Herzogin entmachtet, Olympia unerwünscht. Sie beschäftigt sich jetzt auch intensiv mit Religion, lernt den Schweinfurter Arzt Andreas Grundler kennen, der in Ferrara promoviert, die beiden verlieben sich, heiraten und ziehen nach etlichen Wirren und Umwegen mit Olympias Bruder 1550 zurück nach Schweinfurt, wo Grundler eine Anstellung als Stadtarzt findet.
Olympia ist eine berufstätige Ehefrau: Sie gibt Unterricht in Latein und Griechisch und macht ihr Haus zu einem geistigen Zentrum der Stadt. Vier Jahre später ist Krieg, aus dem "Schweinfurter Stadtverderben" können sich Olympia, ihr Mann und ihr Bruder gerade noch retten. Barfuß und im Unterkleid ist sie auf der Flucht und ist und am Ende ihrer Kräfte, als sie von den Grafen von Erbach aufgenommen werden.
Andreas Grundler erhält einen Ruf an den medizinischen Lehrstuhl der Heidelberger Universität, Olympia wird eingeladen, "Graeces" zu lehren. Dazu kommt es nicht mehr. Am 26.Oktober 1555 stirbt sie, entkräftet durch die Strapazen der Flucht, an Tuberkulose. "Ich bin glücklich", waren - so berichtete ihr Mann - ihre letzten Worte. Er und Olympias Bruder starben wenige Monate später an der Pest. Olympias Grabstein steht in der Heidelberger Peterskirche.