Flammen auf dem Autodach: Pfarrer Jonathan Richter (l.) und Gemeindereferent Gregor Kalla gestalten am Pfingstmontag einen Autogottesdienst. Foto: Barbara Nolten-Casado
Von Barbara Nolten-Casado
Eberbach/Waldbrunn. Ein rotes Auto mit einer orange-gelben Flamme über dem Dach zieht das Auge des Betrachters auf sich, der in den Gemeindebrief der katholischen Seelsorgeeinheit Edith Stein mit ihren Gemeinden Eberbach, Neckargerach und Waldbrunn oder den der evangelischen Kirchengemeinden Waldbrunn schaut.
Die Flammen über den Köpfen von Jesu Jüngern kennt man aus unzähligen künstlerischen Darstellungen der biblischen Erzählung von der Herabkunft des Heiligen Geistes auf seine Freunde in Jerusalem vor rund 2000 Jahren, an dem Tag, den wir heute Pfingsten nennen. Die Geist-Flamme über einem Auto aber ist ungewohnt und neu – so ungewohnt und neu wie die gesamte Situation, in der sich die Welt seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie befindet. So wird auch der in Waldbrunn längst zur guten Tradition gewordene ökumenische Gottesdienst am Pfingstmontag in diesem Jahr in ganz ungewohnter und neuer Form stattfinden: Statt wie bisher im Kurpark in Mülben, sind die Christgläubigen aller Konfessionen heuer auf den Parkplatz bei der Katzenbuckeltherme eingeladen: um 10 Uhr, zum Autogottesdienst.
Der evangelische Pfarrer von Waldbrunn, Jonathan Richter, hatte von Pfarrerkollegen aus anderen Gemeinden von dieser Art Gottesdiensten gehört. Ihm gefiel die Idee, ließen sich die Corona geschuldeten Abstands- und Hygieneregeln dabei doch bestens einhalten. "Da wird das Auto zur Kirche", sagt Richter. "Es ist ein geschützter Bereich, da dürfen wir laut mitbeten und sogar mitsingen, was andernorts wegen der Ansteckungsgefahr nicht möglich wäre."
Richter erzählte seinem katholischen Mitstreiter, Gemeindereferent Gregor Kalla, von der Idee. "Ich war sofort – ganz pfingstlich – Feuer und Flamme", erinnert dieser sich. Zumal die beiden Kirchenmänner die Erfahrung gemacht haben, dass sich von derlei Aktionen auch Menschen angesprochen fühlen, die an "normalen" Gottesdiensten eher nicht teilnehmen. "Hier erlebt man Nähe, obwohl man auf Distanz ist", erläutert Richter.
"Aufbruch mit Navi" soll das Thema des Pfingstmontags-Auto-Gottesdienstes lauten. So ist auch der Einladungsflyer überschrieben. "Das Auto steht als Bild für den Menschen, der vom heiligen Geist bewegt wird", erklärt der evangelische Pfarrer. "Es ist Symbol für die Bedürftigkeit, bewegt zu werden. Das Auto fährt ja nicht aus sich selbst, sondern es muss geführt und geleitet werden."
Und die Flamme über dem Autodach? "Die Köpfe werden wir am Pfingstmontag nicht sehen", sagt Richter, "aber die Autos". Die Flamme ließe sich in diesem Fall mit einem Navi vergleichen. "Pfingsten ist ja das Fest des Aufbruchs", erläutert Gregor Kalla. "So, wie die Apostel beim Pfingstgeschehen die Kraft vom Himmel bekamen, den Aufbruch zu wagen, in die ganze Welt zu gehen und die Frohe Botschaft von Jesu Auferstehung zu den Menschen zu bringen, so erhält ja auch das Navi quasi Infos ‚vom Himmel‘, in dem Fall vom Satelliten. Wenn wir uns vom Himmel leiten lassen, irren wir nicht einfach umher, sondern sind auf dem richtigen Weg. Die Jünger Jesu haben den Antrieb zu gehen und wissen sich dabei geführt."
"Aufbruch bedeutet: Es geht los", fügt Jonathan Richter hinzu. "Das heißt für uns auch, der Gottesdienst ist um elf Uhr nicht einfach vorbei. Vielmehr senden wir die Menschen aus in die Welt und in ihr familiäres Umfeld, um Boten Christi zu sein, die in der Kraft des Heiligen Geistes leben."
Pfarrer Richter und Gemeindereferent Kalla werden den Gottesdienst gemeinsam von einer Lkw-Bühne aus leiten. Zu hören sein werden sie über eine Lautsprecheranlage. Die musikalische Umrahmung und Begleitung der Lieder übernehmen Bläser des evangelischen Posaunenchors Waldbrunn. Und bei den vielen erwarteten "Geist-entflammten" Autos wird auch die Feuerwehr vor Ort sein – allerdings nur, um die Fahrzeuge in die vorgesehenen Stellplätze einzuweisen.